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Peter Turrini: Zwei neue Stücke aus dem "Dichter-Alcatraz"

Der Dramatiker Peter Turrini (78) schreibt trotz seiner Parkinson-Erkrankung unermüdlich weiter. Demnächst kommen gleich zwei neue Stücke von ihm: "Es muss geschieden sein" spielt 1848, wird am 13. Juli bei den Raimundspielen Gutenstein uraufgeführt und später an das Theater in der Josefstadt übernommen. Dort kommt im Herbst auch "Bis nächsten Freitag" heraus. Ein akut notwendiger Spitalsaufenthalt raubte ihm zuletzt einiges der wiedergefundenen Kraft, nicht aber die Sprache.

APA: Herr Turrini, das Wichtigste zuerst: Wie geht es Ihnen derzeit?

Peter Turrini: Mir geht es sehr gut. Ich bekomme viel Liebe und Zuwendung von ein paar Menschen, die mir sehr nahestehen. Ansonsten konstatiere ich meinen zunehmenden Verfall, versuche darüber Witze zu reißen und arbeite mehr denn je.

APA: Wie haben Sie trotz Ihrer Krankheit wieder so viel schöpferische Kraft gefunden, dass Sie in jüngster Zeit gleich zwei Stücke fertiggestellt haben?

Turrini: Die Antwort ist sehr einfach, wenn ich schreibe, spüre ich keine Schmerzen oder kann sie meinen Figuren umhängen. Außerdem verlasse ich mein selbst gewähltes Schreibgefängnis nur um ein paar Runden im Innenhof zu drehen. Eine Art Dichter-Alcatraz.

APA: Vor einem Jahr wurden Sie u.a. für "lebenslange Wachsamkeit und Mut zur Unbequemlichkeit" mit der Ehrenbürgerwürde in Maria Saal gewürdigt, Ende Juni erhalten Sie den Axel-Corti-Preis für Ihr "gesellschaftspolitisches Engagement" sowie Ihren "stets kritischen Blick auf unser Land". Das klingt danach, als würden in Österreich kritische Geister gerade besonders geschätzt. Stimmt das?

Turrini: Für die von Ihnen zitierte Haltung bin ich in den 70er- und 80er-Jahren heftig gewürgt worden. Von der Würgung zur Würdigung, das ist ein sehr österreichischer Weg. Ich freu mich darüber, aber man weiß ja nie. Hier wird ja eine Koalition mit den Rechtsradikalen vorbereitet, da kann die Hand, die Dir auf die Schulter klopft, schnell wieder zum Hals zurückkehren.

APA: In Niederösterreich ist die FPÖ wieder in Regierungsverantwortung gekommen, in Salzburg dürfte sie auch bald dort sein und KPÖ+ hat in Salzburg einen sensationellen Wahlsieg eingefahren. Gehen wir einer weiteren politischen Radikalisierung entgegen?

Turrini: Wieso tragen diese jungen Leute von der KPÖ+ zur politischen Radikalisierung bei? Die helfen Leuten, die sich das Wohnen nicht mehr leisten können, notfalls mit ihrem eigenen Geld. Sie haben sich von Putins Russland scharf abgegrenzt, was man von der FPÖ und einigen Wirtschaftsleuten nicht behaupten kann. Das sind die wirklich Radikalen.

APA: In einem Ihrer neuen Stücke, "Es muß geschieden sein", werden die politischen Gegensätze mit Waffengewalt ausgetragen. Die blutige Revolution von 1848 ist ein Kapitel der österreichischen Geschichte, das heute nicht sehr bekannt und vielen wenig bewusst ist. Wie kamen Sie auf diesen Stoff?

Turrini: Durch die Pandemie. Ich wollte literarisch erkunden, was passiert, wenn Katastrophen, Pandemien, Kriege, Revolutionen in die Theaterarbeit einbrechen. Wenn die Kunst von der Wirklichkeit eingeholt wird. Ich hoffe, dass sich trotz des ernsten Themas mein Credo, dass jeder Tragödie auch eine Komödie innewohnt, aufrecht erhalten lässt.

APA: Sie verbinden die politischen Ereignisse mit einer Theaterprobe von Raimunds "Der Bauer als Millionär" und reflektieren so das eine im anderen. Damit führen Sie eines Ihrer Lebensthemen weiter. In den vergangenen Jahren musste man eher die Marginalisierung von Kunst und Bühnenkunst befürchten. Glauben Sie unentwegt an die Kraft des Theaters - oder ist es eine Art Zweckoptimismus, der Sie treibt?

Turrini: Reiner Zweckoptimismus. In meinem Kopf rumoren ständig Rede und Gegenrede. Ich bewundere prosaschreibende Kollegen und Kolleginnen, Gedichte kann ich nur verfassen, wenn ich zutiefst unglücklich bin. Wer will das schon? Ich bin ein geborener Theatraliker und dazu habe ich keine Alternative.

APA: Wie steht es heute mit den Freiheiten, um die 1848 gekämpft wurde - etwa mit der "Pressfreiheit"?

Turrini: Damals befand sich die Presse unter der Knute der Metternich'schen Zensur, heute in der Abhängigkeit von Herausgebern und Herausgeberinnen und deren Inserenten. Natürlich gibt es Ausnahmen. Irgendetwas Positives muss sich ja seit 1848 getan haben.

APA: "Es muß geschieden sein" ist eine Koproduktion der Raimundspiele Gutenstein mit dem Theater in der Josefstadt. Dort wird ihr zweites neues Stück uraufgeführt, "Bis nächsten Freitag". Auch dieses scheint eine Spur weiterzuverfolgen, die sich durch Ihr Werk zieht: Zwei Personen öffnen sich in mehreren Dialog-Etappen einander, zwei alte Schulfreunde, die politisch völlig gegensätzliche Ansichten haben. Zum Vorschein kommen jene kleinen Tragödien, die unser Leben bestimmen. Die Erfahrung Ihres Lebens scheint Ihre allgemeine Menschenliebe nicht geschmälert zu haben?

Turrini: Menschenliebe ist mir ein zu hehres Wort. Ich bin von unbändiger Menschenneugier getrieben. Mit 15 Jahren habe ich mein erstes Stück geschrieben, bis heute sind es über fünfzig. Es ist eine Art von nimmermüder Archäologie, die mich antreibt. Immer wieder stoße ich auf neue Gesteinsschichten und habe das Gefühl, ich weiß noch viel zu wenig über die Menschen.

APA: Eine besondere Liebe haben Sie zum Theater in der Josefstadt entwickelt. Ist absehbar, wohin die sich wenden könnte, wenn Herbert Föttinger dort nicht mehr Direktor sein wird?

Turrini: Ich werde auch weiterhin für den Föttinger schreiben. Wir haben einen Vertrag geschlossen: Sollte ich zwischendurch abnippeln, so ist dies kein Hinderungsgrund für die Ablieferung weiterer Stücke. Sie sehen, meine Zukunft ist gesichert.

APA: Wir leben in einer Welt voller Krisen, Konflikte und Kriege. Die "fetten Jahre" sind wohl endgültig vorbei. Ist das gut oder schlecht für das Theater?

Turrini: Ich weiß nicht, was für das Theater gut oder schlecht ist. Für mich ist das Theater auch ein Ort, das Schweigen zu durchbrechen, das mich in meiner Kindheit umgeben hat. Wenn der Gesprächspartner, das Publikum, wegbleiben würde, das wäre wohl das Schlechteste für mich und das Theater.

(Die Fragen stellte Wolfgang Huber-Lang/APA)

(S E R V I C E - Peter Turrini: "Es muss geschieden sein", Regie: Stephanie Mohr, Bühnenbild und Kostüme: Miriam Busch, Musik: Wolfgang Schlögl. Mit Johannes Krisch, Alexander Strobele, Susanna Wiegand, Thomas Frank, Johanna Mahaffy, Alexander Strömer, Eduard Wildner und Julian Valerio Rehrl. Raimundspiele Gutenstein in Kooperation mit dem Theater in der Josefstadt, Uraufführung am 13.7., 19.30 Uhr. Weitere Aufführungen bis 6.8., Infos: 0676/840 023 200, www.raimundspiele.at)

ribbon Zusammenfassung
  • Der Dramatiker Peter Turrini (78) schreibt trotz seiner Parkinson-Erkrankung unermüdlich weiter.
  • Demnächst kommen gleich zwei neue Stücke von ihm: "Es muss geschieden sein" spielt 1848, wird am 13. Juli bei den Raimundspielen Gutenstein uraufgeführt und später an das Theater in der Josefstadt übernommen.
  • Dort kommt im Herbst auch "Bis nächsten Freitag" heraus.