APA/APA/Heidi Horten Collection/Heidi Horten Collection

Horten-Schau wirft den überzeitlichen Blick auf Wien

Heute, 07:23 · Lesedauer 4 min

Balthasar Wigand, Rudolf von Alt und Stefan Oláh - drei Künstler dreier Generationen, die eines verbindet: Ihre Arbeiten, seien es kleinformatige Ansichten auf Schmuckdosen, Aquarelle oder Fotos, dokumentieren 200 Jahre Stadtgeschichte. In der Schau "Wien, Wien, nur du allein" in der Heidi Horten Collection treten ab Mittwoch ihre Arbeiten in Dialog von Vergangenheit und Gegenwart. Oláhs Fotografien zeigen, wie sich die von Wigand und Alt gemalten Orte heute präsentieren.

Wigands (1770-1846) in mit Perlmutt furnierte Kassetten und in Schatullen eingefasste, nur wenige Zentimeter "große" Aquarelle mit meist panoramahaftem Blick auf die Stadt waren ein "must have" für wohlhabende Bürger im Biedermeier. Topografische Genauigkeit tritt hier hinter atmosphärische Darstellung. "Wigand hat sich Freiheiten genommen, mal eine Kirche höher gemacht, damit sie besser aus dem Stadtbild rauskommt", erläuterte Kurator Rolf H. Johannsen im APA-Gespräch. Seine Motive sind modernste Bauten: "Die Kettenbrücke zum Beispiel war ein absolutes Novum. Ebenso das Burgtor, das war auch 1825 fertig."

Wigand zeige keine verwinkelten Hofsituationen, "das hätte seine Käufer nicht interessiert", betonte Johannsen. Alt (1812-1905) dagegen macht das mitunter schon. Sein Metier wurde die Aquarellmalerei, seine Bilder, gerahmt als Zimmerschmuck dienend, erfassten Wien in einer Zeit des Umbruchs und der Urbanisierung. Wigand-Dosen und Alt-Aquarelle aus dem Horten-Fundus wurden für die Intervention "Wien, Wien, nur du allein" herangezogen; ein Format, bei dem zeitgenössische Kunstschaffende eingeladen werden, sich auf unterschiedlichste Weise mit der Sammlung auseinanderzusetzen. Hier kommt Fotograf Oláh (Jahrgang 1971) ins Spiel.

Oláh suchte die Orte aus den Bildern Wigands und Alts auf und zeigt sie, wie sie heute aussehen. "Ich fotografiere auf analogem Filmmaterial, mit einer Fachkamera auf Großbildmaterial. Ich retuschiere und manipuliere das Bild nicht, verzichte auf Ausschnitte. Wir sehen tatsächlich den Zeitpunkt der Aufnahme", erläuterte Oláh gegenüber der APA. Die Perspektiven entsprechen jenen in Wigands und Alts Werken. Hinter jedem Foto steht eine intensive Auseinandersetzung mit dem jeweiligen Ort.

Wigand belebte den Vordergrund seiner Szenerie oft mit Staffagefiguren. Oláh inszeniert das nicht. Aber: "Man muss die Situation wiedererkennen", betonte er. Enthält z.B. Wigands Darstellung einer Brücke über den Donaukanal ein Schiff, recherchierte Oláh den Fahrplan des Twin City Liners, um diesen in die Fotografie der Nachfolgebrücke zu bringen - anstelle des handbetriebenen Bootes im Wigand-Vorbild. "Heute ist es eine touristische Erschließung, mehr als ein Handelsweg. Genau solche Veränderungen will ich dokumentieren."

Momentaufnahmen der Stadt

Die Fotos halten Orte fest, die über die Jahrhunderte kaum Veränderungen erfahren haben, ebenso solche, die bis zur Unkenntlichkeit verbaut wurden. Ein Beispiel für Letzteres: Alt malte eine beim Blick aus seinem Fenster zu sehende Eisengießerei. Oláh fotografierte aus genau demselben Fenster. Man sieht an der einstigen Stelle des Industrieunternehmens einen 1970er-Jahre-Bau mit monotoner Gestaltung, unten prangt das Graffiti "Heute fahre ich swartz" (sic).

"Wigand zeigt Momentaufnahmen der Stadt, das macht Oláh auch", sieht Johannsen die Parallelen. "Ihn stört dann auch nicht ein Fahrrad oder ein Graffito, jeder Maler oder Kitschfotograf würde das wegnehmen. Stefan Oláh zeichnet eine unglaubliche Blickschärfe aus, sein analytischer Blick. Zuerst wirken die Bilder kühl und distanziert, aber lässt man sich einmal auf die Details ein, ist das großartig."

Elektroroller statt Fuhrwerke

Selbst Einheimische könnten im Vergleich der Arbeiten viel Spannendes entdecken, ist der Fotograf überzeugt: "Ein gutes Beispiel dafür ist die Ansicht vom Karlsplatz, wo wir im ersten Moment die Karlskirche sehen und glauben, es hat sich kaum etwas verändert. Aber es hat sich viel. Es ist etwa Stadtmobiliar dazugekommen. Ich habe die Elektroroller, die dort geparkt sind, nicht weggestellt. Auf Darstellungen von Alt sieht man Pferdefuhrwerke, auf anderen Hofdamen mit Sonnenschirm. So hat jede Zeit eigene Erkennungsmerkmale."

(S E R V I C E - "Wien, Wien, nur du allein. Wigand - Alt - Oláh" in der Heidi Horten Collection, Hanuschgasse 3, 1010 Wien, 30. April 15. Oktober, täglich außer Di 11-19 Uhr, Do 11-21 Uhr; Katalog zur Ausstellung im Verlag für moderne Kunst, ISBN 978-3-99153-157-9)

Zusammenfassung
  • Die Ausstellung 'Wien, Wien, nur du allein' in der Heidi Horten Collection zeigt Arbeiten von Balthasar Wigand, Rudolf von Alt und Stefan Oláh, die 200 Jahre Stadtgeschichte dokumentieren.
  • Stefan Oláh fotografiert heute die von Wigand und Alt gemalten Orte und verzichtet dabei auf Bildmanipulationen, um die Authentizität zu bewahren.
  • Die Ausstellung läuft vom 30. April bis 15. Oktober in Wien und zeigt den Dialog zwischen Vergangenheit und Gegenwart.