Olena Selenska: "Humor rettet"
Wie viele Glühbirnen waren wohl notwendig, um London am Krönungswochenende so schön zu erleuchten, fragte sich Olena Selenska als sie Anfang Mai durch die erstrahlende Stadt spazierte. Aus Kiew ist es die ukrainische First Lady gewöhnt, dass Blackouts die Stadt immer wieder in Dunkelheit versetzen. Auch feiernde und fahnenschwingende Menschen sieht sie zu Hause nicht. Und trotzdem will sie am Ende es Wochenendes nur zurück in ihre Heimat. Zurück in die mittlerweile fast gewohnte Situation. In das Land, das sich seit 24. Februar 2022 im Krieg befindet.
Zeugin des Kriegs
Selenska, Ehefrau des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj, hatte ihren Mann bei der Krönung von König Charles III. in London vertreten. Immer öfter geht sie seit dem letzten Jahr dessen diplomatischen Verpflichtungen nach, während er den Krieg gegen den russischen Angreifer führt. "Ich bin froh, als Zeugin allen davon erzählen zu können, was in der Ukraine vor sich geht", sagt sie im Interview mit PULS 24 Infochefin Corinna Milborn. Am Mittwoch war sie am 4GAMECHANGERS Festival per Videoschalte zu Gast.
Leben im Wartezustand
Das in London Erlebte war ungewöhnlich, "aber ich verstehe, dass man das Leben nicht auf die Zukunft verschieben kann, nur weil es in der Ukraine Krieg gibt", sagt die 45-Jährige. Über ein Leben, das angehalten wird, spricht sie oft im Interview. Sie erzählt von ihrem eigenen, von dem ihrer zwei Kinder – und von so vielen anderen Kindern in der Ukraine. "Sie müssen auf das Ende des Krieges warten, erst dann können sie wieder ihr Leben planen", sagt Selenska.
Ich verstehe, dass man das Leben nicht auf die Zukunft verschieben kann, nur weil es in der Ukraine Krieg gibt
Wollte nie flüchten
Die Frage, ob sie das Land verlässt, habe sich nie gestellt. Gemeinsam mit ihrer 18-jährigen Tochter und dem 10-jährigen Sohn ist sie in Kiew geblieben. "Es wäre für mich unerträglich, so weit weg zu sein von meinem Mann. Und dass er bleibt, war hundertprozentig klar", sagt sie. Doch auch im selben Land sind gemeinsame Treffen kompliziert und daher selten. "Wir leiden sehr darunter", sagt sie.
"Humor rettet in jeder Situation"
Bevor Olena Selenska 2019 First Lady der Ukraine wurde, war sie als Drehbuchautorin für Komödien tätig. Gemeinsam mit ihrem Ehemann hat sie eine Produktionsfirma betrieben. Alle Ukrainer scherzen gerne, erzählt sie im Interview. Auch jetzt während des Kriegs: "Humor rettet in jeder Situation des Lebens", sagt sie. Unterhaltung gibt die Möglichkeit, ein wenig von der schrecklichen Realität wegzuschauen.
Zerbombte Spitäler
Weg sieht sie als First Lady aber nur selten. Im September 2022 hat sie eine gemeinnützige Stiftung gegründet, mit der sie Menschen in der Ukraine helfen möchte. Eines der größten Probleme seien die zerstörten Spitäler und Ambulatorien. Das Krankenhaus in der Stadt Isjum wurde komplett zerbombt und "trotzdem arbeiten dort mutige Ärztinnen und Ärzte weiter", betont sie. Um diese Infrastruktur wieder aufzubauen, sammelt sie nun Spenden.
Kinder können kaum zur Schule
Auch Kindern soll ihre Stiftung helfen. "Besonders die Bildung leidet in der Ukraine", sagt sie. Kinder dürfen nur dann in einer Schule unterrichtet werden, wenn diese über einen Schutzraum verfügt. Einen solchen haben aber nur die Hälfte der Schulen. Die restlichen Kinder müssen online lernen. Dafür fehlen aber Notebooks und Tablets.
"Werden nicht kapitulieren"
Wie sie mit solchen Herausforderungen umgeht? "Manchmal suchen wir uns unsere Wege im Leben nicht aus, deshalb versuche ich, nach meinen Kräften zu agieren", sagt sie. Als moderner Mensch verstehe sie nicht, wie jemand so heimtückisch angreifen könne. "Ich werde mich bis zum Schluss verteidigen. Und ich glaube, dass dieses Gefühl bei allen Ukrainern da ist. Wir werden nicht kapitulieren."
Das 4GAMECHANGERS Festival 2023 von 15. bis 17. Mai LIVE in der MARX HALLE Wien, im TV auf PULS 24, im ORF und der Streaming App Joyn
Zusammenfassung
- Olena Selenska, die First Lady der Ukraine, spricht am 4GAMECHANGERS Festival über die Situation in der Ukraine, das Warten auf Alltag und ihre Versuche den Menschen im Kriegsland zu helfen.