APA/GEORG HOCHMUTH

Voodoo Jürgens will statt Beisln "neue Räume aufmachen"

Leichte Damen in "Stöckelschuach", die ihre Freier bezirzen, ein desillusionierter "Zuckerbäcker"-Lehrling oder das "Federkleid" eines schwarzen Vogels: Mit diesen Stücken meldet sich Voodoo Jürgens zurück. Der Singer-Songwriter mit reichlich Strizzi-Charme entführt auf dem Album "Wie die Nocht noch jung wor" in seine typische Welt, ohne aber Veränderung zu scheuen. "Die Überlegung war schon, nicht noch eine Platte zu machen, die das Beisl so bedient."

Stattdessen sei der Versuch im Vordergrund gestanden, "neue Räume aufzumachen", erklärte der Musiker im APA-Interview. Wobei das Schreiben der Songs quasi ein ständiger Begleiter ist. "Das passiert oft nebenbei und rennt immer mit. Aber natürlich ändert es sich noch mal, wenn wir dann das Album angehen. Da werden die Sensoren angeworfen", lachte David Öllerer, wie der Künstler eigentlich heißt. Im Fall seiner dritten Platte habe alles "richtig Fahrt aufgenommen, als wir gespürt haben, dass die Krise nicht ewig dauert. Dann haben wir mit den Aufnahmen begonnen."

Wir, das ist neben Voodoo Jürgens natürlich seine Band Ansa Panier. Gemeinsam hat man mittlerweile einen musikalischen Kosmos gezimmert, der sich beim Wiener Lied ebenso bedient wie bei Balkan-Folklore und Austropop älterer Bauart. Der gern verhatschte Ausdruck eint die verschiedenen Einflüsse und bringt sie unter ein Dach. Hilfreich waren sicherlich auch die unzähligen Konzerte, die die Gruppe in den vergangenen Jahren im ganzen Land gespielt hat. So kann man dann im Studio letztlich "die eigenen Eitelkeiten zurückstecken, weil wir das wirklich als Band machen", verriet Jürgens.

Was textlich Eingang in einen Song findet, sei wiederum höchst unterschiedlich. "Es gibt Themen, mit denen ich schon lange herumspiele, die aber einfach ihre Zeit brauchen. Die drei Jahre, die seit dem Vorgänger vergangen sind, scheinen auch der Rhythmus zu sein, den es für eine neue Voodoo-Platte braucht", schmunzelte der Musiker. Natürlich gibt es auch persönliche Dinge, die in "Wie die Nocht noch jung wor" stecken. "Meistens geht es ja von etwas aus, das ich kenne oder mir jemand erzählt hat. Eine David-Geschichte wird dann zu einer Voodoo-Geschichte, indem ich diese kleine Welt aufmache und verschiedenste Wahrheiten zu einem Lied vermische."

Auch beispielsweise "Zuckerbäcker" sei nicht so passiert. "Ich habe zwar eine Konditorlehre begonnen", erzählte der Sänger, "aber das ist dann das Spiel: Was wäre passiert, wenn ich die Ratschläge der anderen befolgt hätte? Dann wäre wohl alles anders geworden und ich wäre zum Bundesheer, nicht zum Zivildienst gegangen", lachte er. Mit Ratschlägen sei es ohnehin so eine Sache. Manchmal lasse man sich einen Floh ins Ohr setzen, obwohl man es im Nachhinein gern anders gemacht hätte. "Mir ist es mehr recht, wenn ich einfahre mit dem, wie ich es mir gedacht habe, als mit einer Entscheidung von jemand anderem. Was aber nicht heißt, dass ich keine Ratschläge annehme. Man tauscht sich ja aus."

Inhaltlich begegnet man den Themen Zeit und Vergänglichkeit immer wieder in diesen zwölf Stücken. "Wenn man es nachher noch mal analysiert, hat man schon einen anderen Blick und kann es anders sehen. Es kommt natürlich darauf an, in welcher Zeit etwas entsteht", überlegte Jürgens. "In dem Fall war es eben eine Zeit, in der Vergänglichkeit einfach präsenter war als davor." Den Albumtitel findet man sowohl im knackigen "Twist" als auch dem elegischen "Federkleid". "Wenn es schon zweimal auftaucht, was nicht beabsichtigt war, dann hat es mich anscheinend beschäftigt."

Eine Besonderheit stellt die Abschlussnummer "Odessa" dar, ein Trauermarsch, der ohne Text auskommt. Für die Saxofonpassagen zeichnet der ukrainische Musiker Andrej Prozorov verantwortlich. "Damals hat gerade der Ukraine-Krieg begonnen und er hat uns erzählt, was bei seiner Familie los ist. Als er dann das Saxofon eingespielt hat, war das gefühlt so traurig wie seine Geschichte vorher." Also habe man sich als Titel für die Heimatstadt Prozorovs entschieden. "Da braucht es gar keinen Text, die Nummer sagt genug."

In den vergangenen Wochen stand Voodoo Jürgens, der sein neues Album ab dem morgigen Freitag auch auf Tour präsentiert, für seine erste Kinohauptrolle vor der Kamera. Basierend auf seiner ersten Platte "Ansa Woar", hat er gemeinsam mit Regisseur Adrian Goiginger "Rickerl" konzipiert, in dem er den titelgebenden Musiker spielt, der eine Beziehung zu seinem kleinen Sohn aufbauen will. "Das Setting ist wie bei meinem Debüt: Ich schlurfe von Beisl zu Beisl und spiele meine Konzerte. Ganz einfach so, wie der Anfang von mir war." Er habe es letztlich "maximal ausgekostet", so lange in einer Rolle sein zu können wie bei diesem Projekt, das voraussichtlich 2023 im Kino zu sehen sein wird. Es gab also genug zu tun für den Künstler. Andererseits weiß Voodoo Jürgens: "Es braucht auch den Müßiggang, um auf Ideen zu kommen."

(Das Gespräch führte Christoph Griessner/APA)

(S E R V I C E - Voodoo Jürgens ab 2. Dezember auf Tour, Termine unter https://voodoojuergens.com)

ribbon Zusammenfassung
  • Leichte Damen in "Stöckelschuach", die ihre Freier bezirzen, ein desillusionierter "Zuckerbäcker"-Lehrling oder das "Federkleid" eines schwarzen Vogels: Mit diesen Stücken meldet sich Voodoo Jürgens zurück.
  • "Die Überlegung war schon, nicht noch eine Platte zu machen, die das Beisl so bedient."
  • Stattdessen sei der Versuch im Vordergrund gestanden, "neue Räume aufzumachen", erklärte der Musiker im APA-Interview.