EU-Rechnungshof kritisiert intransparente EU-Gelder für NGOs
"Transparenz ist entscheidend, um eine glaubwürdige Beteiligung von NGOs an der Politikgestaltung der EU sicherzustellen", so Laima Andrikienė, das für den Bericht zuständige ERH-Mitglied. "Zwar wurden seit unserer letzten Prüfung einige Fortschritte erzielt, doch ergibt sich weiterhin nur ein unscharfes Bild, welche Summen an NGOs fließen, da die Informationen über die EU-Mittel - auch die für Lobbying - weder zuverlässig noch transparent sind."
NGOs und andere Organisationen der Zivilgesellschaft sollten die Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger am demokratischen Willensbildungsprozess in der EU sicherstellen. Um öffentliche Entscheidungsträger zur Rechenschaft ziehen zu können, müssten die Bürger aber wissen, an wen EU-Mittel fließen, wie sie verwendet werden und ob die Empfänger die Werte der EU achten. Seit dem "Katargate"-Skandal im Jahr 2022, bei dem Mitglieder des EU-Parlaments der Bestechung beschuldigt wurden, sei das öffentliche Interesse an Transparenz gewachsen.
Zwischen 2021 und 2023 hätten NGOs in zentralen Politikbereichen der EU wie Kohäsion, Forschung, Migration und Umwelt 7,4 Milliarden Euro erhalten - davon 4,8 Milliarden Euro von der EU-Kommission und 2,6 Milliarden Euro von den Mitgliedstaaten. Der ERH kritisiert, dass es keinen zuverlässigen Überblick über diese EU-Mittel gebe. Es sei daher nicht vollständig klar, welche Rolle NGOs in der EU-Politik spielten. So können NGOs einerseits Zuschüsse für die Durchführung von Projekten erhalten. Aufgrund ihres speziellen Status können ihnen aber auch Zuschüsse zur Deckung eines wesentlichen Teils ihrer Betriebskosten gewährt werden. Zwischen 2021 und 2023 erhielten mehr als 12.000 NGOs laut ERH-Bericht solche EU-Hilfen.
Zwar habe die EU-Kommission Fortschritte bei der Sammlung von Informationen über die an NGOs gezahlten EU-Gelder gemacht, doch hapere es weiter an deren Offenlegung. Außerdem würden die EU-Länder weder nachverfolgen, in welcher Höhe EU-Mittel an NGOs gezahlt werden, noch darüber Bericht erstatten. Und auch durch die für die Zukunft erwarteten strengeren Auflagen würden sie nicht dazu verpflichtet. Zudem gebe es keine EU-Definition von NGOs, und nur selten sei eine Definition in nationalen Gesetzen verankert.
Österreich und meiste EU-Länder haben keine Definition von NGOs
Auch Österreich hat keine eigene Definition von NGOs. Damit die Union der Öffentlichkeit verlässliche und zeitnahe Informationen über die Förderung von NGOs durch EU-Mittel und deren Verwendungszweck geben kann, bedarf es allerdings einer einheitlichen Definition, fordern die Luxemburger Prüfer von der Brüsseler Behörde. Der Europäische Rechnungshof empfiehlt der Kommission weiters, die Leitlinien für die Einstufung als NGO sowie die Qualität der Informationen über EU-Ausgaben im Finanztransparenzsystem zu verbessern. Weiters wird sie aufgefordert, die Einhaltung der Werte der EU verstärkt zu überprüfen.
Österreich befand sich nicht unter den drei für diesen Bericht genau geprüften Mitgliedsstaaten. Allerdings befanden sich zwei österreichische NGOs in der Stichprobe von 90 Organisationen, die EU-Gelder erhielten und vom Rechnungshof auf ihre Transparenz geprüft wurden. Die österreichischen NGOs erhielten Mittel aus Erasmus+ bzw. aus dem Citizens, Equality, Rights and Values Programm (CERV). Sie erreichten einen Transparenzwert von 65 und 60 Punkte auf einer 100 Punkte Skala. Dieser Wert liegt leicht über dem Durchschnittswert von 55 Punkten für die gesamte Stichprobe. Wie der überwiegende Teil der Stichprobe verfügten die beiden NGOs über keine zertifizierte Transparenzbescheinigung.
Kommission betont: NGO müssen gleiche Fördervoraussetzungen erfüllen
"Wenn es um den Erhalt von EU-Mitteln geht, unterscheiden sich NGOs nicht von anderen Antragstellern", betonte die EU-Kommission in einer Stellungnahme an den ERH. Sie müssten die notwendigen Fördervoraussetzungen erfüllen - der NGO-Status bringe keine Vorzugsbehandlung mit sich und sei auch kein Förderkriterium, abgesehen von einigen wenigen, sehr spezifischen Fällen. Die Kommission habe keine Anhaltspunkte, dass der NGO-Status mit einem besonderen (oder höheren) Risiko für den EU-Haushalt im Vergleich zu anderen Empfängern von EU-Mitteln verbunden wäre.
Kritisch sieht es hingegen EU-Abgeordneter Alexander Bernhuber (ÖVP): "Der heute veröffentlichte Bericht des Europäischen Rechnungshofs bestätigt jetzt auch offiziell unseren bisherigen Verdacht: Es gibt wenig bis keine Transparenz bei der Vergabe von unseren Steuergeldern an NGOs. Nun braucht es dringend neue Regelungen bei NGO-Verträgen, die auf die Kritik des Rechnungshofes und der EU-Abgeordneten eingehen: Offenlegung aller Verträge zwischen EU-Institutionen und NGOs, ein Verbot von Lobbying gegen EU-Abgeordnete und EU-Kommission sowie volle Transparenz bei den Finanzen von NGOs, die mit Steuergeld gefördert werden."
Lena Schilling (Grüne) bekräftigte die Forderung nach mehr Transparenz bei der Vergabe von EU-Geldern. "Diese Regeln sollten jedoch nicht nur für NGOs, sondern auch für die Industrie und Agrar-Lobbys gelten", so Schilling in einer Mitteilung. NGOs hätten nämlich auch die Rolle, Vorgänge im Rahmen der Lobbying-Aktivitäten etwa von Industrie und Agrarsektor aufzudecken, betonte sie. Heftige Kritik übte Schilling an dem Ansinnen ihres ÖVP-Kollegen: "Die Forderung des Kollegen Bernhuber nach einem Lobbyverbot für NGOs kommt einem Mundtotmachen der Zivilgesellschaft gleich und steht auch nicht in den Empfehlung des Rechnungshofs."
FPÖ-Europaparlamentarier Roman Haider beklagte seinerseits den im Bericht offenbarten "Sumpf": "Es ist höchst an der Zeit, diesen Sumpf endlich trockenzulegen", forderte er in einer Aussendung. Es müsse klare Kriterien dafür geben, was eine NGO ist, und mehr Transparenz über deren Hintergründe. "Es ist insgesamt erschreckend zu sehen, wie sorglos in diesem Bereich mit öffentlichen Geldern umgegangen wird", stellt Haider fest. "Gerade in Zeiten knapper Mittel sind Transparenz und genaue Überprüfungen geboten."
Zusammenfassung
- Der Europäische Rechnungshof kritisiert die mangelnde Transparenz bei der Vergabe von EU-Geldern an NGOs, die zwischen 2021 und 2023 insgesamt 7,4 Milliarden Euro erhielten.
- Von den 7,4 Milliarden Euro wurden 4,8 Milliarden von der EU-Kommission und 2,6 Milliarden von den Mitgliedstaaten bereitgestellt.
- Österreichische NGOs erhielten ebenfalls EU-Gelder und schnitten mit Transparenzwerten von 65 und 60 Punkten leicht über dem Durchschnitt ab.
- Der Bericht bemängelt das Fehlen einer einheitlichen EU-Definition für NGOs, was die Transparenz der Mittelvergabe erschwert.
- EU-Abgeordnete fordern strengere Regelungen und volle Transparenz bei der Vergabe von EU-Geldern an NGOs, um Missbrauch zu verhindern.