Trump schaltet sich im Fall Nawalny ein
Nach dem Giftanschlag auf den Kreml-Kritiker Alexej Nawalny hat US-Präsident Donald Trump klare Forderungen oder Vorwürfe an die Adresse Moskaus vermieden. Ihm lägen noch keine Beweise für einen Giftanschlag auf den russischen Oppositionellen vor, so Trump am Freitag. Während in Berlin Forderungen nach Konsequenzen für das Pipelineprojekt Nord Stream 2 lauter werden, will Wien daran festhalten.
"Wir haben noch keine Beweise bekommen, aber ich werde mir das anschauen", sagte Trump bei einer Pressekonferenz in Washington. Zuvor hatte Deutschland seine NATO-Partner und damit auch die USA über die Untersuchungsergebnisse zu Nawalnys Vergiftung unterrichtet und mit ihnen über mögliche Konsequenzen beraten.
Berlin hatte bereits am Mittwoch mitgeteilt, dass Nawalny "zweifelsfrei" mit einem chemischen Nervenkampfstoff aus der sogenannten Nowitschok-Gruppe vergiftet worden sei. Das Gift war in den 1970er Jahren von sowjetischen Wissenschaftern entwickelt worden.
Trump hielt sich mit Kritik an Moskau zurück und betonte stattdessen, er habe eine gute Beziehung zum russischen Präsidenten Wladimir Putin. Nawalny ist ein vehementer Kritiker des Kremlchefs und deckte mit seinem Team zahlreiche Korruptionsfälle in der russischen Machtelite auf.
Russland bestreitet, in die Vergiftung des 44 Jahre alten Oppositionellen verwickelt zu sein. Die russische Führung betonte mehrfach, dass eigene Labors keine Vergiftung feststellen konnten. Es gebe keine Grundlage, den russischen Staat in dem Fall zu beschuldigen, sagte ein Kremlsprecher.
Nawalny war vor mehr als zwei Wochen bei einem Inlandsflug in Russland unter heftigen Schmerzen ins Koma gefallen. Zunächst wurde er in einem Krankenhaus in Sibirien behandelt. Nach internationalem Druck und auf Drängen seiner Familie wurde er dann in die Berliner Universitätsklinik Charité verlegt.
Die deutsche Regierung hatte nach Untersuchungen eines Spezial-Labors der Bundeswehr mitgeteilt, dass eine Vergiftung dem militärischen Nervenkampfstoff aus der sogenannten Nowitschok-Gruppe zweifelsfrei erwiesen sei. Regierungssprecher Steffen Seibert sagte am Freitag, dass "die Unterrichtung unserer Partner in der Europäischen Union und der NATO" mit zu den ersten Schritten gehörte.
Das russische Außenministerium betonte, dass Experten vieler westlicher Länder, darunter auch NATO-Staaten, mit Chemiewaffen wie Nowitschok arbeiteten. In den USA gebe es zahlreiche Patente dafür. Im Zusammenhang mit Nawalny gebe es viele "Russland-feindliche" Äußerungen, hieß es. Konkret kritisierte Moskau eine Erklärung der Außenminister Deutschlands und Frankreichs, Heiko Maas und Jean-Yves Le Drian, vom Freitag. Darin hatten Deutschland und Frankreich Russland gemeinsam zur Aufklärung des Falls aufgefordert.
Auf die Frage, ob er die deutsche Angaben bezweifle, wich Trump zuerst aus. Es sei interessant, dass alle zuerst Russland erwähnten, aber zurzeit solle man mehr über China reden, weil die Dinge, die China mache, viel schlimmer seien, wenn man sich das Geschehen in der Welt ansehe.
Trump ging dann noch einmal auf die Nowitschok-Vergiftung Nawalnys ein: "Ich wäre sehr verärgert, wenn das der Fall ist. Und es sieht so aus, als ob das sehr gut der Fall sein könnte. Davon ausgehend, was Deutschland sagt, scheint das der Fall zu sein."
Es gab bereits in der Vergangenheit Angriffe auf Nawalny, er wurde auch mehrfach festgenommen. In den Büros seiner Mitarbeiter gab es auch immer wieder Razzien. Auch am Samstag hätten Polizisten versucht, zwei Mitarbeiter von Nawalnys sogenannten Fonds zur Bekämpfung von Korruption festzuhalten, teilte Nawalnys Sprecherin Kira Jarmysch auf Twitter mit. Details waren nicht bekannt. Eine offizielle Bestätigung der Behörden gab es zunächst nicht.
Der Fall Nawalny löste auch eine Debatte über mögliche Sanktionen gegen Russland aus. Besonders das Pipeline-Projekt Nord Stream 2 in der Ostsee steht dabei im Fokus. Es gab die Forderung, das Projekt aufzugeben oder zumindest auszusetzen.
Auch Trump erneuerte seine Kritik an der Gaspipeline. Er verstehe nicht, wieso Deutschland mit Russland Geschäfte mache und zugleich Sanktionen gegen Moskau verhänge und dann noch von den USA erwarte, militärisch gegen das Land geschützt zu werden. Auch in Deutschland gibt es inzwischen Politiker, die das Projekt wegen der Vergiftung Nawalnys kritisch sehen und beenden wollen.
An dem umstrittenen Pipeline-Projekt, an dem auch die österreichische OMV beteiligt ist, nicht rütteln, will dagegen Außenminister Alexander Schallenberg (ÖVP). Es werde darüber "sicherlich eine Diskussion geben", doch müsse man "vorsichtig sein, dass man nicht alles in einen Topf wirft", sagte Schallenberg gegenüber der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" (Samstag). Er verwies darauf, dass auch mit Blick auf die Krim und die Ost-Ukraine unterschieden worden sei: Es gab Wirtschafts- und persönliche Sanktionen, aber das Gasprojekt lief weiter.
Auch in Bezug auf Sanktionen gegen Russland äußerte sich Schallenberg zurückhaltend. Wie bereits in den Tagen zuvor schloss er Sanktionen erneut nicht aus, schränkt aber ein: "Natürlich können solche nicht einfach ohne Beweise ausgesprochen werden. Es ist nötig zu wissen, wer die Verantwortlichen sind."
In der Schwesterpartei der ÖVP in Deutschland fordern dagegen mehrere Politiker Konsequenzen. Der "Dreh- und Angelpunkt für eine gemeinsame europäische Strategie" sei ein Verzicht auf das Projekt, betonte der Kandidat für den CDU-Vorsitz Norbert Röttgen. Sein parteiinterner Konkurrent Friedrich Merz fordert einen zweijährigen Baustopp bei Nord Stream 2.
Die Frage Nord Stream 2 sei eine Option, "um Russland zu zeigen: Wir meinen es ernst", sagte auch der Fraktionschef der Europäischen Volkspartei (EVP) im Europaparlament, Manfred Weber (CSU), dem ZDF-"heute-journal" am Freitagabend. "Das System Putin ist bereit zu töten, um seine Ziele durchzusetzen (...) und sein Geld weiter zu verteilen, das es mit Gas verdient." Der Fall Nawalny habe "das Fass zum Überlaufen gebracht". Europa sei jetzt in der Pflicht, eine klare Antwort zu geben für die freiheitliche Demokratie und den Rechtsstaat.
Auf EU-Ebene wird derzeit über mögliche Sanktionen gegen Russland wegen des Giftanschlags diskutiert. Bei einer Sondersitzung der NATO forderte Generalsekretär Jens Stoltenberg am Freitag eine "unparteiische" Untersuchung des Falles. Der Einsatz von Nervenkampfstoffen sei "eine eklatante Verletzung des internationalen Rechts" und erfordere "eine internationale Antwort".
Zusammenfassung
- Nach dem Giftanschlag auf den Kreml-Kritiker Alexej Nawalny hat US-Präsident Donald Trump klare Forderungen oder Vorwürfe an die Adresse Moskaus vermieden.
- Ihm lägen noch keine Beweise für einen Giftanschlag auf den russischen Oppositionellen vor, so Trump am Freitag.
- Darin hatten Deutschland und Frankreich Russland gemeinsam zur Aufklärung des Falls aufgefordert.
- Der Fall Nawalny löste auch eine Debatte über mögliche Sanktionen gegen Russland aus.