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Literaturwissenschaftler und Autor Peter von Matt gestorben

Heute, 08:48 · Lesedauer 3 min

Der Schweizer Literaturwissenschaftler und Schriftsteller Peter von Matt ist im Alter von 87 Jahren gestorben. Wie seine Familie der Deutschen Presse-Agentur mitteilte, starb der Intellektuelle und gefragte Festredner am Montag nach langer Krankheit in Zürich. Der begnadete Vorleser und bedeutende Publizist lehrte rund 25 Jahre lang Neuere Deutsche Literatur an der Universität Zürich. Für seine Bücher und Aufsätze bekam er mehr als ein Dutzend Preise.

"Niemand konnte Literatur so gut erklären, vermeintlich tote oder zu Tode interpretierte Texte zu neuem Leben erwecken, ihnen ihr Geheimnis entreissen, ohne sie dabei zu zerstören", würdigte ihn der Schweizer "Tages-Anzeiger". Der Germanist reihte immer wieder Perlen der Weltliteratur an ungewöhnlichen Fäden auf. "Allein an den Buchtiteln konnte man leicht erkennen, dass er sich lieber mit Bösewichten und Unglücksraben als mit Schöngeistern und Glückskindern herumschlug", schrieb die "Neue Zürcher Zeitung".

So führte der in Luzern geborene Literaturkenner unterhaltsam in seinem Buch "Liebesverrat: Die Treulosen in der Literatur" (1989) durch Liebesdramen in der Weltliteratur. Mit familiären Irrungen befasste er sich in "Verkommene Söhne, missratene Töchter. Familiendesaster in der Literatur" (1995) und mit abgründigen Figuren in "Die Intrige. Theorie und Praxis der Hinterlist" (2006).

2017 schrieb er über das Küssen - ein "Allerweltsgeschäft", wie er es formulierte. Von Matt beleuchtete entscheidende Küsse in Werken von Virginia Woolf über Franz Grillparzer bis Anton Tschechow. In "Sieben Küsse: Glück und Unglück in der Literatur" schrieb er von unerhörten Klängen und poetischer Wucht, von lautlosem Dröhnen und Prosawundern. Das Schreiben sei eine Quälerei gewesen, sagte von Matt der dpa vor seinem 80. Geburtstag. "Der Schreibtisch ist eine Folterbank."

Neben der Literaturbetrachtung beschäftigte sich von Matt ausgiebig mit der europäischen Identität und lotete auch die Schweizer Seele aus - wie in der Essaysammlung "Das Kalb vor der Gotthardpost" (2012). Zuletzt veröffentlichte er eine Studie unter dem vielsagenden Titel: "Übeltäter, trockne Schleicher, Lichtgestalten".

2012 hielt Peter von Matt die Eröffnungsrede der Salzburger Festspiele. Unter dem Titel "Kunst, Verschwendung und Gerechtigkeit" versuchte er in seiner Rede, die Legitimation von Kunst in einer Welt von Armut und fehlendem Trinkwasser zu beleuchten und kam zu dem Schluss: Die Kunst sei ein überflüssiger Akt von Verschwendung. Aber sie sei zugleich ein Akt von Freiheit und Teil der menschlichen Natur.

Den Polit-Betrieb verfolgte er mit hellsichtiger Distanz. "Wehe dem, der heute den Wahrheitsgehalt der spontanen Empfindung anzweifelt. Er wird von den Rechten wie von den Linken tief in die Waden gebissen. Denn beiden geht nichts über den moralischen Rausch: aus dem Nabel heraus spüren, dass man recht hat, und deshalb hassen dürfen wie die Säufer saufen", zitiert der Sender SRF eine Kritik des Germanisten.

Seine Textsammlung "Die tintenblauen Eidgenossen. Über die literarische und politische Schweiz" erschien 2001, für "Das Kalb von der Gotthardpost. Zur Literatur und Politik der Schweiz" erhielt er 2012 den Schweizer Buchpreis. "Es ist die Aufgabe der Bürgerin und des Bürgers der Schweiz, dass er auf Dinge hinweist, die politisch nicht erträglich sind", sagte von Matt einmal.

Zusammenfassung
  • Der Schweizer Literaturwissenschaftler Peter von Matt ist im Alter von 87 Jahren in Zürich verstorben. Er lehrte 25 Jahre lang an der Universität Zürich und war bekannt für seine Fähigkeit, Literatur lebendig zu machen.
  • Von Matt erhielt über ein Dutzend Preise für seine Werke, die sich oft mit komplexen Themen wie Verrat und familiären Konflikten befassten. Seine Essaysammlung 'Das Kalb vor der Gotthardpost' wurde 2012 mit dem Schweizer Buchpreis ausgezeichnet.
  • Er hielt 2012 die Eröffnungsrede der Salzburger Festspiele und setzte sich intensiv mit der europäischen Identität auseinander. Sein kritischer Blick auf den politischen Betrieb war ebenso bekannt wie seine literarischen Beiträge.