Deutschland: AfD wählt CDU-Politiker als Präsidentschaftskandidaten
Otte werden seine Mitgliedsrechte sofort entzogen, ein Parteiausschlussverfahren wird eingeleitet, wie Generalsekretär Paul Ziemiak am Dienstag nach einer Sitzung des CDU-Bundesvorstandes mitteilte.
Es handle sich um "einen dringenden und schwerwiegenden Fall schwer parteischädigenden Verhaltens, der ein sofortiges Eingreifen erforderlich macht". Otte hatte sich zuvor bereit erklärt, den Vorschlag der AfD anzunehmen, für sie für das höchste Amt im Staat zu kandidieren. "Ich sehe es nicht als Provokation an. Es ist mir ernst", sagte der 57-Jährige, als er am Nachmittag gemeinsam mit den AfD-Fraktionschefs Tino Chrupalla und Alice Weidel im Reichstagsgebäude vor die Kameras trat. Einen freiwilligen Austritt aus der CDU, wie ihn die CDU-Spitze forderte, lehnte er ab.
Gegen Grundsatz der CDU verstoßen
Zu der Sitzung des CDU-Bundesvorstands waren der Vorsitzende von Ottes Kölner Kreisverband und der CDU-Landesverband NRW zugeschaltet. Ziemiak sagte anschließend, Otte habe nicht nur die Beschlusslage der Union zur angestrebten Wiederwahl von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier missachtet. "Er hat insbesondere gegen den Grundsatz der CDU verstoßen, in keiner Weise mit der AfD zusammenzuarbeiten." Ziemiak verurteilte ausdrücklich den gemeinsamen Auftritt von Otte mit Weidel und Chrupalla. "Er hat damit zugleich seine Loyalitäts- und Solidaritätsverpflichtung gegenüber der CDU verletzt."
"Die politischen Spielchen der AfD und die Art und Weise, wie Herr Dr. Otte sich in diese hat einbinden lassen, zeugt außerdem von wenig Respekt vor dem Amt des Bundespräsidenten, wenn nicht gar vor unserer demokratischen und parlamentarischen Ordnung", sagte Ziemiak weiter.
AfD: "Honoriger Politiker"
Chrupalla nannte Otte einen "honorigen Politiker" und einen "Mann aus der Mitte". Weidel bezeichnete den CDU-Mann als "wertkonservativen, liberalen Kandidaten" und "ehrwürdigen Bundespräsidentenkandidaten". Dem Vernehmen nach gab es innerhalb der AfD auch eine gewisse Freude darüber, die CDU düpiert zu haben.
https://twitter.com/ArminLaschet/status/1485922546298101760
Otte sagte, er sehe die Kandidatur als Möglichkeit, Gräben zuzuschütten. "Wenn man vorgeschlagen wird für das höchste Staatsamt, was über den Parteien steht, ist das in meinen Augen keine Zusammenarbeit. Es ist eine individuelle Entscheidung, ob ich diesen Vorschlag annehme oder nicht."
Der noch amtierende CDU-Chef Armin Laschet und sein Nachfolger Friedrich Merz hatten sich für die rasche Einleitung eines Parteiausschlussverfahrens ausgesprochen. "Es gibt einen sehr harten und klaren Schnitt", sagte Merz nach Teilnehmerangaben in einer Online-Sitzung der Unionsfraktion im Bundestag. Otte habe sich schon lange weit von der Union entfernt. "Wir werden ihm heute Abend zeigen, dass wir sehr schnell und sehr eindeutig handeln."
"Auf der Nase herumgetanzt"
Laschet wurde aus Teilnehmerkreisen mit den Worten zitiert: "Dieser Otte und auch die Werte-Union ist uns jahrelang auf der Nase herumgetanzt." Jeder wisse, wie schwer ein Ausschlussverfahren sei. Aber: "Jetzt ist eine Schwelle überschritten."
Für die neue CDU-Spitze um Merz ist die Entwicklung eine Chance, klare Kante zu zeigen. Merz hatte im "Spiegel" angekündigt, mit ihm werde es "eine Brandmauer zur AfD geben". Von der Werte-Union ist die CDU-Führung seit Jahren genervt. Im Bundestagswahlkampf musste sich Laschet wegen der Kandidatur des früheren Verfassungsschutzchefs Hans-Georg Maaßen immer wieder vorhalten lassen, sich nicht genügend gegen Rechtsaußen abzugrenzen. Maaßen verkündete am Dienstag seinen Austritt aus der Werte-Union. "Es ist nicht akzeptabel, dass sich ein Unionsmitglied als Bundespräsidentenkandidat von der AfD aufstellen lässt", sagte er der Deutschen Presse-Agentur.
"Er hat bei uns nichts verloren"
Die Reaktionen führender CDU-Politiker auf Ottes Kandidatur waren einhellig. Laschet schrieb bei Twitter: "Von der AfD als Präsidentschaftskandidat nominiert zu werden, ist keine Ehre, sondern eine Schande." Wer dies als Christdemokrat überhaupt erwäge, schädige das Ansehen der Union, verletze ihre Werte und habe in der CDU nichts verloren. "Das, was ich von Herrn Otte wahrnehme, hat nichts mit der CDU zu tun", sagte Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Hendrik Wüst der "Rheinischen Post". "Er hat bei uns nichts verloren."
Parteiausschlussverfahren können zäh sein. Das hat die SPD zuletzt bei Thilo Sarrazin erlebt, mit dem sie sich jahrelang über dessen Bücher unter anderem über Migration herumgestritten hatte. Es dauerte Jahre, bis die Partei ihn schließlich rauswerfen konnte. Otte sagte dem "Spiegel": "Freiwillig werde ich aus der CDU nicht austreten." Er sehe die AfD klar auf dem Boden des Grundgesetzes.
Chancen auf das Amt des deutschen Bundespräsidenten hat Otte nicht. In einem gemeinsamen Schreiben an Bundestagspräsidentin Bärbel Bas (SPD) schlugen die Partei- und Fraktionschefs der Ampel-Partner SPD, Grüne und FDP sowie die Spitzen von CDU und CSU am Dienstag Steinmeier zur Wiederwahl vor. Damit gibt es in der Bundesversammlung, die am 13. Februar zusammentritt, eine große Mehrheit für ihn. Als weiterer Kandidat tritt für die Linke der ebenfalls chancenlose Mainzer Sozialmediziner Gerhard Trabert an.
Parteiausschlussverfahren können zäh sein. Das hatte die SPD zuletzt bei Thilo Sarrazin erlebt, mit dem sie sich jahrelang über dessen Bücher unter anderem über Migration herumgestritten hatte. Es dauerte lange bis die Partei ihn schließlich rauswerfen durfte. Otte sagte dem "Spiegel": "Freiwillig werde ich aus der CDU nicht austreten." Er sehe die AfD klar auf dem Boden des Grundgesetzes. Deswegen "wäre ein CDU-Ausschlussverfahren gegen mich nicht nur nicht nachvollziehbar, sondern auch unvereinbar mit den demokratischen Grundsätzen."
Chancen auf das Amt des deutschen Bundespräsidenten hat er praktisch nicht. Amtsinhaber Frank-Walter Steinmeier kandidiert mit Unterstützung der Regierungsparteien SPD, Grüne und FDP und der Union für weitere fünf Jahre. Vor gut zwei Wochen hatte die Linke den Mainzer Sozialmediziner Gerhard Trabert als weiteren Kandidaten nominiert. Die Bundesversammlung tritt am 13. Februar zur Wahl des Bundespräsidenten zusammen.
Zusammenfassung
- Aufregung um die Wahl des deutschen Bundespräsidenten in knapp drei Wochen:Die rechtsextreme AfD angelte sich einen CDU-Mann als Kandidaten.
- Die CDU beschloss daraufhin ein Parteiausschlussverfahren gegen Max Otte.
- Der 57-Jährige lehnte einen Austritt ab. Sein Kölner Kreisverband kündigte an, ein Parteiausschlussverfahren einzuleiten.