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Tag der Menschen mit Behinderung - NGOs fordern Rechte ein

Die Politik müsse die Anliegen von Menschen mit Behinderungen ernst nehmen, appellieren NGOs. Der internationale Tag der Menschen mit Behinderung am Sonntag, den 3. Dezember, bietet Gelegenheit für Appelle an die Politik: Gefordert werden u.a. mehr Ansprüche auf Unterstützungsleistungen, Barrierefreiheit und inklusive Bildung. Zuletzt hatte der UN-Fachausschuss bei Österreichs Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention Luft nach oben geortet.

Diese Staatenprüfung bietet denn auch die Basis für breite Kritik. "Österreich bekennt sich zur UN-Behindertenrechtskonvention, aber in der Umsetzung gibt es noch enorme Lücken", betonte etwa Volksanwalt Bernhard Achitz in einer Aussendung. Österreich müsse "weg von Almosen, hin zum Anspruch!", appellierte er. Es gebe zwar viele Unterstützungsleistungen für Menschen mit Behinderungen, aber keinen Rechtsanspruch darauf.

Einen solchen brauche es etwa bei der Barrierefreiheit, forderte der Behindertenverein ÖZIV. Denn "Menschen, die durch Barrieren im Alltag diskriminiert werden, können zwar Schlichtungen einbringen und eventuell auch vor Gericht ziehen, aber ein Rechtsanspruch auf Beseitigung der Barriere besteht nicht!", so ÖZIV-Präsident Rudolf Kravanja. Er fordert eine Überarbeitung des "zahnlosen" Behindertengleichstellungsgesetzes. Auch im Arbeitsleben hätten Menschen mit Behinderungen - neben Schwierigkeiten beim Zugang im Allgemeinen - mit nicht barrierefreien Arbeitsplätzen zu kämpfen, kritisierte auch Patrick Berger, Leiter des Chancen Nutzen-Büros im Österreichischen Gewerkschaftsbund (ÖGB).

Die Anwaltschaft für Gleichbehandlungsfragen für Menschen mit Behinderungen macht auf die Situation von Frauen und Mädchen mit Behinderungen aufmerksam. Diese seien deutlich häufiger als andere Frauen von sexualisierter Gewalt betroffen, stellte Behindertenanwältin Christine Steger fest. Behörden, Gerichten und Hilfseinrichtungen würde es oft an "barrierefreien und niederschwelligen Zugängen sowie geeigneter Information für Frauen und Mädchen mit Behinderungen" fehlen. Dass es spezifische Maßnahmen für Förderung und Schutz von Frauen und Mädchen mit Behinderungen brauche, sei bei der Staatenprüfung ebenfalls angemerkt worden, so Steger.

Diakonie und Verbund fordern einen Rechtsanspruch auf die Finanzierung von assistierenden Technologien für jene 63.000 Menschen in Österreich, die in ihrer Lautsprache eingeschränkt sind. Diese Technologien reichen von einfachen elektronischen Hilfsmitteln wie Tastern bis hin zu komplexeren wie der Augensteuerung. Mit dem Rechtsanspruch müssten außerdem zentrale Anlaufstellen in allen Bundesländern kommen, wo Beantragung, Genehmigung und Beratung möglich sei, betonte Verbund-Vorstandsvorsitzender Michael Strugl. Diakonie-Direktorin Maria Katharina Moser schlug die Einrichtung eines von Bund, Ländern und Sozialversicherungen getragenen Fonds zur Finanzierung der Hilfsmittel vor.

Kritik traf nicht nur den Bund, sondern auch die Bundesländer. Bei der Staatenprüfung habe es Besorgnis um die hohe Armutsquote von Menschen mit Behinderungen gegeben. Durch das Sozialhilfe-Grundsatzgesetz und die darauf aufbauenden Ausführungsgesetze der Länder würden diese nicht nur keine Unterstützung erhalten, sondern weiter ausgegrenzt werden, so Martin Marlovits vom Verein VertretungsNetz. In fast allen Bundesländern würden Sozialbehörden Menschen mit Behinderungen, die auf Sozialhilfe angewiesen sind, zwingen, finanziellen Unterhalt bei ihren Eltern gerichtlich einzufordern, ansonsten werde die Sozialhilfe gekürzt. "Wir fordern, die UN-BRK (Behindertenrechtskonvention, Anm.) endlich umzusetzen und die Sozialhilfegesetze zu reformieren", betonte Marlovits.

Auch die Opposition ortete Versäumnisse. SPÖ-Außenpolitiksprecherin Petra Bayr kritisierte die "unzureichende Umsetzung" der Behindertenrechtskonvention. "Die Behindertenrechtskonvention ist ein rechtlich bindender Vertrag, den die Regierung umzusetzen und einzuhalten hat", pochte auch Fiona Fiedler, NEOS-Sprecherin für Menschen mit Behinderungen. Eine "Katastrophe" ortete sie im Bildungsbereich: "Die inklusive Schulpolitik wurde de facto beendet, Kinder mit Behinderungen und Kinder ohne Behinderungen werden wieder getrennt, statt inklusive Schulen auszubauen."

"Es ist unsere Verantwortung, an einer Gesellschaft zu arbeiten, in der jeder Mensch, unabhängig von seinen körperlichen oder mentalen Voraussetzungen, die gleichen Chancen auf Selbstbestimmung erhält", meinte auch der dritte Nationalratspräsident Norbert Hofer (FPÖ). Die Freiheitlichen fordern "Gehalt statt Taschengeld" und Persönliche Assistenz in Schule und Beruf - das bliebe allerdings von ÖVP und Grünen ungehört, bemängelte Behindertensprecher Christian Ragger.

Großen Handlungsbedarf sieht Natascha Taslimi vom Netzwerk Elementarer Bildung Österreichs (NEBÖ) auch im Kindergartenbereich. Es gebe viel zu wenige Plätze für Kinder mit Behinderungen, alleine in Wien hätten deshalb hunderte Kinder keine Betreuungsmöglichkeit, kritisierte sie im Gespräch mit der APA. Derzeit gebe es nicht einmal Erhebungen dazu, wie viele Plätze für Kinder mit erhöhtem Unterstützungsbedarf es bräuchte.

ribbon Zusammenfassung
  • Die Politik müsse die Anliegen von Menschen mit Behinderungen ernst nehmen, appellieren NGOs.
  • Der internationale Tag der Menschen mit Behinderung am Sonntag, den 3. Dezember, bietet Gelegenheit für Appelle an die Politik: Gefordert werden u.a. mehr Ansprüche auf Unterstützungsleistungen, Barrierefreiheit und inklusive Bildung.
  • Bei der Staatenprüfung habe es Besorgnis um die hohe Armutsquote von Menschen mit Behinderungen gegeben.