APA/APA/Wiener Festwochen/Nurith Wagner Strauß

"The Confessions": Ein ganzes Frauenleben in drei Stunden

Wie packt man ein ganzes Menschenleben in einen dreistündigen Theaterabend? Mit "The Confessions" versucht der britische Shootingstar Alexander Zeldin genau das. Basierend auf der Vita seiner Mutter erzählt er die Geschichte einer Frau, die früh mit persönlichen Wunden und gesellschaftlichen Zwängen kämpfen muss und schließlich einen Neuanfang wagt. Die gelungene Würdigung eines Lebens, die am Mittwochabend bei den Wiener Festwochen im Volkstheater Weltpremiere feierte.

Zeldin ist gewissermaßen ein Besessener. "Ich habe mein bisheriges Leben dem Theater gewidmet", sagte der 38-Jährige am Rande der letzten Proben kürzlich im APA-Interview. Tatsächlich schreibt der jüdische Sohn einer australischen Mutter und eines russischen Vaters seit seiner Teenagerzeit Stücke und inszeniert diese stets selbst. Echte Schicksale authentisch auf die Bühne zu bringen ist sein Antrieb. Der internationale Durchbruch gelang ihm mit der Trilogie "The Inqualities", deren letzten beide Teile "LOVE" und "Faith, Hope and Charity" auch bei den Festwochen 2021 zu sehen waren. Delogierte, sozial abgehängte, von Politik und Gesellschaft vergessene Menschen stehen dabei im Mittelpunkt.

Mit "The Confessions" (deutsch: Die Bekenntnisse) wagt Zeldin sich nun auf sehr persönliches Terrain vor. Basierend auf stundenlangen Interviews mit seiner Mutter - Alice heißt sie im Stück - habe er ein Biopic auf die Bühne bringen wollen, das man so eigentlich bisher nur aus Filmen kenne, meinte der Autor und Regisseur im Interview. Dramaturgisch arbeitet Zeldin mit Rückblicken, wobei sich die Liebesbeziehungen der Hauptfigur als eine Art roter Faden herauskristallisieren.

Am Beginn steht der Schulabschlussball in der australischen Provinz Ende der 50er-Jahre. Alice und ihre Freundinnen blödeln herum. Das quirlige Mädchen ist wissbegierig, sie will Künstlerin oder Ärztin werden - jedenfalls raus aus der Einschicht. Szene für Szene folgt man Alice nun chronologisch durch die Jahre, wobei Zeldin diese biografischen Schlaglichter nicht als zugespitzte, dramatische Turning Points, sondern als ruhige Tableaus ausbreitet, die sich viel, aber nicht zu viel Zeit lassen. Aus alltäglichen Gesprächen, nebensächlichen Gesten, feinen Pointen und kleinen Verletzungen entsteht hier das Porträt einer Frau, das pars pro toto auch für das Verhältnis zwischen Frau und Mann in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts und von Emanzipation und Selbstfindung erzählt.

Es sind die Liebesbeziehungen von Alice, die der Story den roten Faden geben. Das Scheitern an der Uni zwingt Alice aus finanziellen Gründen zurück in ihr Elternhaus. Sie wird Lehrerin, ihre Mutter drängt sie in eine unglückliche Ehe mit einem Marineoffizier, der sich von seiner Frau lieber einen Drink mixen lässt als sich mit ihr über Kunst zu unterhalten. Nachdem ein Streit in Gewalt zu eskalieren droht, schafft sie den Absprung und geht nach Melbourne, um doch noch zu studieren. Aber auch in der Künstler-WG, in die die sexuelle Revolution der 70er langsam Einzug hält, wimmelt es von Männern, die Feminismus für einen schlechten Witz halten und es nicht ertragen, wenn Frauen ihnen berufliche Konkurrenz machen. Alice bezahlt ihr Ansinnen, über den Maler Antoine Watteau und sein Bild "Gilles" ein Buch schreiben zu wollen und damit in das Spezialgebiet des Kunsthistorikers Terry einzudringen, mit einer Vergewaltigung.

Sie versucht noch einmal einen Neubeginn, geht nach London, wird Sozialarbeiterin, heiratet einen liebenswürdigen Mann, den sie später an eine tödliche Krankheit verlieren wird, und verbringt glückliche Jahre mit ihren zwei Kindern. Zum Schluss betritt die alte Alice die Bühne. Sie hat mit einer Mischung aus Staunen und Interesse das bisherige Geschehen aus dem Zuschauerraum ihr eigenes Leben betrachtet, tritt nun, wie der weiße Clown in Watteaus "Gilles"-Gemälde, aus dem Rahmen und beginnt, einem ihrer Söhne in der früheren Aula ihrer Schule ihr Leben zu erzählen. Der Kreis schließt sich, das Licht geht aus.

Er wolle die Welt, das echte Leben auf die Bühne holen und mit den Mitteln des Theaters zeigen, was ein Leben ausmacht, betont Alexander Zeldin immer wieder. Mit "The Confessions", dieser großen Würdigung eines kleinen Lebens ist er - nicht zuletzt dank des wunderbaren neunköpfigen Ensembles, dass der Autor und Regisseur mit nach Wien gebracht hat - seinem Ziel sehr nahe gekommen.

(S E R V I C E - "The Confessions" von Alexander Zeldin bei den Wiener Festwochen. Regie: Alexander Zeldin, Bühne und Kostüme: Marg Horwell, Choreografie: Imogen Knight. Mit Joe Bannister, Amelda Brown, Jerry Killick, Lilit Lesser, Brian Lipson, Eryn Jean Norvill, Pamela Rabe, Gabrielle Scawthorn, Yasser Zadeh. Mit Musik von Yannis Philippakis. Englisch mit deutschen Übertiteln. Weitere Aufführungen: 15., 16. und 17. Juni, jeweils 19.30 Uhr im Volkstheater. www.festwochen.at/the-confessions)

ribbon Zusammenfassung
  • Mit "The Confessions" versucht der britische Shootingstar Alexander Zeldin genau das.
  • Basierend auf der Vita seiner Mutter erzählt er die Geschichte einer Frau, die früh mit persönlichen Wunden und gesellschaftlichen Zwängen kämpfen muss und schließlich einen Neuanfang wagt.
  • Die gelungene Würdigung eines Lebens, die am Mittwochabend bei den Wiener Festwochen im Volkstheater Weltpremiere feierte.
  • Der Kreis schließt sich, das Licht geht aus.