Kurzweilige Montage: "Im Glashäusl" im Schauspielhaus Wien
Jene Toilettenzelle mit funktionstüchtigem Abort und Waschbecken, die Franziska Bornkamm auf der Bühne platziert hat, ist zwar nicht aus Glas, aber immerhin blickt man durch die vierte Wand auf unsere Gesellschaft, die Amir Gudarzi, Gerhild Steinbuch, Thomas Köck, Lisa Wentz und Robert Woelfl in ihren Miniaturen verhandeln. Dabei bildet der Text "Häuslfrau" des aus Teheran stammenden und in Wien lebenden Autors Gudarzi den Rahmen, in dem die Studierenden ihr Können demonstrieren.
In seinem Stück setzt Gudarzi auf eine urösterreichische, erzkatholische Klofrau, die anhand der Exkremente ihrer Klienten deren politische Zugehörigkeit zu erraten vermag, auch nicht mit Ernährungs- und Entspannungstipps hinter den Berg hält und für den Pfarrer schließlich sogar ein Verbrechen begeht. Fabia Matuschek verleiht der Figur, die streckenweise an Werner Schwabs Mariedl erinnert, dieser aber sprachlich nicht das Abwasser reichen kann, Liebens- und Glaubwürdigkeit. Unterbrochen werden die einzelnen Szenen, in der allerlei Volk das Klo aufsucht, von den anderen Stücken.
In "two steps forward and three steps back" von Gerhild Steinbuch und Thomas Köck redet sich ein blonder Jungpolitiker (herrlich schnöselig: Elias Eisold) in seiner Rücktritts-doch-nicht-Rücktrittsrede um Kopf und Kragen, während er nach und nach von seinen Kolleginnen und Kollegen unterstützt wird, die ihm die Worte aus dem Mund nehmen und schließlich kollektiv feststellen: "ich bin immer noch da und werde so schnell hier nicht weichen." Nach einer weiteren Runde mit Gudarzis "Häuslfrau" widmet sich Lisa Wentz in ihrem Text "Heimat bist du" einer jungen Frau (im Doppel: Minou M. Baghbani und Laetitia Toursarkissian) und dem ihr entgegengebrachten misogynen Verhalten älterer Männer ("Die Weiber sein ja alles Huren. Männer gehen auch fremd, aber bei Weibern ist das schlimmer, weil da ist eine Emotion dabei!") und der Aufdringlichkeit des Kunstprofessors.
Ein Putztrupp im Klo taucht schließlich in Robert Woelfls Text "Müllinsel der Selingen" ein, in dem eine Gruppe junger Menschen nach Malaysia reist, um den von den Europäern abgelagerten Müll zu sortieren: "Der ganze Abfall stammt nicht von uns. So viel haben wir nicht hierher geschickt." Dabei unterhalten sie sich über österreichische Themen wie die Schuldfrage, Frühpensionen und Einfamilienhäuser. Das letzte Wort haben schließlich wieder Gudarzis Figuren, wenn die Häuslfrau sich vor ihrer Mitarbeiterin Maria (Samira Kossebau) eingestehen muss, dass sie es mit ihrem katholischen Fanatismus zu weit getrieben hat.
Das junge Ensemble meistert die raschen Szenen- und Rollenwechsel mit viel Spielfreude und einem breiten Spektrum des Ausdrucks. Und auch wenn nicht zwangsläufig alle Texte auf dem Klo verortet sein müssen, greifen die unterschiedlichen Miniaturen inhaltlich durchaus ineinander. Lang anhaltender Jubel für eine sympathische Leistungsschau heimischen Theaterschaffens.
(Von Sonja Harter/APA)
(S E R V I C E - "Im Glashäusl" im Schauspielhaus Wien. Mit Texten von Amir Gudarzi, Gerhild Steinbuch/Thomas Köck, Lisa Wentz und Robert Woelfl. Regie: Anne Bader, Bühne: Franziska Bornkamm. Mit Fabian Cabak, Paula Carbonell Spörk, Elias Eisold, Amrito Geiser, Samira Kossebau, Minou M. Baghbani, Fabia Matuschek und Laetitia Toursarkissian (3. Jahrgang Schauspiel der Musik und Kunst Privatuniversität der Stadt Wien). Weitere Termine: 24., 25., 27. und 31. Mai, jeweils um 20 Uhr. www.schauspielhaus.at)
Zusammenfassung
- Die Premiere von 'Im Glashäusl' im Schauspielhaus Wien, eine Gesellschaftsanalyse bestehend aus vier Theatertexten, fand am Donnerstag statt.
- Amir Gudarzi's Stück 'Häuslfrau' spielt eine zentrale Rolle in der Aufführung, in der eine Klofrau die politische Zugehörigkeit ihrer Klienten anhand ihrer Exkremente errät.
- Das Stück erhielt lang anhaltenden Jubel und wird weitere Vorstellungen am 24., 25., 27. und 31. Mai haben.