Fernwärme: Warum sich der Preis beinahe verdoppelt
Zu Spitzenzeiten liegt der Erdgas-Anteil bei bis zu 65 Prozent, erklärte eine Sprecherin der Wien Energie auf APA-Anfrage am Dienstag. Etwa ein Drittel der Wärme stammt aus der Müllverbrennung, der Rest kommt aus industrieller Wärme, Biomasse und Großwärmepumpen.
Woher kommt der Preis?
Der Fernwärmepreis beim Endkunden setzt sich aus Grundpreis und Arbeitspreis zusammen. Ersterer deckt die Fixkosten der Fernwärme, etwa Kosten für Infrastruktur, Energielieferung, Wartung oder Instandhaltung und wird nach Quadratmetern verrechnet. Der Arbeitspreis richtet sich nach der tatsächlich verbrauchten Wärmemenge. Bei der Verrechnung werden außerdem 20 Prozent Umsatzsteuer fällig.
Per 1. September 2022 erhöht Wien Energie die Preise für Fernwärme um insgesamt 92 Prozent. Sowohl der Grundpreis als auch der Arbeitspreis steigen. Der Grundpreis erhöht sich dabei um rund 20 Prozent. Die Wien Energie erklärt das mit ebenfalls gestiegenen Bau- und Personalkosten und verweist auf die jeweiligen Indizes.
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Der Arbeitspreis steigt unterdessen um 180 Prozent. Aufgrund der Erzeugungsstruktur sei der Arbeitspreis bei Fernwärme stark abhängig vom Gaspreis. Seit der letzten Preisanpassung 2016 habe sich der Österreichische Gaspreisindex (ÖGPI) fast vervierfacht, am Spot-Markt habe sich der Gaspreis versechsfacht, so die Wien Energie. Für jene Erzeugungskomponenten, die nicht vom Erdgas abhängig sind, seien die Kosten um 17 Prozent gestiegen.
Ohne Gas geht nichts
Fernwärme wird in Wien zumindest zu 50 Prozent in Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen produziert, die aus Erdgas Strom und Wärme erzeugen (Gas-Heizkraftwerke). Zur Spitzenabdeckung, etwa wenn es im Winter besonders kalt wird, kommen Heizwerke zum Einsatz, die ebenfalls mit Gas betrieben werden. Je nach Witterung und Temperaturen wird Fernwärme damit bis zu 65 Prozent aus Gas erzeugt. Etwa ein Drittel der Wärme stammt aus der Müllverbrennung, der Rest kommt aus industrieller Abwärme, etwa von der OMV oder Manner, Biomasse und Großwärmepumpen. Bis 2040 will die Wien Energie bei der Fernwärme-Erzeugung ohne fossile Energieträger auskommen.
Wirtschaftliche Notwendigkeit
Die Preisanpassung sei für die Wien Energie zwingend wirtschaftlich erforderlich: "Die geradezu explodierten Preise an den Energiemärkten lassen uns keine andere Wahl, wir können uns diesen Entwicklungen nicht entziehen", so das Unternehmen gegenüber der APA. Für Menschen in besonders schwierigen Lebenssituationen verweist die Wien Energie auf ihre Ombudsstelle, die individuelle Lösungen und Beratung anbietet.
Kritik der Arbeiterkammer
Die Arbeiterkammer (AK) kritisierte die Preiserhöhung am Dienstag in einer Aussendung erneut. Man habe sich auch in der mündlichen Verhandlung der Preiskommission, die die Erhöhung geprüft hatte, dagegen ausgesprochen. Der AK stehe bei der Festlegung der Fernwärmepreise aber nur ein Anhörungsrecht zu. Die Arbeitnehmervertretung forderte von der Wien Energie eine unabhängige Ombudsstelle für Fernwärme und das Recht auf Ratenzahlung für Haushalte, auch bei Zahlungsrückständen.
Opposition dagegen
Die Preiserhöhung mache "deutlich, wie eiskalt die SPÖ regiert", sagte der Obmann der Wiener Volkspartei, Karl Mahrer am Dienstag laut einer Aussendung. Auch die FPÖ reagierte empört. Sozialsprecherin Dagmar Belakowitsch empfahl der SPÖ in einer Aussendung, sich den Part "Sozial" aus dem Namen zu streichen.
Zusammenfassung
- Die Wien Energie erhöht per 1. September ihre Fernwärmepreise um 92 Prozent.
- Das liegt auch daran, dass die Fernwärme in Wien zu über 50 Prozent aus Erdgas erzeugt wird.
- Zu Spitzenzeiten liegt der Erdgas-Anteil bei bis zu 65 Prozent, erklärte eine Sprecherin der Wien Energie auf APA-Anfrage am Dienstag.
- Etwa ein Drittel der Wärme stammt aus der Müllverbrennung, der Rest kommt aus industrieller Wärme, Biomasse und Großwärmepumpen.