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VwGH-Urteil stärkt afghanische Frauen

Der Verwaltungsgerichtshof hat zwei Asyl-Entscheidungen im Sinne afghanischer Frauen getroffen. In beiden Fällen war zwar subsidiärer Schutz zuerkannt worden, nicht aber ein Asyltitel. Dagegen hatten die Frauen berufen, waren aber beim Bundesverwaltungsgericht gescheitert. Dessen Spruch kippte der VwGH mit dem Argument, dass sich Frauen nicht einer Lebensweise des Taliban-Regimes aussetzen müssen. Damit folgte der Gerichtshof einer Entscheidung des EuGH von Anfang Oktober.

Der VwGH hatte sich an den Europäischen Gerichtshof gewandt. Laut den EU-Richtern muss nicht festgestellt werden, dass eine Antragstellerin aus Afghanistan bei einer Rückkehr in ihr Herkunftsland tatsächlich und spezifisch Verfolgungshandlungen zu erleiden droht. Es genügt, lediglich ihre Staatsangehörigkeit und ihr Geschlecht zu berücksichtigen. Innenminister Gerhard Karner (ÖVP) hatte im Anschluss gemeint, dass man dennoch bei Einzelfall-Prüfungen bleibe.

Eine der beiden betroffenen Frauen war erwachsen, die andere ein 14-jähriges Mädchen. Sie hatten vor der Bundesverwaltungsgericht argumentiert, dass sich aufgrund der im Sommer 2021 erfolgten Machtübernahme der Taliban in Afghanistan dort die Lage derart geändert haben, dass ihnen allein schon deswegen, weil sie afghanische Frauen seien, Verfolgung drohe und ihnen daher Asyl zu gewähren sei.

Letztlich entschied der Verwaltungsgerichtshof, dass bereits deshalb nach den maßgeblichen asylrechtlichen Bestimmungen von Verfolgungshandlungen gegen afghanische Frauen auszugehen ist, weil die Summe der von den Taliban etablierten Einschränkungen aufgrund ihrer kumulativen Wirkung und ihrer bewussten und systematischen Anwendung dazu führt, dass afghanischen Frauen "in flagranter Weise hartnäckig aus Gründen ihres Geschlechts die mit der Menschenwürde verbundenen Grundrechte vorenthalten" würden.

Diese Maßnahmen zeugten von der Etablierung einer gesellschaftlichen Organisation, die auf einem System der Ausgrenzung und Unterdrückung beruhe, in dem Frauen aus der Zivilgesellschaft ausgeschlossen werden und ihnen das Recht auf ein menschenwürdiges Alltagsleben in Afghanistan verwehrt werde. Es sei für den Asylstatus ausreichend festzustellen, dass die Person bei einer Rückkehr in ihr Herkunftsland, in dem solche Verhältnisse herrschen, tatsächlich und spezifisch Verfolgungshandlungen zu erleiden droht. Dennoch besteht die Möglichkeit einer Einzelfallprüfung. Wenn es nämlich Gründe gibt, die gegen die Vergabe eines Asyltitels sprechen, werde es nicht sein Bewenden haben können, sich bloß auf die Feststellungen zur Situation im Herkunftsstaat sowie der Staatsangehörigkeit und des Geschlechts der Asylwerberin zu beschränken.

ribbon Zusammenfassung
  • Der Verwaltungsgerichtshof hat zwei Asyl-Entscheidungen revidiert und zugunsten afghanischer Frauen entschieden, da sie nicht unter dem Taliban-Regime leben müssen.
  • Eine der betroffenen Personen ist ein 14-jähriges Mädchen, das argumentierte, dass die Machtübernahme der Taliban im Sommer 2021 die Lage für Frauen in Afghanistan verschärft hat.
  • Der Europäische Gerichtshof entschied, dass die Staatsangehörigkeit und das Geschlecht ausreichen, um Verfolgung anzunehmen, während Innenminister Gerhard Karner die Fortführung von Einzelfallprüfungen betonte.