Wer Nehammer zu seiner Klimakrise-Verharmlosung inspiriert hat
Bundeskanzler Karl Nehammer lud am vergangenen Freitag zu seiner Rede zur Zukunft der Nation. Neben Bedenken gegenüber einer Herrschaft der Maschinen und Arbeitszeitverkürzungen, lies auch ein weiterer Redepunkt aufhorchen: Er sei gegen den "Untergangsirrsinn" in der Klimabewegung. Österreich sei das "Autoland schlechthin", er sei gegen das Aus von Verbrennungsmotoren, mit Technologie und Fortschritts-Glauben könnte die Klimakrise überwunden werden.
Inspiration für die Thesen des Kanzlers zur Klimakrise ist laut seinem Sprecher Daniel Kosak das Buch "Apokalypse, Niemals! Warum uns der Klima-Alarmismus krank macht" des US-Autors Michael Shellenberger. Shellenberger ist ein liberaler Ökomodernist - seit mehr als zwanzig Jahren lobbyiert er für die Atomkraft und gegen Klimaaktivismus. Und ohne Wissenschaftsverständnis, wie Kritiker seiner Publikationen anmerken.
Lobbyismus, verpackt wie Wissenschaft
Shellenberger ist kein Klimawissenschaftler und hat keine wissenschaftliche Ausbildung, er kommt aus dem PR-Bereich. Er kandidierte 2022 parteilos für das Amt des Gouverneurs des US-Bundesstaats Kalifornien, 2018 trat er noch für die Demokraten an. Vor allem für konservative Nachrichtenmedien und Zweifler des Klimawandels ist Shellenberger ein Liebling: 2020 entschuldigte er sich mit einem Artikel bei der Welt für die Hysterie der Klimabewegung. Das brachte ihm Sympathiepunkte bei Leugnern der Klimabewegung ein, aber auch viel Kritik von Wissenschaftlern.
Shellenberger leitet seit 2015 einen Think-Tank, mit dem Namen "Environmental Progress". Die Themen des Verbands sind "Frieden und Reichtum für alle", gemeint sind damit leistbare Energie, ein gesunder Planet und menschenfreundliche Stadtplanung.
Vor der Gründung von "Environmental Progess" war Shellenberger Gründer und Mitglied bei "The Breakthrough Institute", das verließ er 2015. Freie Wirtschaft und Technologie seien die Lösung für die Klimakrise, hieß es in einem damals von ihm mitverfassten Manifest.
Nicht alle Argumente, die Shellenberger vorbringt, sind in ihrem Kern falsch. So gibt es durchaus auch wissenschaftliche Berater, die dafür eintreten, dass Atomkraft in Relation zu den Umweltauswirkungen von Technologien wie Wasser- oder Windkraft weniger Gefahren mit sich bringt. Aber es ist die Art seiner Argumentation, die ihn zu einem Populisten macht.
Viel heiße Luft und ein bisschen Wahrheit
Shellenbergers Buch "Apokalypse, Niemals!" wird als Erfolg beschrieben, wegen positiven Reviews und starken Verkäufen. Aus Fachkreisen wirft man ihm Zahlendreherei vor: Er würde seine Thesen nicht mit Statistiken und Zahlen aus der Forschung überprüfen, sondern suche Zahlen und Fakten, die seine Argumente untermauern. Auch würde er Grundlegendes nicht verstehen, so gleichen für ihn in seinem Buch invasive Spezies die ausgestorbenen aus - Biodiversität, die Vielfalt der Natur, bleibt so aber nicht erhalten.
Kritisiert werden von Shellenberger die "Environmentalists", also die Klimaschützer, mit Argumenten, die sie so nicht machen. So impliziert er in seiner Argumentation, dass die Klimaschützer nicht wüssten, dass Atomkraftwerke im Gegensatz zu Atombomben nicht explodieren könnten. Das ist aber eine Scheinrhetorik, denn niemand der zitierten Klimaschützer hat das so ausgedrückt. Aktivisten, Journalisten und Klimawissenschaftlern unterstellt er vom "Hass" auf die Menschheit motiviert zu sein.
Der Think-Tank "Environmental Progess" argumentiert in erster Linie für die Atomkraft als nachhaltige Energie. Die Website des Think-Tanks zur Schädlichkeit von Windkraft gegenüber Walen, oder auch Schildkröten, die durch Solar-Energie getötet worden sein sollen. Der Kommentator Shellenberger sieht auch keinen Zusammenhang zwischen der verlängerten Waldbrandzeit in Kalifornien und der Erderwärmung. Hier widersprechen ihm aber auch Mitglieder seines eigenen Think-Tanks.
Kritik aus den eigenen Reihen
Ein wissenschaftlicher Berater des Think-Tanks ist Klima-Experte Kerry Emanuel, er ist Professor für Meteorologie am Massachusatts Institute of Technology (MIT). Emanuel ist einer der Wissenschaftler, die für Atomkraft als Grüne Energie eintreten. Nach Shellenbergers "Entschuldigung" für die Hysterie der Klimabewegung kritisierte Emanuel Shellenberger in der britischen Zeitung "The Guardian": Es gäbe umfassende Beweise, dass der Klimawandel Naturkatastrophen verschlimmern würde.
Auch der "Guardian" hatte Shellenbergers Buch bereits kurz nach dem Erscheinen 2020 verrissen: Was hier wortgewandt präsentiert wird, sei veraltet und die Fakten wie Rosinen herausgepickt. Shellenberger würde lieber Politiker, Aktivisten, Journalisten und alternative Energien schlecht reden als sachlich zu diskutieren.
Zusammenfassung
- Auf den Autor Michael Shellenberger verwies der Kanzlersprecher Journalisten, nach der "Rede zur Lage der Nation".
- Kanzler Nehammer denkt, die Technologie wird's schon richten. Wer ist der zitierte Autor und warum hinken seine Argumente.