Friedensnobelpreis-Trägerin: "Wundert mich nicht, dass Putin glaubt, damit durchzukommen"
Friedensnobelpreisträgerin Jody Williams hat zusammen mit anderen Friedensnobelpreisträgerinnen die "Nobel Women's Initiative" gegründet, reiste nach Polen und in die Ukraine und sprach mit geflüchteten Frauen und Binnenvertriebenen. Eine der fünf Heldinnen der Dokumentation, die so zustande kam, ist die Menschenrechts-Juristin Oleksandra Matviichuk, Gründerin des Center for Civil Liberties, die für ihre Arbeit den alternativen Friedensnobelpreisträgerin verliehen bekam.
Russen begehen Gräueltaten, "weil sie es konnten"
Russland habe "furchtbare, furchtbare Gräueltaten begangen", sagt Matviichuk beim 4GAMECHAGERS Festival. Sie persönlich habe mit hunderten Überlebenden von russischer Gefangenschaft gesprochen. Sie hören von Betroffenen, dass sie in Holzboxen gequetscht wurden, ihnen die Finger abgeschnitten, die Nägel ausgerissen, sie mit Strom gefoltert oder vergewaltigt wurden. "Es gibt keine Rechtfertigung für solche Handlungen. Die Russen haben solch schreckliche Dinge verbrochen, weil sie es konnten."
Die Menschenrechts-Anwältin beschäftigt sich bereits seit 2014, seit Russland die Krim okkupierte, mit Fällen dieser Art. "Putin hat nicht Angst vor der NATO, Putin hat Angst vor der Vorstellung der Freiheit." Es gehe nicht um einen Krieg zwischen zwei Staaten, sondern um einen Krieg zwischen Totalitarismus und Demokratie. "Putin versucht jetzt die gesamte Welt davon zu überzeugen, dass Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechte falsche Werte sind", weil sie die Ukraine nicht hätten schützen können. Statt Putin zu glauben, müssen "wir, die internationale Staatengemeinschaft, reagieren und Putin und andere Kriegsverbrecher zur Rechenschaft ziehen", verlangt die Juristin.
Jody Williams bestürzt es "immer noch, dass Menschen die Fähigkeit haben, so brutal gegenüber anderen zu sein." Daran ändern werde sich nur etwas, "wenn wir aufstehen und etwas tun", das sei keine Magie. "Ich gebe es ehrlich zu, ich mag die meisten Menschen nicht, trotzdem glaube ich an die Menschheit."
Warum Vergewaltigung so effektiv ist
"Sexuelle Gewalt ist eines der verstecktesten Verbrechen", erklärt Matviichuk. Überlebende schämen sich, Familien und Nachbarn fühlen sich schuldig, weil sie es nicht verhindern konnten, der Rest der Gemeinschaft fürchtet sich, weil ihnen ähnliches passieren könnte. Vergewaltigung sei ein effektives Mittel, um Gemeinschaften zu brechen.
Er hat "mich vergewaltigt", er ist schuld
Vergewaltigungsopfer müssen mutig sein, aufstehen und sagen, was ihnen passiert ist, damit die Täter zur Rechenschaft gezogen werden können. "Als ich missbraucht wurde, habe ich mich nicht gefragt, was ich verbrochen habe", erzählt die Friedensnobelpreisträgerin. Sie habe die Schuld beim Täter gesucht. "Er hat seine Hosen hinuntergelassen und mich vergewaltigt. Warum sollte ich die Verantwortung übernehmen?" Opfer sollten sich weder schämen, noch verantwortlich gemacht werden. Stattdessen sollten die Männer zur Verantwortung gemacht werden. "Sie kommen damit davon, weil sie nicht bestraft werden", klagt Williams an.
Internationale Staatengemeinschaft zu feige
Sie wundere es nicht, dass Putin glaubt, mit seinen Taten durchzukommen. Bisher sei er für seine vielen Verbrechen noch nicht angeklagt worden, er sei mit allem bisher durchgekommen. "Niemand" in der internationalen Staatengemeinschaft "war mutig genug, aufzustehen und zu handeln". Wäre das passiert, hätte er sich nie getraut, in der Ukraine einzufallen. Es gebe kein Gericht, dass Putin verfolgen könne, außer man setze ein Sondertribunal ein, verlangt auch Matviichuk. Das müsse jetzt passieren.
Zusammenfassung
- Zwei Nobelpreis-Trägerinnen, eine Mission: Für die (sexuellen) Gräueltaten, die die Russen begehen, sollen sie geradestehen.
- Für Kriegsverbrecher Putin verlangen sie ein Sondertribunal und klagen auch die internationale Staatengemeinschaft an.
- Hätten sie ihn früher angeklagt, hätte er nie geglaubt, mit dem Einfall in der Ukraine durchzukommen.