Österreich auf Architekturbiennale: Leerstelle als Exponat
"Die Biennale gibt der Selbstreflexion heute kaum eine Plattform", kritisiert Czech, der das gemeinsam mit AKT nun ändern will. Seit mehr als drei Jahrzehnten breite sich die Biennale immer mehr in die Stadt aus, was räumliche Konflikte mit sich bringt, erzählen Vertreterinnen und Vertreter des Kollektivs im APA-Gespräch. "Daher haben wir eine Öffnung des Pavillons geplant, um den Initiativen der Stadt eine Plattform zu geben." Dass es nicht so einfach sein würde, einen neuen Zugang durch die Außenmauer der Giardini zu realisieren, war AKT und Czech von Anfang an klar, weshalb sie bereits bei der Präsentation des Vorhabens vor mehr als einem Jahr unterstrichen hatten, dass man sich im Fall einer Ablehnung des Projekts mit dem Titel "Partecipazione / Beteiligung" eben genau mit diesem Umstand beschäftigen werde. Nun wird es genau dazu kommen.
Viele Monate haben AKT - bestehend aus 17 Architektinnen und Architekten - und Czech die Raumpraxis der Biennale dokumentiert und mit der Bevölkerung diskutiert. Deren Verdrängung macht sich auch in Zahlen bemerkbar, schrumpfte die Einwohnerzahl in den vergangenen Jahrzehnten doch von 170.000 auf mittlerweile unter 50.000. Der 1934 von Josef Hoffmann und Robert Kramreiter gebaute symmetrische Österreichische Pavillon sollte in der Mitte geteilt werden und zur Hälfte auch von außen, vom Stadtteil Sant'Elena, zugänglich gemacht werden, um der sonst ausgeschlossenen Bevölkerung Raum zur Diskussion und für Veranstaltungen zu geben.
Nachdem das Denkmalamt das Vorhaben abschlägig beschied, entschied man sich, den Zugang über eine Stiegenkonstruktion über die Mauer hinweg zu ermöglichen und so eine Brücke zu schlagen. Seit heute, Dienstag, ist nun klar: auch das wird nicht möglich sein. Somit wird genau diese Verunmöglichung zum zentralen Exponat des Österreich-Pavillons werden, der nach wie vor in zwei Hälften geteilt sein wird: Eine Hälfte kann von den Biennale-Gästen besucht werden, dort wird die bisherige Ausbreitung der Biennale in die Stadt dokumentiert und kontextualisiert. Die andere Seite wird dem Abbild eines Baustopps gleichen: die vorbereitete Brücke, ein leerer, ungenutzt bleibender Veranstaltungsraum mit Tribüne. Die Bevölkerung bleibt draußen. "Die Leerstelle ist unser zentrales Exponat", so AKT, die nur als Kollektiv zitiert werden wollen.
Jedes Jahr werden der Stadt mehr Räume entzogen: Aus ehemaligen Kirchen, Wohnungen und Werkstätten würden Ausstellungsräume, die der Bevölkerung außerhalb der Biennale-Zeiten nicht zur Verfügung stünden. Neben der Ausdehnung der Biennale verweist Czech auch auf das Scheitern eines Projekts, in dem ein großes Areal, das ursprünglich für den Bau von Sozialwohnungen vorgesehen war, nun mit Luxuswohnungen vollgebaut würde. "Beteiligung heißt, dass man einen Teil abgibt. Wir wollten einen Teil des Pavillons abgeben. Dass das nun nicht möglich ist, sagt eigentlich alles."
Die Argumentation von Denkmalamt und Biennale findet das Kollektiv prototypisch für die bisher gelebte "absolute Verfügungsmacht über Raum". Ironischerweise sei die Architekturbiennale damals gegründet worden, um sich mit den räumlichen Problemen Venedigs auseinanderzusetzen. "Dieser Ansatz wurde zusehends aufgegeben, heute ist es eine internationale Leistungsschau", so AKT. "Wir als Architekten wollen aber nicht ausstellen, sondern für die Bevölkerung bauen."
(S E R V I C E - 18. Architekturbiennale von Venedig, 20. Mai bis 26. November: Österreich-Pavillon "Partecipazione / Beteiligung" von AKT und Hermann Czech. https://labiennale2023.at, https://www.labiennale.org/en)
Zusammenfassung
- Als "Labor der Zukunft" will sich die am 20. Mai startende 18. Architekturbiennale von Venedig präsentieren.
- Im Österreich-Pavillon werden sich das Wiener Architekturkollektiv AKT und der Architekt Hermann Czech mit der Raumpolitik der Biennale selbst beschäftigen.
- Dafür sollte die Mauer zum hinter den Giardini gelegenen Stadtteil durchbrochen werden, nun darf auch das Alternativprojekt einer Brücke nicht realisiert werden.