Blauer Zyklus ohne Gegenwehr
Geschichte wiederholt sich bekanntlich. Das trifft auch auf Parteigeschichte zu – zumindest, was die FPÖ angeht. Die Partei klettert in regelmäßigen Abständen auf bis zu 30 Prozent, um dann aus Eigenverschulden – entweder durch Korruption oder Parteispaltung oder eine Kombination aus beidem – wieder auf unter 15 Prozent abzustürzen.
Drei Jahre nach Ibiza geht es für die Freiheitlichen derzeit wieder steil nach oben. Die Vergangenheit scheint vergessen, die Partei ist Richtung 30 Prozent unterwegs. In Niederösterreich wurden bei den gestrigen Wahlen gute 24 Prozent eingefahren, ein Plus von neun Prozentpunkten. Umfragen im Bund weisen die Freiheitlichen sogar auf Platz 1 mit deutlichem Abstand vor der SPÖ aus.
Und wie schon in der Vergangenheit haben die ehemaligen Großparteien der FPÖ wenig entgegenzusetzen, weder inhaltlich noch personell. Ganz im Gegenteil, man imitiert und kopiert die Freiheitlichen seit Jahren nicht nur in der Migrations-, sondern auch in Sozialfragen und rückt den gesellschaftspolitischen Diskurs darüber noch weiter nach rechts.
Grenzen werden der FPÖ schon lange keine mehr aufgezeigt, auch nicht ihre inhaltliche Leere. Aussagen, die vor ein paar Jahren noch undenkbar gewesen wären, wie etwa zur Menschenrechtsfrage, werden zwar mit Empörung zur Kenntnis genommen oder sogar in Relation gesetzt, ohne freilich politische Gegenargumente dazu zu finden. Das erfolgt entweder aus Angst, damit ein möglicher Koalitionspartner nicht verloren geht, oder aus Unvermögen, wahrscheinlich aber aus beidem.
Kommt Kritik an der FPÖ, wie etwa jüngst, als Bundespräsident Alexander Van der Bellen bei seiner Angelobung es als nicht automatisch erachtete, Herbert Kickl mit einer Regierungsbildung zu beauftragen – was nebenbei auch sein gutes Recht ist –, ist die Aufregung darüber groß.
Van der Bellen wurde sowohl von ÖVP als auch SPÖ, aber auch von einer Reihe von politischen Kommentatoren der Wahlhilfe für die FPÖ bezichtigt. Er hätte sich, so der Tenor, die Aussagen zu Kickl bis nach der Wahl aufsparen sollen. So habe er den Freiheitlichen in die Karten gespielt.
Abgesehen davon, dass das empirisch nicht belegbar ist – denn die FPÖ stand laut Umfragen in Niederösterreich schon vor der Wahl bei rund 25 Prozent – stellt sich die Frage, wann denn der richtige Zeitpunkt wäre, um die freiheitliche Politik, die immer mehr ins Rechtsextreme abrutscht und nur auf destruktiven Protest ausgerichtet ist, klar beim Namen zu nennen?
Knapp eineinhalb Jahre vor der nächsten Nationalratswahl und angesichts des Ausgangs der Niederösterreich-Wahl, wäre die Antwort wahrscheinlich: jetzt. Ob diese Erkenntnis auch bei SPÖ und ÖVP zu reifen beginnt, ist allerdings nicht zu erwarten. Denn Geschichte wiederholt sich nicht nur, man lernt bekanntlich auch selten aus ihr.