ÖFB: Die Gewinner bzw. Verlierer des ersten Rangnick-Lehrgangs
Ein klarer Auswärtssieg gegen Vize-Weltmeister Kroatien, ein überraschender Punktgewinn gegen Weltmeister Frankreich und eine mehr als unglückliche Heimniederlage gegen EM-Halbfinalist Dänemark: Bis auf die deutliche Auswärtsniederlage in Kopenhagen fällt die ÖFB-Bilanz nach den ersten vier Spielen unter Ralf Rangnick durchwegs positiv aus. "Bei mir überwiegen eindeutig die positiven Erkenntnisse", bestätigte Neo-Coach Rangnick am Dienstag.
Die ersten 360 Minuten nützte der Deutsche als Testphase. Bis auf Torhüter Martin Fraisl, Hannes Wolf und den verletzten Phillip Lienhart kamen alle 23 Kaderspieler mindestens einmal zum Einsatz. Mehrere Systeme wurden erprobt, einige Spieler mussten auf für sie ungewohnten Positionen agieren. PULS 24 verrät, wer zum Start der neuen Ära Pluspunkte sammeln konnte und wer noch Aufholbedarf hat.
Die Gewinner
Xaver Schlager
Der Dauerläufer im Mittelfeld war der einzige Spieler, der in allen vier Partien in der Startelf stand. Gegen Kroatien, Dänemark und Frankreich stand Schlager sogar über 90 Minuten auf dem Platz, lediglich in der zweiten Partie gegen Dänemark wurde er zur Halbzeit ausgewechselt. Der Wolfsburg-Legionär bewies dabei nicht nur, dass er nach seinem Kreuzbandriss, wegen dem er fast die komplette Saison verpasste, wieder bei 100 Prozent ist, sondern stellte mit starken Leistungen unter Beweis, dass er aus Österreichs Mittelfeld aktuell nicht wegzudenken ist. Gegen Dänemark erzielte der 24-Jährige zudem sein zweites Länderspieltor.
Konrad Laimer
Selbiges gilt für Konrad Laimer. Der 25-Jährige knüpfte beim Team nahtlos an seine bärenstarke Saison auf Klubebene in Leipzig an und war das Um und Auf im Mittelfeld. Laimer stand in den ersten drei Begegnungen ebenfalls über 90 Minuten auf dem Platz, spulte Kilometer um Kilometer ab und setzte auch spielerisch viele Akzente. Gegen Frankreich lieferte er die Vorlage zum Führungstreffer durch Weimann. Der Salzburger bewies mit seinen Auftritten, warum halb Europa hinter ihm her ist und ist momentan wohl sogar der wertvollste Spieler im ÖFB-Team.
Nicolas Seiwald
"Er ist für sein Alter ein außergewöhnlicher Spieler und wird eine internationale Karriere hinlegen." Bei keinem Spieler geriet Ralf Rangnick so ins Schwärmen wie bei Nicolas Seiwald nach dessen Auftritt im Heimspiel gegen Dänemark. Der Salzburger, der gegen Kroatien noch eingewechselt wurde, spielte sich spätestens in der zweiten Partie in die Herzen der Fans und in den Notizblock des Teamchefs und diverser internationaler Scouts. Seiwald kam in allen vier Spielen zum Einsatz, glänzte mit Ruhe, Übersicht und Lauffreudigkeit und schraubte sein Länderspiel-Konto von drei auf sieben Einsätze. Mit seinen Kollegen Schlager und Laimer harmonierte der 21-Jährige perfekt. Florian Grillitisch, der den Lehrgang verletzungsbedingt verpasste, muss wohl in Zukunft um seinen Stammplatz zittern.
Patrick Pentz
Es bahnt sich eine Wachablöse auf der Torhüter-Position ab. Nachdem die etatmäßige Nummer eins, Daniel Bachmann, erst gar nicht nominiert wurde, wusste vor allem einer seine Chance zu nützen: Patrick Pentz. Der (Noch)-Austria-Goalie durfte gegen Dänemark und Frankreich ran und überzeugte bei seinen ersten beiden Länderspielen von Beginn an mit tollen Reflexen. Im Vergleich zu Konkurrent Heinz Linder punktete Pentz mit seinen Stärken im Spielaufbau und seiner Ruhe am Ball. Der 25-Jährige, der sich noch auf Vereinssuche befindet, ist einer der größten Gewinner des ersten Rangnick-Lehrgangs.
Maximilian Wöber
Unter Franco Foda blieb Salzburgs Abwehrchef, Maximilian Wöber, zuletzt außen vor. Unter Rangnick ist der 24-Jährige wieder gefragt. Wöber glänzte vor allem auf der für ihn ungewohnten Linksverteidiger-Position und steuerte gegen Kroatien zwei Vorlagen bei. Nach einem Kurzeinsatz gegen Dänemark, stand er gegen Frankreichs Starensemble über 90 Minuten seinen Mann. Im letzten Spiel fehlte er verletzt und wurde links hinten schmerzlich vermisst. Die Flexibilität gilt als das größte Plus des Linksfuß. Vor allem auf der vakanten Linksverteidiger-Position empfahl er sich als ernsthafte Alternative.
Kevin Danso
Mit ähnlichen Voraussetzungen reiste Kevin Danso zum Team. Der Lens-Legionär, der auf eine starke Debüt-Saison in der Ligue 1 zurückblickt, spielte zuletzt unter Foda kaum mehr eine Rolle. Unter Rangnick stand der 23-Jährige zweimal in der Startelf und wurde zweimal eingewechselt. Bis auf einen etwas unglücklichen Auftritt auswärts in Dänemark, löste der Innenverteidiger seine Aufgaben souverän und empfahl sich für einen Platz im Kader. Man darf gespannt sein, wem Ralf Rangnick bei der Dichte an guten Innenverteidigern in Zukunft das Vertrauen schenken wird.
Gernot Trauner
Einer von Dansos Konkurrenten ist Gernot Trauner. Auch der Feyenoord-Legionär kann nach den vergangenen zwei Wochen im ÖFB-Dress zufrieden bilanzieren. Trauner, dem in Österreich oftmals die Qualität für das Nationalteam abgesprochen wurde, strafte seine Kritiker Lügen. Sowohl gegen Kroatien als auch gegen Frankreich bestach der 30-Jährige mit seiner Zweikampfstärke, sowohl am Boden als auch in der Luft. Lediglich beim unglücklichen Auftritt in Dänemark passte er sich eher der Mannschaftsleistung an. Mit Trauner, Danso, Wöber, Lienhart, Hinteregger, Alaba, Posch und Friedl hat Rangnick auf keiner Position so viele Alternativen wie in der Innenverteidigung. Man darf gespannt für welches Duo oder Trio (im Falle einer Dreierkette) sich der Deutsche langfristig entscheidet.
Andreas Weimann
Die wohl schönste Comeback-Story im Nationalteam schrieb Andreas Weimann. Der Bristol-Legionär, der über Jahre kein Thema mehr beim ÖFB war und erst im letzten Foda-Lehrgang in den Kader zurückkehrte, erzielte gegen Frankreich im zarten Alter von 30 Jahren seinen Premierentreffer im Team-Dress. Abgesehen davon überzeugte Weimann vor allem mit seiner Vielseitigkeit und kam als linker Verteidiger in der Dreierkette, im Mittelfeld und im Sturm zum Einsatz.
Die Verlierer
Martin Fraisl
Etwas überraschend wurde der 29-jährige Goalie nach einer starken Saison mit Schalke in den Team-Kader berufen. Auf sein Landerspiel-Debüt muss Fraisl dennoch weiterhin warten. Lindner bzw. Pentz erhielten in allen vier Spielen den Vorzug. Fraisl war einer von nur zwei Spielern, denen kein Einsatz vergönnt war. Der 29-Jährige befindet sich - wie Lindner und Pentz - auf Vereinssuche. Es bleibt abzuwarten, ob er im September die nächste Chance auf sein ÖFB-Debüt bekommt.
Marco Friedl
Über fehlende Chancen sich zu beweisen, kann sich Bremen-Legionär Marco Friedl nicht beschweren. Der 24-Jährige durfte - nach einem Kurzeinsatz gegen Kroatien - gegen Dänemark von Beginn an ran. Als Linksverteidiger wusste er allerdings - speziell im Vergleich zu Wöber - nicht zu überzeugen. Friedl agierte offensiv harmlos und war defensiv nicht immer sattelfest. Zudem verletzte er sich gegen Ende des Spiels und musste für die beiden abschließenden Länderspiele passen. Angesichts der hohen Konkurrenz könnte er in Zukunft einen schweren Stand im Nationalteam haben.
Valentino Lazaro
Nach einer durchwachsenen Saison bei Benfica Lissabon gelang Valentino Lazaro im Team-Dress nicht der erhoffte Befreiungsschlag. Der 26-Jährige kam lediglich in den letzten beiden Spielen zu zwei Kureinsätzen als Außenverteidiger. Seine Leistungen waren durchwachsen bis enttäuschend. Der ehemalige Salzburger muss dringend einen Verein finden, bei dem er zu regelmäßigen Einsätzen kommt, um in Zukunft unter Rangnick eine tragende Rolle zu spielen.
Christoph Baumgartner
Etwas überraschend spielte Christoph Baumgartner im ersten Rangnick-Lehrgang eine sehr untergeordnete Rolle. Der 22-jährige Hoffenheim-Legionär, der unter Foda zuletzt zu den aufstrebenden Talenten im Kader zählte, brachte es lediglich auf zwei Kurzeinsätze. Bei seinem einzigen Startelf-Auftritt gegen Dänemark gelang dem EM-Torschützen nicht viel. Bei Baumgartner ist dennoch davon auszugehen, dass er in den naher Zukunft zum Stammpersonal gehören wird.
Sasa Kalajdzic
Nicht so sicher sein kann man sich in dieser Hinsicht bei Sasa Kalajdzic. Der 2,00 Meter große Stürmer, der auf Klubebene für Furore sorgt und angeblich von Bayern und Dortmund umworben wird, kommt beim Nationalteam nicht so recht in die Gänge. Als Joker erhielten Gregoritsch und Onisiwo den Vorzug. Bei seinen eher glücklosen Startelf-Auftritten gegen Dänemark (heim und auswärts) wurde der Stuttgart-Legionär jeweils ausgetauscht. So richtig ins laufintensive, pressingorientierte System von Rangnick scheint Kalajdzic nicht zu passen.
Zusammenfassung
- Die ersten vier Spiele des ÖFB-Teams unter Neo-Coach Ralf Rangnick sind Geschichte. Während einige Akteure Werbung in eigener Sache betreiben konnten, gehen Andere mit gemischten Gefühlen in die Sommerpause.
- Bis auf Torhüter Martin Fraisl, Hannes Wolf und den verletzten Phillip Lienhart kamen alle 23 Kaderspieler mindestens einmal zum Einsatz. Mehrere Systeme wurden erprobt, einige Spieler mussten auf für sie ungewohnten Positionen agieren.
- PULS 24 verrät, wer zum Start der neuen Ära Pluspunkte sammeln konnte und wer noch Aufholbedarf hat.