Selmayr will weiter EU-Kommissionsvertreter bleiben
Selmayr hatte am vergangenen Mittwoch bei der Kunstmesse "vienna contemporary" drastische Kritik an den österreichischen Milliardenzahlungen für russisches Gas geübt und sie wegen des damit finanzierten russischen Angriffskriegs in der Ukraine als "Blutgeld" bezeichnet. Nachdem die FPÖ Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) zur Abberufung Selmayrs aufgefordert hatte, wurde er ins Außenministerium zitiert. In einem ungewöhnlichen Schritt distanzierte sich dann auch die EU-Kommission öffentlich von ihrem Repräsentanten in Wien.
"Solange die Europäische Kommission möchte, dass ich in Wien bin, bin ich in Wien", sagte Selmayr am Mittwoch der APA auf eine Frage nach seiner beruflichen Zukunft. Bei einer Podiumsdiskussion über die Rede von Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hatte er zuvor auf spitze Formulierungen verzichtet. So trat er dem NEOS-Abgeordneten Helmut Brandstätter entgegen, der sich bei den Reizthemen Schengen-Erweiterung oder Ungarn klarere Ansagen der Kommissionspräsidentin gewünscht hätte. "Es ist die Frage des Stils, wie man so eine Rede hält", sagte Selmayr. Es sei "richtig, das Einigende in den Mittelpunkt zu stellen und zu loben statt zu schelten", betonte Selmayr unter Verweis darauf, dass von der Leyen demonstrativ die Vorreiterrolle Bulgariens und Rumäniens im Kampf gegen illegale Migration hervorgestrichen habe statt die Blockade ihrer Beitritte zum Schengen-Raum zu kritisieren. Auch sei Österreich nicht das einzige Land, das diesbezüglich blockiere, fügte er hinzu.
Klar positionierte sich der frühere enge Mitstreiter von von der Leyens Vorgänger Jean-Claude Juncker, was die künftige Europawahl betrifft. "Ich teile die Sorge, dass es in einigen Staaten Europas einen Drang zu extremistischen Parteien gibt, auf der Rechten und Linken", sagte auf eine entsprechende Publikumsfrage. Man dürfe aber "nicht jetzt die Hände in den Schoß legen" und sagen "um Gottes Willen, die Extremisten werden gewinnen". Wichtig sei, dass auch nach der Wahl die Mitteparteien die Mehrheit haben, "dann wird Europa funktionieren".
Als eine "klare, starke Rede, was die Ukraine betrifft", wertete der ukrainische Botschafter Wassyl Chymynez die Ansprache der Kommissionspräsidentin. "Das Highlight war für mich, dass die Zukunft der Ukraine in Europa liegt." Auch Selmayr hob das klare Bekenntnis von der Leyens zur EU-Erweiterung hervor. Sie habe "mehrmals über eine EU 30+ geredet". Er könne sich nicht erinnern, dass einer ihrer Vorgänger das jemals getan habe. Dabei habe sie auch neuralgische Themen wie das Geld angesprochen, sagte Selmayr unter Verweis auf das Landwirtschaftsbudget, das sich ohne Reformen verdreifachen könnte. In diesem Zusammenhang verwies er auch auf verbreitete Erweiterungsskepsis in der österreichischen Bevölkerung, während die Regierung in Wien "einer der größten Befürworter der Erweiterung" sei.
"Der Zug in Richtung Erweiterung ist bereits auf der Hochgeschwindigkeitsstrecke. Wer dabei sein will, der muss sich jetzt bewegen", betonte Selmayr in Richtung der Beitrittsländer. Brandstätter hatte zuvor mangelnden Reformeifer von Westbalkanstaaten - gerade auch im Vergleich zur Ukraine - kritisiert und gefordert: "Es muss auch die EU-Kommission sagen, wir wollen euch aufnehmen, aber ihr müsst euch vorbereiten. Ihr seid nicht vorbereitet."
Selmayr hatte sich schon vor seinem "Blutgeld"-Sager mit Aussagen zur Wort gemeldet, die von der österreichischen Regierung als Kritik verstanden wurden. So äußerte sich der studierte Europarechtler etwa in der von Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) losgetretenen Sommer-Debatte über eine Verankerung des Bargelds in der Verfassung und wies darauf hin, dass es einen solchen Beschlusses nicht bedürfe, weil das Euro-Bargeld im EU-Vertragsrecht festgeschrieben sei. Während Selmayr für seine Kritik an den österreichischen Gaszahlungen aus verschiedenen Parteien Zuspruch erhielt, lässt die FPÖ nicht locker. Sie fordert weiterhin seine Abberufung und rief am Dienstag auch die Grünen Minister Johannes Rauch und Alma Zadic auf, eine Teilnahme an einer Podiumsdiskussion mit Selmayr in der kommenden Woche abzusagen.
Zusammenfassung
- Der wegen seiner "Blutgeld"-Sagers von Wien und Brüssel gerüffelte EU-Kommissionsvertreter Martin Selmayr will seinen Job in Österreich nicht aufgeben.
- "Wie Sie sehen, ich mache meinen Job, und ich werde immer meinen Job machen, bis zur Pensionierung", sagte Selmayr der APA am Mittwoch bei einer Veranstaltung im Haus der Europäischen Union.
- "Das Highlight war für mich, dass die Zukunft der Ukraine in Europa liegt."