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"Blue Box" und Co: Erinnerungen an Wiener Lokale in Buchform

Mit "Branntweiner, Blue Box und Bermuda Dreieck" hat Vanessa Wieser im von ihr geleiteten Milena-Verlag ein Buch herausgegeben, das bei so manchen Leserinnen und Lesern nostalgische Gefühle wecken und andere darüber aufklären wird, was sie wegen der späteren Geburt (oder mangels Interesse) im Wien der 1980er- und -90er versäumt haben. Denn in den Beiträgen mehrerer Autorinnen und Autoren geht es um die damals frequentierten Lokale, Beisln und Bars samt dort gespielter Musik.

Wieser selbst bezeichnet die Textsammlung als einen "in wehmütigen Erinnerungen schwelgenden Band, der den Jüngeren vermittelt, wie das damals so war, als man noch kettenrauchend mit 100 Schilling durch die Nacht kam, und den Älteren eine Freude der gemeinsamen Erinnerung ermöglicht". Die aus Oberösterreich stammende Verlegerin erinnert sich in ihrem eigenen Text an ihre Wiener Studienzeit, in der sie mit wenig Geld viel erlebte - etwa bei den damaligen "Schlagerabenden" im alten "Chelsea" (welches 1994 schließen musste und ein Jahr später in den Stadtbahnbögen neu eröffnete).

Die durchaus heterogenen und sehr vielseitig formulierten Erinnerungen der großteils der Musikszene zuzurechnenden Autoren und Autorinnen haben vielleicht nicht einen komplett gemeinsamen Nenner, dennoch lassen sich viele Gemeinsamkeiten herauslesen. Etwa das Gefühl der Freiheit, das sich bei den damals aus den Bundesländern zwecks Studium nach Wien übersiedelten Jugendlichen breitmachte. Der elterlichen Kontrolle weitgehend entzogen, konnte man endlich nach Lust und Laune weggehen, viele hier Schreibende empfanden aber auch einfach das befreiende Gefühl, endlich den konservativen Denkschemata ihrer Heimatregionen entkommen zu sein.

Für einige der hier Schreibenden war Wien damals trotz der neu gewonnenen Freiheit eine graue, zuweilen auch recht langsame Stadt. Einzelne Autoren sind natürlich schon in Wien aufgewachsen, zum Beispiel in Hietzing, wo "in die Stadt hineinfahren" als eher unüblich galt. So war es zum Teil für in Wien aufwachsende Jugendliche mitunter sogar schwieriger, in die Lokal- und Clubszene einzutauchen als für die "Zugereisten".

Was die Musikszene betrifft, so mauserte sich die Donaumetropole im beschriebenen Zeitraum nach und nach. Neue coole Bands aus dem Ausland statteten der Bundeshauptstadt ihre ersten Konzertbesuche ab, und auch im eigenen Land und der Hauptstadt fanden sich im Zeitalter von Postpunk, New Wave und Gothic manch interessante Gruppen zusammen.

Das auf den rund 200 Seiten dieses Sammelbandes am häufigsten erwähnte Lokal ist die Meidlinger Kultdisco U4 - wo man einst vom legendären Türsteher Conny durchgelassen werden musste, dann aber mit viel Glück sogar Falco als einen der Gäste sehen konnte. Musiklokale wie das Chelsea und die Blue Box sind ebenfalls so etwas wie ein gemeinsamer Nenner der meisten hier Schreibenden, zu denen neben den drei Christians (Fuchs, Schachinger und Moser-Sollmann) auch Amina Handke, Katja Gasser, Max Freudenschuß, Walter Gröbchen, Rainer Krispel und Hans Platzgumer zählen.

Neben all den Lokalen, Bars und Beisln - genannt werden etwa das Anzengruber, das Amerlingbeisl oder das Café Europa, kommen auch Plattenläden in den meisten hier geschilderten Erinnerungen vor, allen voran das Why Not, das Rave Up und der Black Market. Als Musiker und Gruppen, die man damals gerne gehört und im Idealfall auch einmal in Wien live gesehen hat, werden u.a. Nick Cave, The Cure, Nirvana, die Einstürzenden Neubauten, die Toten Hosen und The Jesus and Mary Chain genannt.

Und was ist mit den neben der Blue Box genannten Branntweinern und dem Bermuda Dreieck? Erstere, auch "Brandinesa" genannt und auch in der Bundeshauptstadt inzwischen rar geworden, sind die legendären Branntweinstuben, in denen auch manche Autorinnen und Autoren dieses Bandes so manch langen Fortgehabend ausklingen ließen. Die Lokale des Bermuda Dreiecks in der Gegend um den Schwedenplatz, die eher als "Schickimicki" zu bezeichnen sind, hat hingegen kaum jemand der hier Schreibenden von innen gesehen - naheliegend scheint daher, dass sie es nur zur Erfüllung des Stabreims in den Titel geschafft haben.

(S E R V I C E - Vanessa Wieser (Hg.): "Branntweiner, Blue Box und Bermuda Dreieck. Unterwegs im Wien der 80er und 90er", Milena-Verlag, 204 Seiten, 24 Euro)

ribbon Zusammenfassung
  • Vanessa Wiesers Buch 'Branntweiner, Blue Box und Bermuda Dreieck' bietet auf 204 Seiten nostalgische Erinnerungen an Wiener Lokale der 1980er- und 1990er-Jahre, darunter die Kultdisco U4 und das Chelsea.
  • Die Textsammlung schildert das Gefühl der Freiheit, das viele Jugendliche in Wien erlebten, und beschreibt die Entwicklung der Musikszene mit Auftritten von Bands wie Nick Cave und Nirvana.
  • Neben den Lokalen thematisiert das Buch auch Plattenläden wie Why Not und Rave Up, während das Bermuda Dreieck eher als stilistisches Element im Titel dient.