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"Like A Complete Unknown": Eine gelungene Dylan-Story

21. Feb. 2025 · Lesedauer 4 min

Bob Dylan ist und bleibt ein Enigma und schwer zu fassen. Daran ändert auch das Biopic "Like A Complete Unknown" nichts, das nun in den Kinos anläuft. Aber Regisseur James Mangold ist ein wunderbarer, breitenwirksamer Film gelungen - teils Musikgeschichte, teils Legendenbildung und mit einer Prise Liebesgeschichte. Timothée Chalamet schaffte das schier Unmögliche, Dylan glaubhaft zu verkörpern.

Mangold, der schon das Leben von Johnny Cash für die Leinwand aufbereitete ("I Walk The Line") tut gut daran, sich auf einen Abschnitt in Dylans Karriere zu konzentrieren: Basierend auf dem (absolut lesenswerten, meisterhaft recherchierten) Buch "Dylan Goes Electric!" von Elijah Wald erzählt "Like A Complete Unknown" die Zeit von Dylans Ankunft als junger Musiker in New York Anfang der 60er bis zu seinem legendären Auftritt 1965, als er die Folkszene mit Rockmusik elektrisierte. Produziert hat Dylans langjähriger Manager Jeff Rosen, was viele Fans im Vorfeld aufatmen ließ.

Dylanologen werden über Szenen stolpern, die sich so nicht zugetragen haben. Außerdem verdichtet Mangold die Zeit von Dylans Anfängen bis zu seinem Aufstieg extrem, das eine oder andere essenzielle Detail in der Biografie des Künstlers bleibt angedeutet (und für Nicht-Fans vielleicht unverständlich). Die politischen Hintergründe werden recht oberflächlich behandelt. Nicht zuletzt überspringt der Film einen Abschnitt, in dem Dylan die Beatles traf und Drogen für sich entdeckte. Aber das alles tut der Qualität keinen Abbruch, im Gegenteil. Es ist eben wie die Dokumentation "Rolling Thunder Revue" (2019) von Martin Scorsese, die es mit der Wahrheit nicht immer genau nimmt, eine (und nicht: DIE) Bob-Dylan-Story - aber eine sehenswerte.

Starke Leistung des Cast

Auch wenn Ausstattung, Setdesigns, Kostüme und Storytelling meisterhaft umgesetzt wurden, ist es letztlich der Cast, der "Like A Complete Unknown" nicht scheitern lässt. Chalamet glänzt in der Hauptrolle, imitierte Dylan nicht bloß, was schnell peinlich hätte wirken können, sondern macht sich Dylan zu eigen. Man sollte den Film im Original sehen, um in den Genuss der sprachlichen Leistung Chalamets zu kommen (großartig, wie er den Tonfall zwischen Dylan vor und nach seinem Aufstieg zum Star ändert). Wie alle Charaktere singt Chalamet selbst - überzeugend, weil auch hier nahe an Dylan, aber ebenfalls mit persönlicher Note.

Edward Norton bringt Pete Seeger, das freundliche Gesicht der Folkszene, perfekt auf die Leinwand. Monica Barbaro ist eine atemberaubende, charismatische Joan Baez (Hut ab auch für ihre Gesangsleistung). Elle Fanning spielt mit viel Gefühl Dylans Freundin, die mit Sylvie Russo den einzigen fiktiven Namen trägt. Mehr als nur angelehnt ist diese Figur Suze Rotolo, die Dylan mit politischen Ideen vertraut machte. Dylan selbst soll dem Vernehmen nach selbst auf einer Namensänderung bestanden haben. Und nein, Rotolo war nicht so wie Russo im Film beim Newport 1965 dabei, aber auch egal.

"Like A Complete Unknown" ist ein wichtiger Film. Nicht nur, weil er die große Kunst Dylans einem breiten Publikum und vielleicht einer neuen Generation näher bringt. Sondern auch, weil er im Zeitalter der Spotify-Einheitsalgorithmen verdeutlicht, dass große Kunst keinen Formeln folgen muss, dass Künstler aus Genres ausbrechen und nicht immer Erwartungen erfüllen müssen. Daneben erzählt das Biopic die faszinierende persönliche Geschichte eines Mannes, der zum vielleicht größten Popstar aller Zeiten wurde, der sich von einer Szene emanzipierte, der sich wandelte und nicht vereinnahmen ließ.

Keine bloße Heldenverehrung

Chalamets Dylan bewegt sich abseits der bloßen Heldenverehrung. Er ist spöttisch, arrogant, verschlossen und verletzt ihm wohlgesonnene Menschen, betrügt Russo/Rotolo mit Baez und enttäuscht letztendlich beide. Die Liebesgeschichte hat Mangold in einer verträglichen Dosis abgehandelt. Einen wirklich tiefen Einblick in die Seele Dylans, der das Drehbuch persönlich nach einigen Änderungswünschen abgesegnet haben soll, darf man nicht erwarten. Dylan ist und bleibt ein "Complete Unknown", daran ändert auch dieser Hochglanzmusikfilm, den über weitere Strecken nicht Dialoge, sondern die zeitlosen Songs Dylans tragen, nichts. Aber die Wucht der Newport-Darbietung reißt heute noch mit, auch aus dem Kinosessel.

Zusammenfassung
  • Der Film 'Like A Complete Unknown' von James Mangold beleuchtet Bob Dylans Karriere von seinen Anfängen in New York bis zu seinem ikonischen Auftritt 1965, bei dem er die Folkszene mit Rockmusik elektrisierte.
  • Timothée Chalamet wird für seine Darstellung von Bob Dylan gelobt, da er nicht nur imitiert, sondern Dylan auch eine persönliche Note verleiht. Neben ihm glänzen Edward Norton und Monica Barbaro in ihren Rollen.
  • Der Film vermittelt die Botschaft, dass große Kunst keinen Formeln folgen muss und Künstler sich von Genres emanzipieren können, auch wenn historische Fakten nicht immer genau dargestellt werden.