Raketen-Angriffe im Roten Meer: Gefahr für die Weltwirtschaft?
Seit November greift die Houthi-Miliz aus dem Jemen internationale Handelsschiffe im Roten Meer an. Mit Raketen und Drohnen gehen die Houthis gegen Frachter westlicher Staaten vor, denen sie Nähe zu Israel vorwerfen.
In den vergangenen Wochen ging der Westen gegen die Miliz vor. Die USA und Großbritannien flogen Luftangriffe auf militärische Stellungen. Das sorgt für noch mehr Spannungen in der Region.
Die aktuellen Entwicklungen im Nahen Osten auch im PULS 24 Liveblog.
Herzschlagader des Welthandels
Doch nicht nur geopolitisch ist die Lage kritisch, sondern auch für die Weltwirtschaft. Die Route durch das Rote Meer und den Suezkanal ist "eine der wichtigsten Handelsstraßen und ist bedeutend für den Welthandel", sagte Tina Wakolbinger, Professorin am Institut für Transportwirtschaft und Logistik an der WU Wien, im PULS 24 Gespräch.
Rund 20.000 Containerschiffe nehmen die Route jedes Jahr. In den vergangenen Wochen ist die Zahl der Frachter im Roten Meer jedoch um 67 Prozent eingebrochen, wie Jan Hoffmann von der UN-Welthandels- und Entwicklungskonferenz Ende Jänner mitteilte.
Reeder nehmen Umwege in Kauf
Immer mehr Reedereien entscheiden sich, das Rote Meer zu meiden und den tausende Kilometer langen Umweg um Afrika in Kauf zu nehmen. Der Hamburger Reeder Hapag-Lloyd leitet seit Dezember keine Schiffe mehr durch das Rote Meer. "Die Sicherheit unserer Seeleute hat für uns oberste Priorität", teilte ein Sprecher mit.
"Je nachdem, woher das Schiff kommt und wohin es fährt, bedeutet dieser Umweg für Hapag-Lloyd eine längere Fahrzeit von eineinhalb bis drei Wochen. Die Mehrkosten für uns liegen jeden Monat im zweistelligen Millionen-Euro-Bereich".
Ein Preistreiber sind die Versicherungskosten. Schon vor den Attacken der Houthi waren Versicherungen für Container-Unternehmen im Roten Meer teuer, seit den Angriffen stiegen die Raten von 0.07 auf zwei Prozent. Bei einem Schiff, das hundert Millionen US-Dollar wert ist, wären das zwei Millionen.
Logistikpreise explodieren
Diese Kosten werden entsprechend weitergegeben. Für einen Standard-Container auf der Route Shanghai-Genua ist der Preis seit Ende November um über 450 Prozent gestiegen.
Das treffe "alle Beteiligten in der Lieferkette", wie Wakolbinger erklärte. Das könne sich "in vielen Fällen auch im Preis der Produkte niederschlagen". "Insbesondere bei hochpreisigen Produkten" sei der Anteil der Transport-Kosten am Gesamtpreis jedoch "meist sehr gering".
Wenig Spielraum in den Lieferketten
Die Möglichkeiten, auf diese Preis-Explosion zu reagieren, sind für Unternehmen begrenzt. Der Umstieg auf Luftfracht ist oft entweder zu teuer oder wird aus Nachhaltigkeitsgründen nicht in Betracht gezogen. Der Transport von Asien nach Europa auf der Schiene ist durch den Krieg in der Ukraine auch massiv beeinträchtigt.
Logistik-Prozesse sind "sehr eng getaktet". Alles ist durchgeplant und die einzelnen Stufen in der Lieferkette hängen eng zusammen", so Wakolbinger.
Unternehmen beobachten die Situation genau. Derzeit gebe es noch keine massiven Einschränkungen, wie Anfragen bei mehreren Unternehmen mit globalen Lieferketten ergeben haben.
IKEA rechnet mit Verzögerungen
Beim Möbel-Konzern IKEA prüft man derzeit andere Liefermöglichkeiten, kämpft aber vereinzelt mit Problemen. "Die Situation im Suezkanal wird zu Verzögerungen führen und kann die Verfügbarkeit bestimmter IKEA Produkte einschränken", hieß es auf Anfrage von PULS 24.
Bei Tchibo habe man "direkt nach den ersten Angriffen auf Handelsschiffe" Maßnahmen ergriffen, um die Auswirkungen zu reduzieren, teilte eine Sprecherin gegenüber PULS 24 mit. "Derzeit verzeichnen wir daher noch keine signifikanten Auswirkungen auf die Warenverfügbarkeit von Kaffee und Non-Food", hieß es weiter.
Bei Hofer beobachte und analysiere man die Lage genau und setzte alles daran, weiter alle Produkte anbieten zu können.
Preissteigerungen und Lieferengpässe
Auch bei MediaMarkt sieht man derzeit noch keine Auswirkungen auf die Verfügbarkeit von Waren. "Unsere aktuelle Bestandssituation ist gut. Sollte die Situation länger andauern, kann unser Unternehmen - wie der Rest der Branche - nicht ausschließen, dass es mittelfristig auch bei uns zu vereinzelten Auswirkungen auf die Warenverfügbarkeit kommen kann", sagte ein Sprecher zu PULS 24.
Beim Solaranlagen-Bauer Otovo sei man derzeit von "keine direkten Auswirkungen" oder Lieferengpässe betroffen, sagte Österreich-Geschäftsführer Nikolas Jonas gegenüber PULS 24. Doch auch hier hätten sich die Logistikkosten verdreifacht.
"Sollte sich die Lage nicht nachhaltig entspannen, erwarten wir mittelfristig einen leichten Preisanstieg von 15 Prozent bei den Gesamtkosten", Jonas.
Andere Situation als während Corona
Größere Lieferausfälle wie während der Corona-Pandemie erwartet Logistik-Expertin Wakolbinger jedoch nicht, "weil die Situation jetzt eine völlig andere ist". Damals seien weltweit und gleichzeitig "alle Bereiche der Lieferkette gestört worden" - nun gehe es nur um den Transport.
Außerdem sagte sie, dass viele Unternehmen "ihre Lektionen aus der Corona-Krise" gelernt hätten. So hätten sie oft "bessere Sichtbarkeit in ihrer Supply-Chain", meint Wakolbinger.
Einen Ausblick, wie es weitergeht, könne man aber nicht geben. "Das ist stark von der geopolitischen Lage abhängig". Sollte die Lage im Roten Meer aber noch über Monate hinweg derart angespannt bleiben, könnte sich die Lage aber noch weiter verschärfen.
Zusammenfassung
- Die Raketenangriffe der Houthi-Rebellen im Roten Meer sorgen für Verunsicherung auf einer der global wichtigsten Handelsrouten.
- Logistik-Preise explodieren. Für einen Standard-Container auf der Route Shanghai-Genua ist der Preis seit Ende November um über 450 Prozent gestiegen.
- Die Möglichkeiten, auf diese Preis-Explosion zu reagieren, sind für Unternehmen jedoch begrenzt.
- Einzelne Unternehmen berichten schon von Lieferproblemen.