Niedrigere Inflation: Was läuft in Spanien, Schweiz und Co. anders?
Die Teuerung in der Schweiz ist im Juni erneut klar zurückgegangen. Sie liegt nun erstmals seit Jänner 2022 unter der 2-Prozent-Marke. Konkret sank die Jahresinflation im Juni 2023 auf 1,7 Prozent, wie das Bundesamt für Statistik (BFS) am Montag mitteilte. Im Mai hatte sie noch 2,2 Prozent betragen. Auch in Spanien lag die Inflation im Juni bei 1,6 Prozent.
Bereits im Mai lagen beide Länder in den Top 5 der Länder mit der niedrigsten Inflationsrate in Europa:
- Dänemark (2,9 Prozent)
- Spanien (2,9 Prozent)
- Belgien (2,7 Prozent)
- Schweiz (2,2 Prozent)
- Luxemburg (2 Prozent)
Österreichs Inflation sank auch, lag im Juni jedoch immer noch bei 8,0 Prozent. Mit welchen Maßnahmen schafften es die anderen Länder die Inflation auszubremsen? Was machen die anderen Länder, was Österreich nicht macht?
Spanien: Niedrigere Preise für Benzin, Strom, Lebensmittel
Als Grund für die abschwächende Inflation in Spanien nannte das Statistikamt INE den Rückgang der Preise für Benzin, Diesel, Strom und Lebensmittel. Gerade der Strom, der in Spanien zu mehr als 50 Prozent aus erneuerbaren Quellen bezogen wird, habe sich stark verbilligt.
Am 1. Jänner 2023 trat hier ein Entlastungspaket der spanischen Regierung in Kraft: Sechs Monate lang ist der Mehrwertsteuergrundsatz auf Grundnahrungsmittel wie Brot, Käse, Milch, Obst und Gemüse entfallen. Auch der Steuersatz für Öl und Teigwaren wurde gesenkt.
Außerdem wurden in Spanien die Pensionen auf 8,5 Prozent und besonders niedrige Renten um 15 Prozent angehoben, die Mietpreise durften bis Ende 2022 nur um maximal zwei Prozent angehoben werden. Im Mai 2022 führten Spanien und Portugal außerdem als erste europäische Länder die Gaspreisbremse ein. Diese legte fest, dass Gas pro Megawattstunde maximal 50 Euro kosten darf. Preise für öffentliche Verkehrsmittel wurden stark gesenkt, das Grundeinkommen für die ärmsten Bürger:innen um 15 Prozent angehoben.
Der starke Schweizer Franken
Die niedrige Teuerungsrate in der Schweiz ist hingegen auf den starken Schweizer Franken zurückzuführen, wie aus einer Analyse der Kreditversicherer Acredia und Allianz Trade hervorgeht. Im Gegensatz zu anderen Währungen hat der Schweizer Franken an Wert gewonnen. Hier sind die Lebensmittelpreise weniger stark vom Weltmarkt abhängig, der starke Schweizer Franken dämpft außerdem die Importpreise für Haushalte und Unternehmen.
Im Allgemeinen exportiert die Schweiz mehr Waren und Dienstleistungen als sie importiert. Da sie kein Mitglied der EU ist, kann die Schweiz hohe Zölle festlegen. Dadurch sind die Preise zwar im Allgemeinen höher, das Preisniveau wird jedoch stabilisiert.
Außerdem kann sich die Schweiz durch Atom- und Wasserkraft fast komplett selbstständig mit Strom versorgen. Hier haben sich die Produktionskosten kaum erhöht. Im Allgemeinen hat die Schweiz keinen liberalisierten Strommarkt: Den Anbietern wird vorgegeben, wie stark die Preise steigen dürfen. Die eidgenössische Elektrizitätskommission überwacht die Anbieter, und kann bei Bedarf selbst durchgreifen und Anbieter zu Preissenkungen verpflichten.
Aufgrund der höheren Einkommen gibt es auch ein anderes Konsumverhalten. Obwohl die Schweizer im Vergleich mehr für die Mietkosten ausgeben, jedoch gibt es hier einen Mietpreisdeckel. Die Mietpreise dürfen nur steigen, wenn die Hypothekenzinsen deutlich anziehen. Ein Teil der Teuerung darf hier zwar draufgeschlagen werden, dieser darf allerdings nur 40 Prozent der Inflationsrate betragen.
Fokus auf Energie-Entlastungen
In Luxemburg wurden die Mehrwertsteuergrundsätze für das Jahr 2023 um ein Prozent gesenkt.
Ein Gaspreisdeckel begrenzt den Preisanstieg für Haushalte bis Ende 2023 auf 15 Prozent. Eine Deckelung der Strompreise soll dafür sorgen, dass dieser auf dem Niveau von 2022 bleibt. Selbstständigen, Arbeitnehmern und Pensionisten wurde außerdem von August 2022 bis März 2023 eine Energie-Steuergutschrift (CIE) gewährt - diese war vom Einkommen abhängig.
Besonders stark von der Energiekrise betroffene Unternehmen und Haushalte, die mit Holzpellets heizen, erhielten staatliche Förderungen. Heizöl soll bis Dezember 2023 mit 15 Cent pro Liter subventioniert werden.
Österreich: Hohe Energiepreise als Ursache
Auch die Inflation im Euroraum hat dank sinkender Energiepreise deutlich nachgelassen und liegt unter jener in Österreich. Die Verbraucherpreise stiegen im Juni binnen Jahresfrist um 5,5 Prozent, wie das Statistikamt Eurostat in einer ersten Schätzung mitteilte. Im Mai war die Teuerung noch bei 6,1 Prozent gelegen, nach 7,0 Prozent im April.
In Österreich liefern vor allem die Energiepreise weiterhin einen hohen Beitrag zur Teuerung, im Euroraum schlagen hier sinkende Preise bereits stärker durch, so Wifo-Ökonom Josef Baumgartner gegenüber der APA. "Die Kerninflation steigt in Österreich noch, im Euroraum schon nicht mehr".
Auch die Dienstleistungspreise liegen hierzulande deutlich höher als im Euroraum. Im Dienstleistungsbereich machen die Löhne einen großen Teil der Kosten aus, die Lohnentwicklung habe hier heuer im ersten Quartal deshalb zu höheren Preisen geführt. Zuletzt hatte es in Österreich deshalb Diskussionen darüber gegeben, ob die hohe Inflation generell eine Folge der Lohnabschlüsse von rund plus zehn Prozent ist. Basis für die Kollektivvertragsverhandlungen ist aber traditionell die Inflationsrate der zurückliegenden zwölf Monate.
Ökonom sieht keine Lohn-Preis-Spirale
Wifo-Chef Gabriel Felbermayr sieht in Österreich aus wissenschaftlicher Sicht keine erwartungsbasierte Lohn-Preis-Spirale. "Wir haben sie nicht im Jahr 2022, heuer und wir haben sie auch im nächsten Jahr nicht", sagte Felbermayr bei der Präsentation der Wifo/IHS-Prognose.
Was Finanzminister Magnus Brunner (ÖVP), der die Diskussion ausgelöst hatte, wahrscheinlich meine und wo er richtig liege, sei die Tatsache, dass die gestiegenen Kosten für die Unternehmen teilweise in höhere Preise umgewälzt werden, wenn die Löhne nach den Lohnverhandlungen im Herbst steigen, so Felbermayr.
Preissenkungen werden gefordert
Während Finanzminister Brunner "den Trend" der sinkenden Teuerung in Österreich als "erfreulich" bezeichnete, sieht die Opposition keinen Grund zur Freude. Österreich habe nach wie vor eine der höchsten Inflationsraten in der Eurozone, kritisierten FPÖ und SPÖ. Beide Parteien machten die ÖVP-Grünen-Regierung für die Teuerung verantwortlich und forderten Preissenkungen. Auch die Arbeiterkammer (AK) fordert eine Mietpreisbremse, eine Wärmekostenbremse, sowie ein "Preisgesetz mit Biss".
Zusammenfassung
- In der Schweiz ist die Inflation auf 1,7 Prozent, in Spanien auf 1,6 Prozent gesunken.
- In Österreich liegt sie immer noch bei 8,0 Prozent.
- Während sich Finanzminister Brunner darüber erfreut zeigt, fordert die Opposition Preissenkungen.
- Eine Maßnahme, die auch in den Ländern mit der niedrigsten Inflationsrate in Europa eingeführt wurde.