Hype um Gernot Trauner: Feyenoord feiert seinen "Fußball-Apotheker"
Mit Gernot Trauner verpflichtete Feyenoord Rotterdam im Sommer 2021 einen österreichischen Nationalspieler für eine Million Euro Ablöse von LASK Linz. Mittlerweile ist der 30-Jährige in den Niederlanden unter zahlreichen Pseudonymen bekannt: "Kale Klatser" nennen die Fans der Rotterdamer ihren Abwehrchef scherzhaft - in Anspielung auf seine Glatze. Trauner kann über seinen Spitznamen durchaus lachen. Schließlich ist ihm bewusst, dass ihm die Anhänger massivsten Respekt entgegen bringen.
https://twitter.com/Feyenoord/status/1494736871846522881?s=20&t=Xoq7zr0sRGWmQq9pjZI2aQ
Auch sein Nasenpflaster, das Trauner in jedem Spiel trägt, hat in Rotterdam mittlerweile Kult-Status: "Es gibt Fans, die sich ebenfalls ein Pflaster auf die Nase hauen. Viele Fans haben schon gefordert, dass Feyenoord einen Sponsorenvertrag mit dem Pflasterhersteller abschließen oder die Marketing-Abteilung ein Gernot-Trauner-Pflaster im Fanshop vertreiben sollte. Das ist echt ein Thema", sagt Feyenoord-Scout Bernard Schuitmann im Interview mit "Laola1".
Der Ex-Chefscout von Rapid war maßgeblich an Trauners Verpflichtung beteiligt und nennt die Gründe, warum es zwischen Spieler und Verein so gut passt: "Gernot ist ein Verteidiger, der bei einem Ballverlust nicht sofort nach hinten rennt, sondern nach vorne Druck ausübt. Er hat eine hohe Anzahl an "Interceptions", unterbricht das Spiel des Gegners also sehr oft. Das passt zum Fußball-Stil des Vereins. Zweitens passen sein Naturell und sein Charakter perfekt zu Feyenoord."
In Rotterdam nennt man Trauner auch den "Fußball-Apotheker". Diesen Spitznamen hat er einem Podcast mit einem Fußball-Experten zu verdanken, der meinte, dass Trauner aussieht wie ein Apotheker, der gut Fußball spielen kann. Schnell wird klar, dass die Fans dem bodenständigen Linzer - nach nur einer Saison - zu Füßen liegen.
Topleistungen in Debütsaison
Diesen Zuspruch hat sich der Innenverteidiger in seiner Debütsaison mit starken Leistungen auf dem Platz erarbeitet. Trauner war von Saisonbeginn an fester Bestandteil der Startelf von Trainer Arne Slot. In 30 Saisonspielen mit dem Österreicher in der Anfangsformation spielte man in der Liga zehnmal zu Null. Trauner besticht vor allem mit seiner Zweikampfquote. Einsatz, Kampfgeist und Siegeswille muss man beim Österreicher nie hinterfragen.
https://twitter.com/OptaJohan/status/1475416281088245760?s=20&t=Ym8Qu1O9MkExUVQwoHum5Q
Die Saison in der "Eredevise" beendeten die Rotterdamer hinter den beiden Topteams, Ajax Amsterdam und PSV Eindhoven, souverän auf Rang drei, der in der kommenden Spielzeit zur Qualifikation für die Europa League berechtigt.
Noch besser läuft es in der Conference League: Im neugeschaffenen dritthöchsten UEFA-Bewerb (nach der Champions- und Europa League) stehen die Niederländer nach Siegen gegen Partizan Belgrad, Slavia Prag und Olympique Marseille im Endspiel. Am heutigen Mittwoch wartet die AS Roma. Für den 15-fachen nationalen Meister Feyenoord wäre es der erste internationale Titel seit 20 Jahren.
Spätzunder Trauner legt steilen Aufstieg hin
Und für Gernot Trauner wäre es der mit Abstand größte Erfolg seiner Karriere. Der 30-jährige Linzer ist ein Spätzünder und zählte über viele Jahre hinweg nicht gerade zu den Topspielern der österreichischen Bundesliga. Von 2012 bis 2017 verteidigte er für die SV Ried, ehe die Rückkehr zu seinem Jugendclub, LASK Linz erfolgte.
Dort war Trauner einer der Väter des kometenhaften Aufstiegs des Vereins: Vizemeister-Titel, Pokal-Finale, Europa League Achtelfinale. Der LASK mauserte sich innerhalb von nur vier Jahren zu einem österreichischen Topklub, forderte Salzburg 2020 lange Zeit im Titelrennen und sorgte international für Furore - das alles mit Gernot Trauner als Abwehrchef und Kapitän. Die starken Leistungen brachten ihm auch sein Debüt im ÖFB-Team ein. Aktuell hält Trauner bei fünf Landerspiel-Einsätzen.
Erst kürzlich erschien die ESPN-Doku "Der Glatzkopf", in dem Trauners Werdegang von ihm und Wegbegleitern skizziert wird. Oliver Glasner, der ihn einst in Ried und beim LASK schulte und mit Eintracht Frankfurt aktuell für Furore sorgt, adelt ihn da als besten österreichischen Spieler im Zentrum einer Dreierabwehrkette.
"Das wichtigste Spiel meiner Karriere"
Nach dem steilen Aufstieg der letzten fünf Jahre wäre die Krönung in Form eines Titels fast schon eine logische Konsequenz in der Karriere des Oberösterreichers. Dieser ist sich der Bedeutung des Spiels bewusst: "Es ist das wichtigste Spiel meiner Karriere. Es hat eine unglaubliche Bedeutung, ich hätte das nie gedacht", meint Trauner in einem Interview im "Oberösterreichischen Volksblatt" und fügt hinzu: "Andererseits ist ein Finale nur dann richtig schön, wenn man es auch gewinnt. Es wird eine sehr schwierige Aufgabe, aber an einem perfekten Tag ist alles möglich."
Der Gegner ist kein Geringer als Serie A-Topklub AS Roma. Der dreifache italienische Meister ist heiß auf den ersten internationalen Titel seiner Vereinsgeschichte. Mit Lorenzo Pellegrini, Tammy Abraham oder Nicolo Zaniolo bekommt es Trauner im Endspiel in Tirana mit namhaften Gegenspielern zu tun. Der bekannteste Mann sitzt jedoch auf der Trainerbank: Jose Mourinho möchte nach der Champions League, der Europa League und dem UEFA-Cup den nächsten internationalen Titel seiner schillernden Karriere einstreifen.
Der Portugiese führt den Hauptstadtklub mit einer bemerkenswerten persönlichen Bilanz ins Gefecht: Von bisher 14 Endspielen ging zwölfmal das Mourinho-Team siegreich hervor. "Ich hatte in meinen Europacup-Endspielen bisher Glück und meine Spieler waren immer voll auf der Höhe. In der Stunde der Wahrheit haben sie abgeliefert."
Auf den Spuren von Franz Hasil
Feyenoord bereite sich auf das Endspiel im Trainingslager in Portugal vor. Die Begeisterung ist in der ganzen Stadt zu spüren, erzählt Trauner: "Man spürt, dass die Leute dem Finale entgegenfiebern und am liebsten alle dabei wären. Man wird jetzt noch öfter angesprochen und merkt, dass das noch einmal ein anderes Level erreicht hat."
Unabhängig vom Ergebnis am Mittwoch war der Transfer für den ÖFB-Legionär, der es ins erste Aufgebot von Ralf Rangnick geschafft hat ("Ich freue mich sehr über die Nominierung, das bestätigt meine abgelaufene Saison."), jetzt schon ein voller Erfolg: "Für mich war es sicher die richtige Entscheidung, ich denke, dass ich großteils meine Leistungen gebracht habe."
Nichtsdestotrotz würde ein Finalsieg über die AS Roma die Gesamtbilanz noch einmal ordentlich aufhübschen. Es wäre - abgesehen vom Meistertitel mit den LASK Amateuren in der Regionalliga - der erste Titel in der Vita des Gernot Trauners. Er wird der neunte Österreicher sein, der in einem Europapokal-Finale auf dem Platz steht. In dieser Statistik könnte sich am Mittwoch ein Kreis schließen: Franz Hasil gewann 1970 als erster österreichischer Legionär ein Europacup-Finale. Mit einem 2:1-Sieg nach Verlängerung siegte seine Mannschaft gegen Celtic Glasgow. Hasil spielte damals für Feyenoord Rotterdam. Unter Trainer Ernst Happel.
Zusammenfassung
- Vor knapp einem Jahr brach Gernot Trauner seine Zelte beim LASK ab und wechselte in die Niederlande zu Feyenoord Rotterdam. Während die Linzer eine Seuchen-Saison auf Platz acht beendeten, ist Trauner in seiner Debüt-Saison in Rotterdam Stammspieler, Leistungsträger und Publikumsliebling. Im UEFA Conference League Finale gegen die Roma strebt der ÖFB-Verteidiger nach dem größten Erfolg seiner Karriere.