APA/APA/Lukas Wodicka/Lukas Wodicka

Über Hälfte der Ethikverstöße 2024 durch "Krone" und "oe24"

Heute, 10:39 · Lesedauer 4 min

Der österreichische Presserat hat sich 2024 mit insgesamt 426 Fällen beschäftigt und dabei 27 Ethikverstöße festgestellt. Damit lag gegenüber 2023 (20 Verstöße) ein Anstieg vor, die Zahl liege jedoch im langjährigen Mittel, sagte Presserat-Geschäftsführer Alexander Warzilek am Montag bei einer Pressekonferenz. Unrühmlicher Spitzenreiter war mit acht Verstößen bei 66 Fällen die "Kronen Zeitung". Dicht auf ihren Fersen lag "oe24" mit sieben Verstößen bei 39 Fällen.

Gegenüber dem Regionalmedium "Mein Bezirk" sprachen die Senate des Presserats in drei Fällen Rügen aus. Das Gratisblatt "Heute" und das Nachrichtenmagazin "News" wurden jeweils zweimal gerügt. Die meisten Beschwerden gingen zur Berichterstattung des "Standard" ein. In 74 Fällen beschäftigte sich das Selbstkontrollorgan der Branche mit der Tageszeitung. Dass liege daran, dass den Leserinnen und Lesern des "Standard" der Presserat offenbar sehr vertraut sei, weil das Medium auch häufig über Entscheidungen berichte. Zudem habe es ein kritisches Publikum, so Warzilek, der aber auf eine "recht weiße Weste" des "Standard" hinwies. Nur in einem Fall lag ein Ethikverstoß vor, doch dieser war der aufsehenerregendste des Jahres.

So veröffentlichte "Der Standard" im Vorfeld der EU-Wahl mehrere anonymisierte Vorwürfe gegen die Grünen-Spitzenkandidatin Lena Schilling. Jene Zitate mit ausreichend Tatsachensubstrat seien in Ordnung gewesen, so Warzilek. Doch mehrere Wertungen und Meinungen zu Schilling ohne Bezug zu konkreten Vorfällen beurteilte der Senat 1 des Presserats als unausgewogen. Die Anonymisierung sei unzulässig gewesen. Über die Entscheidung wurde breit diskutiert. "Das ist auch unser Wunsch. Wir hoffen, dass unsere Entscheidungen ein Ausgangspunkt für Diskussionen sind", so Warzilek.

Christa Zöchling aus dem Senat 3 des Presserats ortete einen problematischen Trend hin zu Clickbaiting. So wurden im Vorjahr mehrfach Überschriften rund um "ZiB2"-Anchorman Armin Wolf veröffentlicht, die irreführend waren und offenbar lediglich Klicks generieren sollten. Erfreulich sei, dass Boulevardzeitungen kaum noch unverpixelte Porträtbilder zu Opfern von Gewalttaten oder ähnlichem veröffentlichen, "weil der Presserat jahrelang Ethikverstöße festgestellt hat", sagte Warzilek. In einem Fall wurde "oe24" jedoch gerügt, obwohl eine Verpixelung von Gesichtern stattfand. So veröffentlichte das Boulevardmedium Fotos, auf dem vier leicht bekleidete Prostituierte zu sehen sind, die ermordet wurden. Wegen des unangemessenen sexualisierten Gehalts im Kontext der Ermordung lag ein Eingriff in den Persönlichkeitsschutz vor.

Beschwerden gegen einwandfreien Journalismus

Keine Persönlichkeitsverletzung lag gegenüber der Firma Senecura vor, die sich über einen Bericht in "Dossier" beschwerte. "Dossier" berichtete über eine Person, die in einem von der Firma betriebenen Altersheim verhungerte. Die Vorwürfe seien genau recherchiert worden, und Senecura hatte Gelegenheit zur Stellungnahme. Warzilek verwies hier auf den Trend, wonach Organisationen zusehends gegen missliebige Berichterstattung vorgehen würden. Im Falle Senecura habe die PR-Abteilung wiederholt Druck ausgeübt und nachgefragt, wann endlich mit einer Entscheidung zu rechnen sei. Die Beschwerde sei jedoch abgeschmettert worden. Auch Lokalpolitiker würden sich zusehends häufiger an den Presserat wenden, da sie mit kritischen Artikeln, die aber journalistisch sauber angefertigt wurden, unzufrieden seien. "Politiker müssen etwas aushalten. Lokalpolitiker sind teilweise überempfindlich", konstatierte Warzilek.

Ausweitung der Zuständigkeit

Keine Beschwerden gingen zu freien Rundfunksendern ein, die sich freiwillig dem Ehrenkodex für die österreichische Presse verpflichtet haben. Nicht zuständig ist der Presserat bisher für reine Onlinemedien oder auch den kommerziellen Rundfunk. Es lägen jedoch mehrere Entwürfe für eine Ausweitung der Zuständigkeit auf reine Onlinemedien vor, sagte Warzilek. Überhaupt fände er es "in Zeiten der Medienkonvergenz" sinnvoll, wenn das Selbstkontrollorgan für alle professionellen journalistischen Medien zuständig sei. In der Schweiz sei dies etwa bereits der Fall. Jedoch müsste sich der Trägerverein mit Zweidrittelmehrheit dafür aussprechen. In diesem sind die Journalistengewerkschaft in der GPA, der Verband Österreichischer Zeitungen (VÖZ), der Verein der Chefredakteure, der Österreichische Zeitschriften- und Fachmedienverband (ÖZV), der Presseclub Concordia und der Verband der Regionalmedien Österreichs (VRM) vertreten.

Finanzielle Lage stabilisiert

Die finanzielle Lage des Presserats hat sich nach Warnrufen vor wenigen Jahren mittlerweile stabilisiert. So erfolgte noch durch die türkis-grüne Bundesregierung eine Aufstockung der Fördermittel des Bundes, die nun bei 230.000 Euro liegen. Zusätzlich erhält der Presserat 70.000 Euro über Mitgliedsbeiträge. "Die Schwierigkeiten sind vorerst bereinigt, aber es war ein harter Kampf", sagte der Presserat-Geschäftsführer.

(S E R V I C E - www.presserat.at)

Zusammenfassung
  • Der österreichische Presserat verzeichnete 2024 insgesamt 426 Fälle, wobei 27 Ethikverstöße festgestellt wurden, was einen Anstieg gegenüber 2023 darstellt.
  • Die 'Kronen Zeitung' und 'oe24' führten die Liste der Ethikverstöße mit 8 bzw. 7 Verstößen an, während 'Der Standard' mit 74 Beschwerden die meisten Eingaben erhielt, jedoch nur einen Verstoß beging.
  • Die finanzielle Lage des Presserats hat sich stabilisiert, dank einer Erhöhung der Fördermittel des Bundes auf 230.000 Euro und zusätzlichen 70.000 Euro aus Mitgliedsbeiträgen.