SPÖ versammelt Kunstschaffende zum Protest
In der virulenten Diskussion um die Lage der Kunst- und Kulturszene in Zeiten der Corona-Beschränkungen hat am Donnerstag die SPÖ eine Runde prominenter Kulturschaffender versammelt. Parteivorsitzende Pamela Rendi-Wagner forderte ein langfristiges Rettungsprogramm für die Branche, das auch entsprechend dotiert sein müsse: "Eine Milliarde Euro für die nächsten drei bis vier Jahre ist das Minimum."
Ausgestaltet werden soll dieses Programm von einer Expertenkommission, die sich aus Kunstschaffenden, der Politik und dem Gesundheitswesen zusammensetzt. Bisherige Hilfen seien "zu wenig, zu klein und in vielen Fällen hochbürokratisch".
"Ein einziger Bereich in Österreich verharrt weiter im verordneten Stillstand - ohne Perspektive und offensichtlich ohne Plan vonseiten der Bundesregierung", attackierte Rendi-Wagner die türkis-grüne Regierung: "Es ist die Kulturlandschaft Österreich als solches in Gefahr."
In die gleiche Kerbe schlug auch Filmemacher Markus Schleinzer, der beklagte, dass die Politik zu seinem Unverständnis die vergangenen Wochen nicht genutzt habe, entsprechende Modelle zu entwickeln: "Was ich orte, ist ein enormer Zeitverlust, der hier stattgefunden hat." Man versäume vollends, in Länder wie Luxemburg, Deutschland oder die Schweiz zu blicken, die sinnvolle Modelle entwickelt hätten.
So beginne in einer Woche ein Filmteam im Auftrag des ZDF in der Steiermark zu drehen. "Das ist ein Schlag ins Gesicht der österreichischen Filmbranche", konstatierte Schleinzer. Ein österreichischer Filmproduzent werde hingegen den Teufel tun, mit einem Dreh zu beginnen, solange Rahmenbedingungen wie die Ausfallshaftung oder in punkto Kurzarbeit nicht geklärt seien.
Da könne man nicht nur Staatssekretärin Ulrike Lunacek (Grüne) kritisieren, zumal er nicht in den Chor der Rücktrittsaufforderungen einstimmen wolle: "Das wäre ein Alptraum - dann müsste man alles, was in den vergangenen Wochen gesagt wurde, in ein neues Gesicht hineinsagen." Schon alleine angesichts der Wertschöpfung der österreichischen Filmbranche von 1,4 Mrd. Euro gelte: "Es ist auch Kanzleraufgabe."
Schriftstellerin Julya Rabinowich beklagte für die Literaten, dass man seit Beginn der Krise im Regen stehen gelassen werde und sich mit dem Gefühl auseinandersetzen müsse, als unwichtig abgestempelt zu werden. Das habe auch System und sei der Versuch einer Zähmung der Widerspenstigen.
Die bisher angekündigten Hilfen griffen nicht, unterstrich Regisseur Nikolaus Habjan: "Ich kenne niemanden - wirklich niemanden -, der Geld aus dem Härtefallfonds bekommen hätte." Stattdessen höre er Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) sagen, dass alle Menschen Kunst und Kultur konsumierten. "Da frage ich mich: Sind wir ein Packerl Mannerschnitten oder ein fettes Schnitzel?"
Schauspielerin Gerti Drassl beklagte für ihren Berufszweig: "Wir fallen durch viele Raster durch." Dabei gelte letztlich nur eines: "Wir wollen keine Almosen. Ich will arbeiten."
"Ich habe hier keine parteipolitische Agenda - ich habe eine sachliche Agenda", resümierte SPÖ-Kultursprecher Thomas Drozda: "Ich erwarte mir, dass es eine Gleichbehandlung für alle Bereiche gibt." Er sehe hier nicht zuletzt Kulturminister Werner Kogler (Grüne) in der Pflicht und wolle ebenfalls nicht Lunacek in die Schusslinie bringen: "Ich bin so erzogen worden, dass ich nicht auf Menschen hinhaue, die am Boden liegen."
Das sieht offenbar Lunaceks Parteikollege Anschober ähnlich. "Nicht nur sie ist zuständig für den Bereich Kultur und dessen Öffnungsstrategie, sondern wir sind genauso zuständig, es ist auch unsere Verantwortung", sagte der Gesundheitsminister am Donnerstag. Er betonte außerdem, dass an weiteren Schritten gemeinsam gearbeitet werde.
Dass es "aus bestimmten Bereichen Ungeduld gibt", verstehe er, "die wird auch noch dauern". Allerdings verwies er auf die ersten Öffnungsschritte im Kulturbereich, die ab Freitag gelten. Weitere "müssen und werden folgen". "Wie zeitnah und in welcher Größenordnung" werde derzeit ausgearbeitet.
Wiens Künstleragenturen fordern unterdessen ein eigenes Kulturhilfspaket sowie einen konkreten Plan zur Wiedereröffnung. "Die derzeitigen Hilfspakete sind nicht auf die Kulturszene zugeschnitten, und damit fehlt es an Treffsicherheit", kritisierte Peter Hosek, Berufsgruppensprecher in der Wiener Wirtschaftskammer.
Auf Gutscheine zur Unterstützung der strauchelnden Kulturszene setzt indes die neue Onlineplattform "Bühnenliebe.at": Die Initiative bietet Kunst- und Kultureinrichtungen an, sich kostenlos zu registrieren, womit Nutzer für dort künftig stattfindende Programme und Events Gutscheine kaufen können. Bereits 40 heimische Kulturbetriebe haben sich dafür registriert.
Zusammenfassung
- In der virulenten Diskussion um die Lage der Kunst- und Kulturszene in Zeiten der Corona-Beschränkungen hat am Donnerstag die SPÖ eine Runde prominenter Kulturschaffender versammelt.
- Parteivorsitzende Pamela Rendi-Wagner forderte ein langfristiges Rettungsprogramm für die Branche, das auch entsprechend dotiert sein müsse: "Eine Milliarde Euro für die nächsten drei bis vier Jahre ist das Minimum."
- Weitere "müssen und werden folgen".