Volksoper 25/26: Viel Strauss und eine queere Fledermaus
"In meinem Vertrag steht, dass ich auch für 'risikoreiche' Produktionen geholt wurde. Das ist ein absolutes Geschenk! Es ist okay, wenn es mal zu einer Bruchlandung kommt, solange es nicht zu oft der Fall ist. Ich will nicht auf Nummer sicher gehen. Wir machen Kunst!", zeigte sich de Beer im APA-Gespräch energiegeladen angesichts der neuen Vorhaben, die sie beide mit Musikdirektor Ben Glassberg im Graben gemeinsam realisiert.
Andere Leadingteams zum Zug kommen hingegen bei Johann Strauss, der 2025/26 fröhliche Urständ' am Haus feiert. Im Oktober beleuchtet de Beers Landsfrau Nina Spijkers, die bereits "Die lustigen Weiber von Windsor" an der Volksoper inszeniert hatte, die "Nacht in Venedig" des Walzerkönigs. "Ästhetisch geht es von klassisch-traditionell hin zu einem Ball Masquée mit Batman, Barbie und einem Spiegelei", machte die Intendantin Operettenfreunden den Mund wässrig. Auch die Premiere im November basiert auf einem Werk des Schnurrbartträgers, wenn Komponistin Martina Eisenreich Strauss' Ballettfragment "Aschenbrödels Traum" als Ausgangspunkt für eine neue Familienoperette nimmt. "Die Musik ist voller Imagination mit viel Percussion, Singender Säge, ein bisschen Pop und Hip-Hop, aber natürlich auch mit der Leichtigkeit, die wir von Strauss kennen", dämpfte Musikdirektor Glassberg die Angst vor schwerer Kost.
"Fledermaus" in allen Facetten
Und während zum Saisonauftakt am 4. September ein "Fledermaus"-Sing-Along für stimmgewaltiges Publikum angesetzt ist, endet man im Pride Month Juni 2026 mit einer "Fledermaus - Pride Edition". "Das ist wichtig in einer Zeit, in der sich queere Menschen wieder Sorgen um ihre Existenz machen müssen", unterstrich de Beer die gesellschaftspolitische Bedeutung des Vorhabens, das eventuell als Fixpunkt ins Repertoire wandern könnte: "Es wäre natürlich ein Traum, wenn wir jedes Jahr 18 traditionelle und 3 queere Fledermäuse hätten."
"Man kann nun sicher nicht sagen, dass wir zu wenig Strauss machen", resümierte Ben Glassberg den Schwerpunkt. Und wer dann immer noch nicht genug von der Operette hat, für den erweckt Steef de Jong im April 2026 mit seinen live entstehenden Pappwelten Franz Lehárs "Der Zarewitsch" zum Leben, während zuvor im März der Versuch gestartet wird, mit Gilbert & Sullivans "Die Piraten von Penzance" Komische Oper aus Großbritannien am Haus zu verankern. "Das ist die beste britische Operette, die je geschrieben wurde", hing Glassberg die Latte hoch. Und wen das nicht lockt, den könnte reizen, dass dafür das Slapstickregiekollektiv Spymonkey an die Volksoper zurückkehrt. "Die Operette als Genre hat etwas sehr Regionales, weil Humor oft etwas Regionales ist", so de Beer: "Aber Spymonkey haben einen universellen Humor, der so zeitlos ist wie die Slapstick-Komik eines Tritts in Hundekacke. Das kann funktionieren!"
Klassiker in neuem Gewand
Ernster geht es da bei der Uraufführung von "Killing Carmen" im Oktober zu, wenn sich Nils Strunk und Lukas Schrenk mit Bizets Femizid-Stück auseinandersetzen, wobei für die Neudeutung wie bei der aktuellen "Carmen" Katia Ledoux die Titelpartie übernimmt, der hier allerdings Musicalstar Anton Zetterholm als Don José das Messer in die Brust rammt. Einen weiteren neuen Blick auf einen Klassiker stellt im Februar "Spring Awakening" von Duncan Sheik und Steven Sater dar, die Frank Wedekinds Coming-of-Age-Stück als Rockmusical neu aufsetzen, was das Ensemble akrobatisch herausfordern soll. Und auch das Opernstudio richtet sich mit einem "Titus" im MuTh nicht zuletzt an jüngeres Publikum.
Mit den Zahlen zufrieden zeigte sich bei der Gelegenheit Geschäftsführer Christoph Ladstätter: "Die Zahl der Unter-30-Jährigen im Publikum ist mit 24 Prozent stabil. Und trotzdem konnten wir vom letzten Jahr auf heuer die Abonnentenzahl um 16 Prozent steigern." In absoluten Zahlen liege man bei den Besuchern derzeit über dem Vorjahr, komme auf eine Auslastung von rund 87 Prozent und werde die Einnahmen der vergangenen Saison entsprechend übertreffen. "Es ist wichtig, dass wir auch einnahmenseitig Stärke zeigen", so Ladstätter, der für die kommende Spielzeit eine Erhöhung der Kartenpreise um 7 Prozent avisiert.
Volksoper als "Identitätsfaktor"
Die von manch anderer Institution ins Treffen geführte Umwegrentabilität der Kultursubventionen träfe fraglos zu, "der Rückbezug auf die Wirtschaftlichkeit ist aber zu wenig. Häuser wie die Volksoper sind auch ein Identitätsfaktor", unterstrich Ladstätter. Dazu gehören auch die Bemühungen, das Publikum möglichst auf breiter Basis zu erreichen. "Wir glauben einfach an Diversität - auf der Bühne und im Publikum. Und das gilt auch für unseren Kinderchor", so de Beer. Deshalb hat man im Sinne von Bildungs- und Chancengleichheit ein von Sponsoren unterstütztes Projekt auf die Beine gestellt, bei dem Volksopern-Mitarbeitende an zahlreichen Volksschulen wöchentlich Musiktheaterunterricht geben. Nach einem Jahr wird den besonders begeisterten Kindern angeboten, in den Chor zu kommen. Und im dritten Jahr inszeniert man gemeinsam das "Matilda"-Musical von Tim Minchin auf der großen Bühne und in kleineren Fassungen an den beteiligten Schulen.
(S E R V I C E - Offiziell vorgestellt wird das Saisonprogramm in einer Matinee am Sonntag um 10 Uhr: www.volksoper.at/produktion/spielplanprasentation-202526-2024.1008512250.de.html)
Zusammenfassung
- Die Volksoper startet eine beschwingte neue Saison mit einem Schwerpunkt auf Johann Strauss, einschließlich klassischer und queerer Inszenierungen.
- Intendantin Lotte de Beer und Musikdirektor Ben Glassberg setzen auf risikoreiche Produktionen, darunter eine 'Fledermaus - Pride Edition' im Juni 2026.
- Die Volksoper verzeichnet eine stabile Zuschauerzahl unter 30 Jahren von 24 Prozent und steigert die Abonnentenzahlen um 16 Prozent.
- Geschäftsführer Christoph Ladstätter betont die Bedeutung der Volksoper als Identitätsfaktor und plant eine Erhöhung der Kartenpreise um 7 Prozent.
- Ein von Sponsoren unterstütztes Projekt fördert Musiktheaterunterricht an Volksschulen und bietet talentierten Kindern Chor- und Bühnenerfahrungen.