Wenig Personal, Wohlstand gefährdet: Arbeitszeitverkürzung sei nicht möglich
Eine flächendeckende Arbeitszeitverkürzung bei gleichem Lohn sei nicht möglich, meint Arbeits- und Wirtschaftsminister Martin Kocher (ÖVP) im PULS 24 Interview. Dadurch seien Österreichs Wohlstand und die hohen Sozialleistungen nicht aufrechtzuerhalten.
Im Rahmen des Arbeitsrechts gebe es schon viele Möglichkeiten, die Arbeitszeit zu flexibilisieren – über die Kollektivverträge könne man die Arbeitszeit reduzieren. Eine gesetzliche Arbeitszeitverkürzung über alle Branchen hinweg sei jedoch laut Kocher nicht möglich, weil es "sehr unterschiedliche Voraussetzungen gibt".
Gesetzlich nicht umsetzbar
"Es gibt vielleicht Bereiche, wo das durchaus möglich ist, die Arbeitszeit zu verkürzen und damit produktiver zu werden und einen Ausgleich zu schaffen", so Kocher. Es gebe aber andere Bereiche, zum Beispiel der Dienstleistungsbereich, "wo das sehr schwierig ist". Und auch im öffentlichen Dienst, zum Beispiel in Schulen und Kindergärten, würde dies laut Kocher "zu einer massiven Personalknappheit führen". Man könne so eine starke Arbeitszeitverkürzung, "wie sie von einigen gefordert wird", gesetzlich gar nicht umsetzen.
Deshalb sei es aus seiner Sicht wichtig, "dass die Sozialpartner hier miteinander sprechen", so Kocher im PULS 24 Interview.
WKÖ: Arbeitsvolumen ist Fundament für Wohlstand
Wirtschaftskammer, Wirtschaftsbund und Industriellenvereinigung lehnen eine gesetzliche Arbeitszeitverkürzung bei gleichem Lohn als unfinanzierbar ab. Auch der WKÖ-Experte Rolf Gleißner ist der Meinung, dass eine Arbeitszeitverkürzung, wie sie die Arbeiterkammer (AK), ÖGB und die SPÖ fordern, den Arbeitskräftemangel verschärfen und den Wohlstand gefährden würde.
"Denn das Arbeitsvolumen ist das Fundament für Wohlstand und Sozialstaatsfinanzierung. Weil die Babyboomer in Pension gehen, steigt die Last darauf. Das Fundament selbst, die Zahl der Menschen im Erwerbsalter, schwindet hingegen. Arbeiten diese alle auch noch kürzer, bricht es irgendwann ein", so Gleißner.
Agenda Austria: Produktionskosten steigen
Die industrienahe Agenda Austria rechnet vor, dass bei einer Verkürzung der Arbeitszeit auf 32 Wochenstunden die personenbezogenen Produktionskosten in nur drei Jahren um die Hälfte steigen würden.
"Es spricht nichts dagegen, dass Unternehmen freiwillig die Arbeitszeit ihrer Mitarbeiter verkürzen. Attraktive Modelle helfen den Unternehmen, leichter neue Mitarbeiter zu finden", sagte der Agenda-Ökonom Dénes Kucsera im Gespräch mit der APA. "Wenn die Produktivität dadurch steigt, werden die Unternehmen das ohnehin anbieten." In manchen Branchen, etwa in der IT, wäre eine Produktivitätssteigerung möglich.
Aber gerade in Bereichen, wo es einen Fachkräftemangel gebe, etwa bei Lehrern oder in Pflegeberufen, sei es schwer, die Produktivität zu erhöhen - dort müsste bei einer Arbeitszeitverkürzung mehr Personal eingestellt werden, so Kucsera.
ÖGB mit wenig Verständnis für Kocher-Haltung
Wenig Verständnis für Kochers ablehnende Haltung zu einer gesetzlichen Verkürzung der Arbeitszeit hat Willi Mernyi, leitender Sekretär beim ÖGB. "Die Produktivität der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ist auf einem All-Time-High", so Mernyi. Kocher habe recht, wenn er sage, dass eine Umsetzung in einigen Branchen möglich sei. Es gehe um den Innovationswillen und den Mut der Unternehmer, so Mernyi.
Silvia Hruška-Frank, Direktorin der AK Wien, hob die Kluft zwischen Männern und Frauen bei der Arbeitszeit hervor. Eine Senkung der Normalarbeitszeit bei einer Angleichung der Arbeitszeiten würde positive Verteilungseffekte sowie eine Verbesserung des Geschlechterverhältnisses bringen, glaubt Hruška-Frank. "Wir sehen enorme stille Reserven, gerade auch bei den Frauen, die wir heben können."
Zusammenfassung
- Eine gesetzliche Arbeitszeitverkürzung würde laut Arbeits- und Wirtschaftsminister Martin Kocher (ÖVP) in einigen Branchen zu einer "massiven Personalknappheit" führen.
- Außerdem würden dadurch Österreichs Wohlstand und die Sozialleistungen gefährdet werden.