Josef VotziJosef Votzi/PULS 24

Bei den Roten geht das Trump-Virus um

Die Burgenländer zählen ihre Stimmzettel lieber selber, weil sie der Parteizentrale misstrauen. Pamela Rendi-Wagner eskaliert im Finale auf Teufel komm raus. Ihre wahre Bewährungsprobe steht ihr im Fall eines Ach & Krach-Sieges aber erst bevor.

Dieser Tage ist Halbzeit bei der Abstimmung über die künftige SPÖ-Parteispitze. Bis Mittwoch nächster Woche können die rund 150.000 eingeschriebenen Genossen ihr Votum noch abgeben. Die Urabstimmung der Roten, die es gemäß der Spielregeln der Sozialdemokratie gar nicht geben dürfte, strotzt vor Besonderheiten und Absonderlichkeiten: Die SPÖ-Mitglieder haben mit 17 Tagen nicht nur ungewöhnlich lange Zeit ihr Kreuz zu machen. Die Parteibürokratie braucht danach noch 12 Tage, um die Stimmen aufzuzählen. 

Zur Halbzeit gibt es null seriöse Hinweise auf einen Zwischenstand.

Es gibt auch null Anzeichen für ein Ende der innerparteilichen Grabenkämpfe. 

Im Gegenteil: Just zur Halbzeit packt die amtierende Parteichefin den Bihänder aus, um gegen ihre Widersacher auszuteilen. Allen voran gegen ihren Erfinder Christian Kern, der jüngst geoutet hat, was von Pamela Rendi-Wagner abwärts jeder längst wusste: Sein Partei-Herz schlägt nun für Hans Peter Doskozil.

“Pam” befeuert rote  Soap-Opera

Ganz Österreich wird ungewollt Augen- und Ohrenzeuge einer roten Soap-Opera, in der es um vieles geht, nur nicht um Politik: Persönlichen Verrat, Gekränktheit, Eitelkeit und Rachsucht. 

Wie tief das gegenseitige Misstrauen und die persönliche Abneigung sind, offenbart auch der praktische Umgang mit der Mitglieder-Befragung. Im Vorfeld plädierten Bundesländer-Vertreter vehement dafür, die Stimmzettel selber einzusammeln und in den einzelnen  Bundesländern direkt auszuzählen. Denn unter vier Augen geht bei den Roten das Trump-Virus um: Der Parteizentrale wird zugetraut, das Ergebnis zu Gunsten Rendi-Wagners zu manipulieren. 

Bundesländer greifen zur Selbsthilfe

Weil das Ansinnen einer bundesländerweisen Auszählung an den Mehrheitsverhältnissen an den obersten Parteigremien scheiterte, greifen einige Bundesländer - allen voran die Burgenländer - zur Selbsthilfe: Sie legen ihren Mitgliedern dringend nahe, ihre Stimmzettel nicht in Wien, sondern in der Landespartei-Zentrale abzugeben. Diese würde das Stimm-Paket erst nach einer landesinternen Zählung an die "feindliche" Parteizentrale in der Wiener Löwelstraße aushändigen.

Vier Jahre lang war die Partei hin- und hergerissen zwischen der Loyalitäts-Fraktion und der Kritiker-Fraktion von Pamela Rendi-Wagner. Mit jedem miesen Wahlergebnis, mit jeder Umfrage eskalierten die permanenten Spannungen. Rendi-Wagner schaffte es in den vier Jahren nie, die Widersacher erfolgreich einzubinden und die Partei nachhaltig zu einen. 

Integration aller Lager Gradmesser für Führungsfähigkeit

Das ist und bleibt für jede Führungsfigur ein entscheidender Gradmesser für seine Führungsfähigkeiten.

In drei Wochen wird das Ergebnis des roten Votings vorliegen. Der jüngste Rundumschlag von Rendi-Wagner zeigt: Sie glaubt nach wie vor, das Match gewinnen zu können, ist sich dessen aber nicht sicher und sucht daher auf den letzten Metern ohne Rücksicht auf Verluste noch für sich mobilisieren.

Konkurrenten blieb direkter Draht zu Mitgliedern verwehrt

Dabei ging Rendi-Wagner als gewählte Parteivorsitzende mit mehreren Vorteilen ins Rennen: Sie verfügt als einzige über die Daten, um mit allen Mitgliedern direkt zu kommunizieren und hat davon auch reichlich Gebrauch gemacht.

Die beiden anderen Bewerber mussten ohne SPÖ-Kompass und rotes Navi auf Wahlkampftour gehen. "Pam" verfügt darüber hinaus allein über den Propagandaapparat der Parteizentrale und hat diesen  keinen Millimeter für Doskozil und Babler geöffnet.  

Chance auf neuerliche Bestätigung als Parteichefin intakt

Auch wenn die öffentliche Nachrede für sie alles andere als besser wird: Pamela Rendi-Wagners Chance ist intakt, ihren Chefsessel - nach  der Mitglieder-Befragung 2020 und der Parteitags-Wiederwahl 2021  - auch  im dritten Anlauf mehr schlecht als recht zu verteidigen. 

Eine Wiederwahl mit Ach und Krach würden der SPÖ und Rendi-Wagner freilich nur eine Atempause verschaffen. Die nächste schlechte Umfrage, der nächste verpatzte öffentliche Auftritt,  der nächste Anlass zum Sesselsägen kommt bestimmt.

Roter Pyrrhussieg?

Rund  um die Mitglieder-Befragung blieb Pamela Rendi-Wagner das Einmaleins einer erfolgreichen Partei-Führung jedenfalls erneut schuldig: Aufbau von Vertrauen, Zugehen auf Kritiker, fairer Umgang mit Gegenstimmen und Einbinden aller Strömungen.

Ihre wahre Bewährungsprobe steht Rendi-Wagner im Fall eines Ach&Krach-Sieges so erst  bevor.

Wer immer das Hauen und Stechen um die SPÖ-Spitze am Ende erfolgreich überlebt: Wer sich beim Einmaleins der (Partei)-Führung auch künftig Blößen gibt, wird spätestens bei der nächsten Abstimmung  durch alle Wähler krachend scheitern.

Josef Votzi ist Kolumnist des Magazin "Trend" und Kommunikationsberater (www.linkedin.com/in/josef-votzi)

Seine wöchentliche Kolumne "Politik Backstage"  jeden Freitag neu auf trend.at

ribbon Zusammenfassung
  • Die Burgenländer zählen ihre Stimmzettel lieber selber, weil sie der Parteizentrale misstrauen. Pamela Rendi-Wagner eskaliert im Finale auf Teufel komm raus.
  • Ihre wahre Bewährungsprobe steht ihr im Fall eines Ach & Krach-Sieges aber erst bevor.