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Anna Boghiguian lädt im KUB zum Spiel der Könige

"Period of Change" ist der Titel der neuen Ausstellung der in Ägypten geborenen Anna Boghiguian im Kunsthaus Bregenz (KUB). Die weit gereiste Weltbürgerin konfrontiert die Besucher mit der Geschichte von Revolutionen in Frankreich und der Sowjetunion, mit der Historie Österreichs, Nazideutschlands und Ägyptens. Dazu stellt sie Figuren, die diese Zeiten prägten, unter anderem auf ein spiegelndes Schachbrett. Die Schau ist bis 22. Jänner 2023 zu sehen.

Die gezeigten Arbeiten entstanden alle für oder in Bregenz, so KUB-Direktor Thomas D. Trummer am Donnerstag bei einer Presseführung. Die Arbeiten lassen einen tief eintauchen in die Geschichte bzw. die überraschenden Verbindungen ihrer Figuren, die Boghiguian zeichnerisch herausarbeitet. "Kunst hält dich am Leben und heilt deine Seele", so die bodenständige Künstlerin vor ihrem Werk "The Uprising". Zwei von der Decke gespannte bunte Segel wehen im Ventilator-Wind. Wie rote Adern durchziehen den Stoff gedoppelte Darstellungen protestierender Menschen, alles scheint in Bewegung zu sein und das schon immer. Komplettiert wird das Werk von baumelnden Darstellungen intellektueller Köpfe, die die Umstürze stets voraus- und darüber nachdachten.

Im ersten Stock hat die 1946 in Kairo geborene Künstlerin mit armenischen Wurzeln ein Schachbrett aufgestellt, das bereits in Teilen im Frühjahr 2022 bei der Ausstellung "KUB in Venedig" anlässlich des 25-jährigen Jubiläums zu sehen war. In einem Atelier im Postgebäude in Bregenz erweiterte Boghiguian binnen mehrerer Wochen das Figurenarsenal: nun stehen einander Marie Antoinette, vielmehr ihr Friseur und ihre Schneiderin, Maria Theresia, Thronfolger Franz Ferdinand, Bertha von Suttner, Felix Salten und Stefan Zweig, Josephine Baker, Jean-Jacques Rousseau oder Ludwig Wittgenstein gegenüber, andere Persönlichkeiten hängen schwebend über dem "Chess Game" (2022).

Besonders angetan hat es der Künstlerin der österreichische SS-Arzt Aribert Heim, der nach Ägypten floh. Er und seine schönen Zähne durchziehen die Ausstellung, für die Boghiguian intensive Recherchen anstellte. Für die serielle Arbeit "Time of Change" arrangierte sie 96 Zeichnungen zu einer dicht erzählten, ausschnitthaften Weltgeschichte. Einige der Bilder zeigen Heims Unterkunft in Kairo, andere entstanden während eines Aufenthalts in Versailles, dazu gibt es Szenen aus Konzentrationslagern, von der Haitianischen und der Russischen Revolution. Die Zeichnungen wirken wie im Moment festgehaltene Ausbrüche eines stetig fließenden Bewusstseinsstroms, in dem alles mit allem in Verbindung steht, sich gegenseitig beeinflusst, seinen Schatten wirft. Boghiguians zeichnerisches Erzählen sickert wie Wasser durch tiefe Schichten, ihre Tinte und Wasserfarben durchdringen das Papier, der Bleistift drückt die Ereignisse zugleich ein und aus.

Im obersten Stock des KUB wird es nahezu beklemmend, denn man wird selbst Teil der Geschichte, die die Künstlerin erzählt. Durch das abgedunkelte Stockwerk dröhnen Explosionsgeräusche, Gesang umfängt einen. Es huschen farbige Lichtkegel wie Suchscheinwerfer über eine rotierende runde Spiegelfläche. Darauf, wie mit dem Finger geschrieben, Botschaften und verstreute Dokumente. An der Decke hängt eine Guillotine und eine Stimme rezitiert aus dem Off einen Text der Künstlerin, der sich von der französischen Revolution, über Russland bis zu Aribert Heims Zeit in Kairo erstreckt. "Dive into the Dark Dive Box" nennt die Künstlerin diese Arbeit. Man müsse eintauchen in das, was politisch passiere - damals wie heute, so ihre Einladung.

(S E R V I C E - Ausstellung "Period of Change" von Anna Boghiguian von 22. Oktober 2022 bis 23. Jänner 2023, Eröffnung am 21. Oktober, 19.00 Uhr; www.kunsthaus-bregenz.at)

ribbon Zusammenfassung
  • "Period of Change" ist der Titel der neuen Ausstellung der in Ägypten geborenen Anna Boghiguian im Kunsthaus Bregenz (KUB).
  • Die Arbeiten lassen einen tief eintauchen in die Geschichte bzw. die überraschenden Verbindungen ihrer Figuren, die Boghiguian zeichnerisch herausarbeitet.
  • Im obersten Stock des KUB wird es nahezu beklemmend, denn man wird selbst Teil der Geschichte, die die Künstlerin erzählt.