Eva Ries berichtet über ihre Zeit mit dem Wu-Tang Clan
Dass sie es bis dorthin schaffte, lag sicherlich an ihrer Hartnäckigkeit - denn übertriebene Sympathie für die Musik oder die Personen dahinter ist zunächst eher nicht vorhanden. Ganz im Gegenteil, beschreibt Ries eingangs eine Episode, in der sie erstmals mit Songs des Clan konfrontiert wird und ob der Brutalität und Direktheit der Lyrics am Strand von Hawaii in Tränen ausbricht. "Wie sollte ich mit Menschen zusammenarbeiten, die solche Texte verfassen?", fragte sich Ries damals. Musikalisch war sie ohnehin eher im Rock sozialisiert und hatte mit Größen wie Nirvana, Sonic Youth oder Guns N' Roses zusammengearbeitet (auch dazu gibt es einige sehr lesenswerte Anekdoten).
Der Wut-Tang Clan, das war aber nochmal eine andere Kategorie: Schlussendlich entschied sich Ries für das Jobangebot und ließ das sonnige Los Angeles hinter sich, um in New York auf neun teils ehemalige Gangmitglieder zu treffen, die gemeinsam harten, minimalistischen Hip-Hop mit düsteren Inhalten machten. Für den Clan war sie eine Außenstehende, die sich in ihr Revier mischte - aber genau damit punktete Ries letztendlich. Dass sie Promotermine eben nicht in schicken Hotels organisierte, sondern mit Journalisten zu den Park Hill Projects auf Staten Island fuhr, brachte ihr einen neuen Zugang. Auch wenn es dabei durchaus vorkommen konnte, dass man Augenzeuge von übergriffigen Polizisten oder einer Schießerei wurde.
Dem Erfolg der Gruppe tat dies natürlich keinen Abbruch: Mit dem 1993 erschienenen Debüt "Enter The Wu-Tang (36 Chambers)" lieferte sie einen Meilenstein des Genres und wurde in den Folgejahren zu einem der größten Namen der MTV-Generation. RZA, Ol' Dirty Bastard oder Method Man rappten über ihre Welt, die von sozialer Ungerechtigkeit und Armut geprägt war - und suchten gleichzeitig das Rampenlicht und das große Geld. Besonders eindrücklich schildert Ries die Liebe, aber auch Rivalität zwischen den einzelnen Bandmitgliedern sowie die Ereignisse der ersten Europatournee, die für den Wu-Tang Clan einen Kulturschock bedeutete.
Im Zentrum des Buches steht ein Abschnitt, der nicht nur die neun ursprünglichen Mitglieder der Gruppe einzeln vorstellt - Ol' Dirty Bastard starb 2004 an einer Drogenüberdosis -, sondern auch wichtige Schauplätze präsentiert und auf religiöse wie weltanschauliche Vorstellungen eingeht. Die Faszinationen für Mafia und Kung-Fu-Mythos kommen ebenfalls nicht zu kurz. Begleitet wird all das von unzähligen Fotos, die mal im Hochglanzstil eines offiziellen Werbeshootings daherkommen, aber auch viele intimere Einblicke hinter die Kulissen gewähren.
Es ist eine naturgemäß sehr persönliche Auseinandersetzung mit dem Wu-Tang Clan, die Eva Ries abliefert. Mancher Hardcorefan mag vielleicht tiefer gehende Beschäftigungen mit einzelnen Alben und Songs vermissen, ganz zu schweigen vom immensen Soloschaffen der Clanmitglieder. Aber Ries gelingt es durchaus, den Kosmos dieser Band in all seinen Facetten zu beleuchten und Außenstehenden wie bestens Eingelesenen gleichermaßen ein aufschlussreiches Lesevergnügen zu bieten.
(S E R V I C E - Eva Ries: "Wu-Tang Is Forever. Im engsten Kreis der größten Band der Welt", Benevento Verlag, 254 Seiten, 28 Euro)
Zusammenfassung
- Es war ein steiniger Weg, aber er hat sich ausgezahlt: Mitte der 1990er erhält die junge deutsche Musik- und PR-Managerin Eva Ries den Auftrag, sich um die internationale Vermarktung des Wu-Tang Clan zu kümmern.
- In "Wu-Tang Is Forever" schildert Ries nun ihre Erfahrungen und bietet Einblicke in den "engsten Kreis der größten Band der Welt".