Der Inflations-Sündenbock der Regierung - Eine Chronologie
Bereits seit 2022 liegt Österreichs Teuerungsrate deutlich über dem der Eurozone. Konnte man anfangs die Inflation noch mit dem extremen Anstieg der Energiepreise begründen, sucht die Regierung in den letzten Monaten immer wieder neu nach den Schuldigen. Man fand sie in der EZB, bei zu hohen Löhnen und aktuell im Tourismus.
Die Teuer-Macher-Ausreden der letzten Monate im PULS 24-Überblick:
Februar 2023: Lieferkettenproblematik und "Energiepreisschock"
Österreichs Inflation: 11 Prozent
Inflation in der Eurozone: 8,5 Prozent
Die hohe Inflationsrate im Februar bereitete rundum Sorge. Wirtschaftsminister Martin Kocher und Finanzminister Magnus Brunner sahen vor allem die "Lieferkettenproblematik" und der "Energiepreisschock" als Grund für die hohe Teuerung. Energiepreise, hohe Lohnabschlüsse und dass Österreich mit einem höheren Wachstum aus der Krise gekommen sei, würden eine große Rolle spielen, hieß es im März bei einem Pressegespräch.
Dass Österreichs Inflation über dem Eurozonen-Durchschnitt liege, sei aber eine "Momentaufnahme", versuchten Kocher und Brunner zu beruhigen. Man solle "einzelne Monate nicht überbewerten".
April 2023: Fraglich, ob EZB alles richtig gemacht hat
Österreichs Inflation: 9,7
Inflation in der Eurozone: 7 Prozent
Viel Kritik musste die Regierung Anfang des Jahres bereits für ihre inflationsbekämpfenden Maßnahmen einstecken: Sie bieten zu wenig Treffsicherheit, teilweise werde überfördert oder sie folgten einem Gießkannen-Prinzip.
Finanzminister Magnus Brunner räumte zwar ein, dass nicht alle Maßnahmen treffsicher genug gewesen seien, verteidigte sie aber: "Unser Job ist zu unterstützen, das haben wir massiv gemacht", sagte er im April im Klub der Wirtschaftspublizisten. Die Inflationsbekämpfung obliege zudem nicht nur dem Staat, sondern "im großen Stil" vor allem der Europäischen Zentralbank (EZB). Ob auf dieser Ebene alles richtig gemacht wurde, sei fraglich.
Mai 2023: Preiseingriffe helfen nicht gegen Inflation
Österreichs Inflation: 8,8 Prozent
Inflation in der Eurozone: 6,1 Prozent
Experten forderten Eingriffe in die stark steigenden Preise, vor allem Erdöl, Mieten und Lebensmittel waren die großen Themen. WIFO-Chef Gabriel Felbermayr nannte das Aus der Mietpreisbremse im März "bedauerlich". Er forderte im Mai erneut "an vielen Hebeln zu ziehen", um zur Eurozone aufzuschließen. Felbermayr und seine Kollegen forderten zu dem Zeitpunkt, auch über Mehrwertsteuersenkungen nachzudenken.
Für Finanzminister Magnus Brunner kam das nicht infrage. Er sah dahinter das Potenzial für einen Inflationsanstieg und nannte Kroatien als Negativbeispiel: Zuerst hatte das Land in die Lebensmittelpreise eingegriffen, dann sei die Inflation angestiegen. Das hatte Experten schnell entkräftet.
In Südosteuropa haben Preise von Nahrungsmitteln und Energie aber eine viel stärkere Auswirkung auf die gesamte Inflation, da deren Anteil am Warenkorb der Konsumenten ein viel höherer ist und sich dadurch stärker durchschlagen, erklärt Mario Holzner, Direktor des Wiener Instituts für Internationale Wirtschaftsvergleiche, im PULS 24 Gespräch.
Mai 2023: Energieversorger halten Preise hoch und machen Milliardengewinne
Für Bundeskanzler Karl Nehammer war es im Mai an der Zeit, die Seuche Inflation auch "nachhaltig zu bekämpfen" und wollte "Symptome an der Wurzel packen".
Für ihn und Vizekanzler Werner Kogler war es damals klar, dass Energiekonzerne von Kunden weiterhin hohe Preise verlangen, obwohl ihre eigenen Kosten bereits wieder gesunken waren. Auf dem Rücken der Menschen seien "Milliardengewinne" gemacht worden. Die Regierung kündigte damals an, Gewinnsteuern einzuführen, falls Energieversorger ihre Preise nicht senken würden.
Juli 2023: Die Theorie der Lohn-Preis-Spirale: "Hohe Preise heizen Inflation an."
Inflation Juli Österreich: 7 Prozent
Eurozone: 5,3 Prozent
Im Juli erklärte Finanzminister Magnus Brunner, die österreichische Inflation könne man auf drei Dinge zurückführen: Die Zusammensetzung des Warenkorbs – "der Dienstleistungsbereich und vor allem der Tourismus spielen eine große Rolle" -, die langfristigen Energielieferverträge und die hohen Lohnabschlüsse. Es sei logisch, dass höhere Löhne an die Preise weitergegeben werden würden. "Höhere Preise heizen die Inflation an", sagt er.
Experten widersprachen Brunner aber: Löhne können zwar zum Teil zur Inflation beitragen, um eine Lohn-Preis-Spirale würde es sich aber nicht handeln. Der IWF kam zum Beispiel zum Schluss, dass die Inflation der Eurozone zu 45 Prozent auf die Profite der Unternehmen während der Energiekrise zurückzuführen sind. Diese hatten Preise stärker erhöht, als eigentlich notwendig gewesen wäre.
Brunner: Debatte um "Lohn-Preis-Spirale" ist "akademisch"
August 2023: "Tourismus heizt die Inflation an" – Magnus Brunner
Im Juli 2023 erreichte die Inflation in Österreich zwar ein niedrigeres Niveau – lag aber trotzdem über dem Eurozonen-Schnitt. Das habe unterschiedliche Gründe, sagt Finanzminister Magnus Brunner, einen großen Anteil habe aber der Tourismus. Zwar wird die Inflation aktuell nicht mehr von Energiepreisen getrieben – diese sind im Vergleich zum Vorjahr wieder gesunken – sondern von Dienstleistungen. "Österreich ist ganz stark vom Tourismus getrieben und das heizt die Inflation weiter an", sagt Brunner im PULS 24-Interview.
Tatsächlich seien die Preise im österreichischen Tourismus besonders hoch, das hätten andere Länder in der Form nicht, sagt IHS-Direktor Holger Bonin im PULS 24-Interview. Aktuell würden aber auch die Energiepreise, vor allem bei Gas und Fernwärme, die Inflation auf einem hohen Niveau halten.
Ein anderes, besonders vom Tourismus geprägtes Land sorgt hingegen seit Monaten für positive Schlagzeilen: Spanien. Dieses gehört zu jenen Ländern mit den geringsten Inflationsraten. Dort hatte man schon zu Beginn des Jahres in die Lebensmittelpreise eingegriffen. Sechs Monate lang wurde der Mehrwertsteuergrundsatz auf Grundnahrungsmittel wie Brot, Käse, Milch, Obst und Gemüse entfallen. Auch der Steuersatz für Öl und Teigwaren wurde gesenkt.
Zusammenfassung
- Was laut der Regierung schuld an der Inflation ist, ein Überblick.