"Kann Waffe nicht bedienen": Ukrainischer Schwimmer Romantschuk emotional
"Ich hoffe, dass die Medaille viel für die Ukraine bedeutet. Wir haben harte Zeiten und ich habe der Welt und allen Ukrainern gezeigt, dass wir bis zum Ende kämpfen", sagte Romantschuk nach dem Rennen in den Katakomben der Duna Arena. Bei der Siegerehrung jubelten ihm die Fans in der fast ausverkauften Schwimmhalle in der ungarischen Hauptstadt euphorisch zu, es gab mehrmals Applaus.
Mit den Gedanken bei der Familie
Im Moment des Erfolgs waren Romantschuks Gedanken aber bei seiner Familie in der Heimat. "Mein Vater kämpft im Krieg, im Osten", erzählte er: "Jeden Morgen schreibt er mir, ob es ihm gut geht." Er könne aber nicht mit ihm sprechen, weil sie keine Möglichkeit hätten, eine Verbindung mit dem Netz aufzubauen. "Die Russen haben alles zerstört." Er wisse deshalb auch nicht, ob sein Vater das WM-Rennen verfolgen konnte.
Wenige Tage nach Kriegsbeginn erhielt der 25-Jährige eine Einladung von seinem deutschen Dauerrivalen Florian Wellbrock. Romantschuk nahm sie an, er zog kurzerhand nach Magdeburg, um mit seinen Konkurrenten um Wellbrock und Lukas Märtens die stärkste Trainingsgruppe der Welt zu bilden. "Es war hart. Besonders mental war ich immer beim Krieg, ich habe nur drei bis vier Stunden geschlafen, weil du immer die Nachrichten liest", sagte Romantschuk.
"Kann mit einer Waffe nichts ausrichten"
Eigentlich hatte der zweifache Olympiamedaillengewinner ja vor, "in den Krieg zu ziehen, um mein Zuhause zu verteidigen." Dann folgten lange Diskussionen mit der Familie und seiner Frau, zehn Tage nach Kriegsbeginn dann die Erkenntnis: "Wir haben entschieden, dass ich mit einer Waffe nichts ausrichten kann."
Stattdessen sollte er das machen, was er am besten kann: Schwimmen. "Mit meinen Leistungen im Schwimmen kann ich der Welt erzählen, wie die Situation in der Ukraine ist", sagte er. Zehn Sportler seien laut Romantschuk gestorben, zudem sieben Trainingsbecken und etwa 50 Leichtathletik-Stadien zerstört worden. Russische wie belarussische Sportler wurden aufgrund der russischen Aggression vom Weltverband FINA von den Titelkämpfen in Ungarn ausgeschlossen.
Romantschuk war bereit russischen Kollege Rilow "zu töten"
Besonders auf Jewgeni Rilow, russischer Doppel-Olympiasieger in Tokio, war Romantschuk nicht gut zu sprechen. Rilow unterstützte Russlands Präsident Wladimir Putin öffentlich, was bei seinem ukrainischen Schwimm-Kollegen gar nicht gut ankam. "Ich war bereit, ihn zu töten", sagte Romantschuk emotional aufgewühlt: "Davor waren wir gute Freunde, aber alles ändert sich."
In Budapest freut sich Romantschuk jedenfalls auf ein Wiedersehen mit seiner Familie. "In ein paar Tagen werden sie herkommen. Ich habe sie seit vier Monaten nicht gesehen, es ist hart", sagte er und bedankte sich erneut bei Wellbrock, der ebenfalls eine Medaille über die 800 m Kraul holte. "Unser Ziel war es, Gold und Silber zu holen", sagte der Deutsche, es wurden dann Silber und Bronze.
Bei den Titelkämpfen wird Romantschuk noch über 1.500 m Freistil sowie im Freiwasser über 5 und 10 km um Medaillen kämpfen. Dann wird er nach Deutschland zurückgehen. An die Landsleute in der Heimat richtete er zum Abschluss eine Botschaft: "Ich bin so stolz auf die Menschen in der Ukraine, und auf den Präsidenten. Ich bin wirklich happy, Ukrainer zu sein."
Zusammenfassung
- Nach der erlösenden Bronzemedaille stand der ukrainische Schwimmer Michailo Romantschuk völlig fertig auf dem Stockerl, wischte sich die Tränen aus den Augen, atmete einmal tief durch und klopfte sich mehrmals aufs Nationalwappen auf seinem Trainingsanzug
- Die Bronzene bei der WM in Budapest über 800 m Kraul hatte Romantschuk am Dienstagabend für die Ukraine gewonnen, wo sein Vater und sein Trainer nach der Invasion Russlands noch an der Front kämpfen.