Erdbebenkatastrophe
Türkei: 400.000 Menschen leben noch in Containern
Am 6. Februar 2023 erschütterte um 4.17 Uhr ein Beben der Stärke 7,7 den Südosten der Türkei und Nordsyrien. Um 13.24 Uhr folgte ein zweites Beben der Stärke 7,6. Insgesamt waren elf türkische Provinzen betroffen auf einer Fläche etwa so groß wie Griechenland.
53.737 Menschen starben laut offiziellen Zahlen, 107.213 wurden verletzt. "Die Erdbeben hatten die 2.000-fache Kraft der Atombombe, die auf Hiroshima abgeworfen wurden", teilte Afad mit.
"Nur 31 Prozent der versprochenen Wohnungen fertiggestellt"
Auf 1.900 Baustellen sind laut Regierungsangaben derzeit 182.000 Arbeiter beschäftigt. 200.000 Wohnungen oder Gewerbeeinheiten wurden bisher übergeben. "Zwei Jahre nach den Erdbeben wurden nur 31 Prozent der versprochenen Wohnungen fertiggestellt", sagte Sinem Kolgu von der Bauingenieurskammer.
Einige Kritiker empfinden das als zu wenig, andere kritisieren die Geschwindigkeit, mit der die Gebäude hochgezogen werden. Um möglichst schnell zu bauen, würden Betonmischanlagen in die Nähe von Unterkünften gebaut und Menschen damit einer gesundheitsgefährdenden Staubbelastung ausgesetzt, hieß es von der Türkischen Ärztekammer.
Andere fürchten, bei der Geschwindigkeit könnten Baumängel übersehen werden.
Video: Türkei und Syrien: Jahrestag des schweren Erdbebens
Kritik üben viele auch an der juristischen Aufarbeitung der Katastrophe. Für die hohe Opferzahl machen Experten erhebliche Baumängel an den Gebäuden verantwortlich. Die Regierung geriet wegen fehlender Kontrolle in die Kritik.
-
Mehr lesen: Baustelle zwei Jahre nach Erdbeben in Türkei
Bisher seien 149 Prozesse abgeschlossen und gegen 189 Angeklagte unterschiedliche Gefängnisstrafen und Urteile verhängt worden, berichtete die Nachrichtenagentur Anka unter Berufung auf das Justizministerium. Gegen 1.850 Angeklagte liefen noch Prozesse. Viele weitere seien auch nach zwei Jahren nicht aufgenommen worden, kritisieren Beobachter.
Experte erwartet Hunderttausende Tote bei Istanbul-Beben
Unterdessen warnen Experten davor, dass die Erde rund um die Millionenmetropole Istanbul bald beben könnte - mit voraussichtlich verheerenden Folgen. Die Erdbebenwarte Kandilli gibt die Wahrscheinlichkeit für ein Beben mit einer Stärke über 7 bis zum Jahr 2030 mit 60 Prozent an. Auf diese bevorstehenden Beben sei die Türkei weiterhin nicht vorbereitet, so das Urteil von Fachleuten.
In Istanbul seien 100.000 Gebäude stark einsturzgefährdet, "es werden Hunderttausende umkommen", sagte der Erdbebenforscher Naci Görür der Deutschen Presse-Agentur.
Auch Geologieprofessor Sükrü Ersoy erklärte, dass viele Gebäude, die bei einem schweren Erdbeben einstürzen würden, bisher nicht aufgerüstet worden seien. Ebenso sagte der türkische Städtebauminister Murat Kurum, Istanbul werde einem Erdbeben nicht standhalten.
Zusammenfassung
- Zwei Jahre nach den verheerenden Erdbeben in der Türkei leben noch immer 400.000 Menschen in Containern. Die Beben der Stärke 7,7 und 7,6 im Februar 2023 forderten 53.737 Menschenleben und verletzten 107.213 Personen.
- Trotz des Einsatzes von 182.000 Arbeitern auf 1.900 Baustellen wurden erst 31% der versprochenen Wohnungen fertiggestellt. Kritiker bemängeln die Geschwindigkeit und Qualität des Wiederaufbaus.
- Experten warnen vor einem möglichen Erdbeben in Istanbul mit einer 60%igen Wahrscheinlichkeit bis 2030. Viele Gebäude sind stark einsturzgefährdet, was Hunderttausende Opfer zur Folge haben könnte.