"Desaster": Wie es zum Erdbeben in Marokko kam
Marokko liegt auf der sogenannten Afrikanischen Platte, die weltweit eine der größten Kontinentalplatten ist. Dem Seismologen Torsten Dahm vom Geoforschungszentrum Potsdam (GFZ) zufolge gibt es in der betroffenen Region besonders viele geologische Schwächezonen in der Erdkruste, die unter Umständen aktiviert werden können - sogenannte Verwerfungen. "Jedes Erdbeben findet auf einer Verwerfung statt", erklärte der Wissenschaftler.
Schollen bewegten sich ruckartig
Beim Erdbeben in Marokko hätten sich Schollen der Afrikanischen und der Eurasischen Platte, die nördlich davon liegt, ruckartig gegeneinander bewegt. Das Zusammenstoßen an sich ist nach Angaben von Dahm ein ständiger und langsamer Vorgang, der dazu führt, dass die Platten sich verbiegen und Spannung aufbauen. Diese könne sich wie in der Nacht zum Samstag ruckartig entladen.
Erdbeben ähnlich dem in Marokko ereignen sich dem Seismologen Fabrice Cotton vom GFZ zufolge weltweit etwa zehnmal pro Jahr. Nach GFZ-Daten hatte es eine Stärke von 6,9. "Für Marokko war es das größte Erdbeben des 20. und 21. Jahrhunderts", sagte der Wissenschaftler.
1960 starben 12.000 Menschen
Gemessen an der Zahl der Toten, die bis Samstagmittag bekannt waren, sei es bisher aber nicht das zerstörerischste: "Das Erdbeben von Agadir im Jahr 1960 hat 12.000 Menschen getötet." Dieses Erdbeben hatte Cotton zufolge eine Stärke von 5,8.
Bereits ein "Desaster"
Trotzdem sei das jüngste Erdbeben bereits ein "Desaster", auch wenn es nicht das gleiche Ausmaß wie das schwere Erdbeben in der Türkei und in Syrien von Anfang Februar habe. Die Länder wurden damals von einem Erdbeben mit einer Stärke von 7,8 getroffen - allein in der Türkei kamen dabei mehr als 50.000 Menschen ums Leben. Cotton zufolge gibt es in Marokko kein offizielles Warnmeldesystem für Erdbeben. Die einzige Möglichkeit, um Menschen zu schützen, bestehe aber ohnehin darin, erdbebensichere Gebäude zu bauen. "Es sind die Gebäude, die die Menschen töten, nicht das Erdbeben an sich."
Der Regionalleiter des marokkanischen Kulturministeriums, Hassan Hernan, bestätigte am Samstag, dass die Gebäude der Medina von Marrakesch teilweise beschädigt worden seien. Einige der historischen Gebäude wiesen Risse auf. "Das Bild wird erst in 48 Stunden vollständig sein, aber sicher ist, dass der Schaden an wichtigen historischen Stätten in der Altstadt bisher gering ist", sagte Hernan.
Die meisten Schäden und Toten dürften aber außerhalb der großen Städte zu beklagen sein. Das Beben hatte sein Epizentrum im Atlasgebirge. Neben der Stadt Marrakesch sind vor allem die Provinzen und Präfekturen Al Haouz, Ouarzazate, Azilal, Chichaoua und Taroudant im Atlasgebirge und der angrenzenden Wüste betroffen. Selbst in der Küstenstadt Agadir sind aber schwere Schäden und mindestens fünf Menschenleben zu beklagen.
Österreich will helfen
Bundeskanzler Karl Nehammer, Innenminister Gerhard Karner sowie Verteidigungsministerin Klaudia Tanner (alle ÖVP) drückten am Samstag in einem gemeinsamen Statement ihre Betroffenheit über das Beben aus. "Katastrophen, wie diese, erfordern internationale Solidarität und Unterstützung. Österreich wird jederzeit helfen, wo in den Katastrophengebieten Marokkos Hilfe benötigt wird", wurde Nehammer zitiert. "Innen- und Verteidigungsministerium treffen derzeit alle Vorkehrungen, um zu unterstützen, sobald eine entsprechende Anforderung kommt", sagte Nehammer.
Zusammenfassung
- Über 1.000 Menschen starben, über 1.200 wurden verletzt. Das Beben war in einem Radius von über 400 Kilometern zu spüren.
- "Für Marokko war es das größte Erdbeben des 20. und 21. Jahrhunderts", sagt Seismologe Torsten Dahm.
- Der Experte erklärt, wie es dazu kommen konnte.