Eigenmächtige Kirchenmalerei sorgt in Spanien für Skandal
Dabei hat er die Decke in der Eingangshalle bemalen lassen. Ohne Erlaubnis der Diözese und auf eigene Faust, berichteten spanische Medien am Freitag. Der 82-jährige Unternehmer gab bei einem Lokalkünstler aus Saragossa die blaue Deckenbemalung mit religiösen Motiven und biblischen Figuren in Auftrag. Bei der farbig-kitschigen Malerei schlägt man sich nicht nur die Hände vors Gesicht. Sie will auch so gar nicht zu Jahrhunderte alten Kirche im romanisch schlichten Stil passen.
Aber das ist nicht einmal das Schlimmste. Anlass zur Wut und Empörung der Einwohner von Latre ist der kaum zu glaubende Umstand, dass sich der zwielichtige Geschäftsmann - wie zu Zeiten des Mittelalters üblich - als Auftraggeber selber in der Kirchenmalerei verewigen ließ - und zwar als der Heilige Matthias.
Angeblich aus Liebe zu seiner Heimatgemeinde hatte der Unternehmer die zunehmend verfallende Kirche bereits vor einiger Zeit restaurieren lassen. Vielleicht war es auch das schlechte Gewissen. Immerhin wurde er vor Jahren wegen Betrugs in Millionenhöhe verurteilt. Damals hatte niemand etwas gesagt. Doch die neuste Deckenmalerei war weder notwendig noch gewünscht. Erst recht nicht mit einem Heiligen Matthias, den das Antlitz des Immobilienmaklers ziert.
Der Aufschrei ist enorm und Spaniens Medien stürzen sich auf den Fall, der bereits mit dem "Ecce Homo"-Skandal aus Borja verglichen wird, einer sich ebenfalls in der Region befindlichen Gemeinde. Dort entschloss sich 2012 die damals 81 Jahre alte Hobbymalerin Cecilia Gimenez, das an der feuchten Kirchenwand zerfallende Jesus-Fresko "Ecce Homo" selber zu restaurieren. Die Wandmalerei blätterte bereits ab und niemand kümmerte sich drum. Also legte sie selbst Hand an - und es ging so richtig schief.
Es war Mitte August 2012. Sie fuhr erst einmal in den Urlaub, wollte ihren Wandmalerei trocknen lassen. Doch während sie in den Ferien war, entdeckte zufällig ein Lokalreporter ihr Werk. Der Journalist ging zunächst von Vandalismus aus, fotografierte den entstellten Heiland und untertitelte das Bild mit den Worten: "Das verzeiht nicht einmal Jesus".
Der 1903 vom spanischen Maler Elias Garcia Martinez gefertigte "Ecce Homo" war zwar kein Meisterwerk. Aber die Jesus-Darstellung der Rentnerin ähnelte nun keineswegs mehr dem Sohn Gottes, sondern eher einem Primaten. Im Sommerloch wurde ihr Restaurationsversuch zum Top-Thema der Medien. Reporter und Fernsehteams aus der ganzen Welt stürmten in das verschlafene Dorf im Nordosten Spaniens. Anfang September lachte bereits die halbe Welt über Gimenez' mittlerweile als "Ecce Monchichi" bekanntes Werk. Auf Twitter und Facebook war ihr "Affen-Jesus" wochenlang "trending topic". Cecilia selber schämte sich zutiefst. Sie meinte es doch nur gut.
Was nun mit der eigensinnigen Restauration in Latre passieren wird, muss der zuständige Bischof von Jaca entscheiden. Belagert von den Medien, schob der Immobilienmakler die Schuld bereits auf den Künstler, der eigenständig entschieden hätte, ihn als Heiligen Matthias in der Deckenmalerei darzustellen. Glaubhaft ist das allerdings nicht. Wie dem auch sei: Bürgermeister Primitivo Grasa hofft zumindest, dass seiner Ortschaft nun nicht dasselbe widerfährt wie 2012 der Kleinstadt Borja mit ihrem "Ecce Homo"-Skandal.
Aber wäre das wirklich so schlimm? Zunächst lachte die halbe Welt über das Dorf. Rückblickend betrachtet war das Kunstfiasko für die 5.000-Seelen-Gemeinde aber wie ein Sechser im Lotto. In den vergangenen zehn Jahren kamen 300.000 Touristen aus 120 Ländern nach Borja, nur um Cecilias Fresko zu sehen. Fast 450.000 Euro wurden mit Eintrittsgeldern, Souvenirs und Plakatverkäufen eingenommen. Borjas Hotel- und Restaurantbesitzer verdanken der mittlerweile verstorbenen Rentnerin nie zu erahnende Umsätze. Bereits 2016 widmete das Dorf seiner unverhofft zu Ruhm gelangten Künstlerin ein eigenes Museum, wo heute die Werke der Hobbymalerin gezeigt werden.
Auch die Dorfkirche und die katholische Sancti-Spiritus-Stiftung, die 51 Prozent an den Bildrechten des Freskos hält, freuen sich seither über sprudelnde Eintrittsgelder und Merchandising-Einnahmen. Das Bild tauchte sogar im weltberühmten Videospiel "Angry Birds" auf. 2020 waren in Japan vor allem Schlüsselanhänger mit dem süßen "Monchichi"-Jesus angesagt. Dass das Antlitz des betagten Immobilienmaklers aus Latre mit seinem blinden linken Auge es zu so viel Popularität bringen wird, ist allerdings zu bezweifeln.
(Von Manuel Meyer/APA)
Zusammenfassung
- Ein 82-jähriger Immobilienmakler aus Latre hat eigenmächtig die Deckenmalerei der San Miguel Kirche verändert, was zu Empörung unter den Dorfbewohnern führte.
- Der Fall wird mit dem 'Ecce Homo'-Skandal von Borja verglichen, der 2012 zu einem Touristenboom mit 300.000 Besuchern führte.
- Der Bischof von Jaca muss nun über das Schicksal der umstrittenen Malerei entscheiden, während der Makler die Schuld auf den Künstler schiebt.