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Physiker züchten "heiße Schrödinger-Katzen" im Labor

04. Apr. 2025 · Lesedauer 4 min

Es ist das bekannteste Gedankenexperiment aus der eigenwilligen Quantenphysik-Welt: die "Schrödinger-Katze", deren Zustand zwischen Tod und Leben so lange in der Schwebe ist, bis jemand nachsieht. Um so einen Überlagerungszustand herzustellen, müssen die kleinteiligen Quantensysteme bis knapp an den absoluten Nullpunkt herangeführt werden. Innsbrucker Physikern ist es nun gelungen, sogenannte "heiße Schrödinger-Katzen" zu realisieren - die freilich immer noch sehr kalt sind.

Die Wellenfunktion ist von zentraler Bedeutung in der Quantenmechanik. Sie erlaubt die genaue Berechnung des Verhaltens von Quantenobjekten. Doch dieses entspricht mitunter nicht der Alltagserfahrung: Denn in der Quantenwelt können Teilchen an zwei Orten zur gleichen Zeit sein oder sich in anderen ihrer Eigenschaften überlagern - die Physiker sprechen von "Superposition".

Die berühmteste Beschreibung dieses besonderen Zustandes lieferte der österreichische Physiker Erwin Schrödinger (1887-1961): In seinem Gedankenexperiment sitzt eine Katze in einer Kiste mit einer Apparatur, die mit 50-prozentiger Wahrscheinlichkeit zum Tod des Tiers führen kann. Die Wellenfunktion würde den Zustand der Katze als Superposition beschreiben, also gleichzeitig tot und lebendig. Nur wenn die Box geöffnet, also eine Messung vorgenommen wird, ist es möglich, den Zustand des Tieres festzustellen. Damit aber die Wellenfunktion so prominent hervortritt, braucht es besondere Vorkehrungen.

Für sein im Fachmagazin "Science Advances" vorgestelltes Experiment greift das Team um Gerhard Kirchmair und Oriol Romero-Isart vom Institut für Experimentalphysik der Uni Innsbruck und dem Institut für Quantenoptik und Quanteninformation (IQOQI) der Akademie der Wissenschaften (ÖAW) auf einen elektromagnetischen Resonator zurück, in den ein Quanteninformationsträger - hier ein Quantenbit, in den Strom verlustfrei fließen kann - eingebaut ist. In diesem speziellen System kann das elektrische Feld im Resonator dazu gebracht werden gleichzeitig mit zwei Phasen zu schwingen, vereinfacht gesagt, gleichzeitig in die "eine und in die andere Richtung zeigen", wie Kirchmair gegenüber der APA erklärte.

Löst Wärme speziellen Zustand immer auf?

Um aber eine solche "Katze" tatsächlich zu erzeugen, muss der Aufbau auf 20 Millikelvin - also fast 0 Grad Kelvin und damit knapp über den absoluten Nullpunkt bei minus 273,15 Grad Celsius - abgekühlt werden. Dann ergeht eine exakt festgelegte Abfolge an Signalen an das System, "um den Katzenzustand herzustellen - so ungefähr wie bei einem sehr genauen Kochrezept", so Kirchmair.

Er und der seit kurzem am Institute of Photonic Sciences in Barcelona tätige Romero-Isart wollten nun aber wissen, ob das auch bei deutlich höheren - freilich aber immer noch extrem niedrigen Temperaturen - möglich ist. Dass das funktioniert, lag keineswegs auf der Hand, da höhere Temperaturen die fragilen Quantenzustände in der Regel zum Verschwinden bringen, und sich die Systeme dann nach den bekannten Regeln der klassischen Physik verhalten. Im Fall der "Schrödinger-Katze" wäre diese dann entweder tot oder am Leben - die Superposition aufgelöst.

"Heiße Schrödinger-Katzenzustände" werden möglich

Das Team zeigte jetzt aber, dass "heiße Schrödinger-Katzenzustände", wie sie in der Arbeit heißen, auch bei 60-fach höheren Temperaturen als bisher in dem berühmten Schwebezustand gehalten werden können. Damit das funktioniert, muss der Quantenschaltkreis mit modifizierten Kontrollsignalen dazu gebracht werden, den Katzen-Zustand auch dann einzunehmen, wenn der Resonator künstlich aufgewärmt wird, so Kirchmair.

Letztlich gelang es den Forschern, die Überlagerungen bei Temperaturen von bis zu 1,8 Kelvin (minus 271,35 Grad Celsius) zu erzeugen. Das könnte es künftig deutlich erleichtern, solche Superpositionen auch in anderen Systemen herzustellen, wo ein Kühlen in Richtung 0 Grad Kelvin besonders schwierig ist. Laut Kirchmair gibt es bei heißen Schrödinger-Katzen noch Luft nach oben. Denn: "Die Speicherzeit des Resonators sagt uns, wie warm wir werden können, bevor es nicht mehr funktioniert."

(S E R V I C E - https://dx.doi.org/10.1126/sciadv.adr4492)

Zusammenfassung
  • Innsbrucker Physiker haben es geschafft, 'heiße Schrödinger-Katzen' bei Temperaturen von bis zu 1,8 Kelvin zu erzeugen, was 60-fach höher ist als bisher möglich.
  • Das Experiment verwendet einen elektromagnetischen Resonator und ein Quantenbit, um Superpositionen bei höheren Temperaturen zu ermöglichen.
  • Diese Entdeckung könnte die Herstellung von Superpositionen in anderen Systemen erleichtern, wo das Kühlen auf nahezu 0 Grad Kelvin schwierig ist.