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Minister Brunner und der Schmäh von der Lohn-Preis-Spirale

Die hohen Lohnabschlüsse in Österreich würden die Inflation anheizen, so Finanzminister Magnus Brunner (ÖVP) in einem Interview. Dem widersprechen nicht nur Ökonomen und Wirtschafts-Thinktanks, sondern auch der Internationale Währungsfonds.

Die Bundesregierung musste sich bereits in den vergangenen Monaten viel Kritik an der teils ineffektiven Inflationsbekämpfung gefallen lassen. Finanzminister Magnus Brunner (ÖVP) will in einem Interview am Dienstag davon nichts wissen.

Er gibt die Schuld für die überdurchschnittlich hohe Inflation in Österreich den hohen Lohnabschlüssen. Man habe Berechnungen, "dass jeder Prozentpunkt an zusätzlicher Lohnsteigerung die Inflation um 0,3 Prozentpunkte anheizt", behauptete der Finanzminister im "ORF Report".

Ökonom: "Sicher keine Lohn-Preis-Spirale"

Dem widersprechen Ökonomen. "Wir befinden uns sicher nicht in einer Lohn-Preis-Spirale in dem Sinn, dass durch die Lohnerhöhungen die Preise schneller steigen", sagt etwa WIFO-Ökonom Benjamin Bittschi im Ö1 Mittagsjournal.

Hohe Löhne könnten zwar zum Teil zur Inflation beitragen, "wobei wir nicht genau wissen, wie hoch der Anteil ist, um den die Inflation wegen der Löhne steigt", sagt er. Die Ungewissheit käme daher, weil "zwischen den Löhnen und den Auswirkungen im Konsumentenpreisindex sehr viele Dinge dazwischenliegen, die das beeinflussen können, dass sich Lohnerhöhungen nicht in Preiserhöhungen widerspiegeln", so Bittschi. Das seien etwa die Produktivität oder die Gewinnmargen.

Agenda Austria: Lohnentwicklung läuft Inflation hinterher

Auch der wirtschaftsliberale Thinktank Agenda Austria sieht keine Lohn-Preis-Spirale in Österreich, wie in einer Publikation anlässlich der Herbstlohnrunde vom vergangenen Jahr zu lesen ist.

"In der Praxis löst nicht die Lohn-Preis-Spirale die Inflation aus; sie folgt ihr nur auf dem Fuß. Auch in Österreich waren es kaum je die Löhne, die in erster Instanz die Preise trieben", heißt es da. Die langfristige Betrachtung zeige, "dass die Lohnentwicklung der Inflation hinterherläuft".

Gierflation: Inflation kommt von Profiten

Zuletzt untersuchte auch der Internationale Währungsfonds (IWF) die Ursachen der Inflation in der Eurozone. Der IWF kommt zum Schluss, dass die Inflation in der Eurozone der vergangenen Jahre zu 45 Prozent auf die Profite der Unternehmen zurückzuführen sei. Die Unternehmen hätten ihre Preise deutlich stärker erhöht, als dies durch steigende Energiepreise notwendig gewesen wäre.

Auch in Österreich haben etwa Supermarktketten ihre Preise zum Teil auf ein Vielfaches wie in Deutschland erhöht und dies mit steigenden Energiepreisen gerechtfertigt. Freiwillige Preisbremsen, wie von Sozialminister Johannes Rauch und Vizekanzler Werner Kogler (beide Grüne) bei einem "Preisgipfel" erbaten, lehnten sie ab.

Die Regierung begnügte sich anschließend damit, die Preisentwicklung "genau zu beobachten". Auch bei den Mieten, wo Ökonomen wiederholt zu Preisbremsen rieten, blieben die Regierungsmaßnahmen wirkungslos. Die Einmalzahlungen in Form von Mietpreiszuschüssen wirkten nach Ansicht von Wirtschaftsforschern eher noch anheizend auf die Inflation. Besonders Finanzminister Brunner hatte Eingriffe in Preisgestaltung oder Einfrieren von Mieten stets kategorisch abgelehnt.

Brunner sieht "Missverständnis"

Weil er sich am Mittwoch für geringere Lohnabschlüsse aussprach, musste Brunner nicht nur Kritik von SPÖ, FPÖ und Gewerkschaften einstecken. Auch Sigrid Maurer vom Grünen Koalitionspartner sagte: Die Verhandlungen seien Aufgabe der Sozialpartner und die Politik sei gut beraten, "nichts auszurichten".

Der Finanzminister sprach in einer Reaktion von einem "Missverständnis", blieb aber dennoch bei seiner Position: Faktum sei, dass höhere Löhne positiv für das reale Haushaltseinkommen sind, sie seien jedoch auch einer der vielen Gründe für eine steigende Inflation.

WIFO-Chef Gabriel Felbermayr ist dazu um 19:55 Uhr zu Gast im Newsroom LIVE

ribbon Zusammenfassung
  • Die hohen Lohnabschlüsse in Österreich würden die Inflation anheizen, so Finanzminister Magnus Brunner (ÖVP) in einem Interview.
  • Dem widersprechen nicht nur Ökonomen und Wirtschafts-Thinktanks, sondern auch der Internationale Währungsfonds.
  • "Wir befinden uns sicher nicht in einer Lohn-Preis-Spirale", sagt etwa WIFO-Ökonom Benjamin Bittschi im Ö1 Mittagsjournal.
  • Auch der wirtschaftsliberale Thinktank Agenda Austria sah bereits im vergangenen Jahr keine Lohn-Preis-Spirale. Die langfristige Betrachtung zeige, "dass die Lohnentwicklung der Inflation hinterherläuft".
  • Zuletzt kam auch der Internationale Währungsfonds (IWF) zum Schluss, dass die Inflation in der Eurozone der vergangenen Jahre zu 45 Prozent auf die Profite der Unternehmen zurückzuführen seien.