Schlusslicht Österreich: Land der Ungleichheit?
Blickt man in das aktuelle Regierungsprogramm, dann sieht die Regierung vor, Frauen ein Leben zu ermöglichen, das "selbstbestimmt, ökonomisch unabhängig und frei von Gewalt oder Angst vor Diskriminierung" ist. Dieses Ziel will die Bundesregierung bis 2024 – also bis zum kommenden Jahr – umgesetzt haben. Doch schon im finanziellen Bereich herrscht in Österreich ein großes Ungleichgewicht – zumindest laut aktuellen Studien. Denn die Statistik zeigt derzeit folgendes Bild: Ein Land, in dem der Lohnunterschied groß ist und zu wenig Frauen in der Führungsebene sitzen.
Großer Gender Pay Gap
Mit einem Lohnunterschied von 18,8 Prozent liegt Österreich innerhalb der EU am vorletzten Platz, nur in Estland ist der sogenannte Gender Pay Gap größer. Das zeigt eine Datenerhebung der Statistik Austria. Dieser Unterschied könne zum Teil dadurch erklärt werden, dass Frauen öfter in schlechter bezahlten Dienstleistungsberufen und Branchen mit geringeren Verdienstmöglichkeiten arbeiten, meint die Statistik Austria. Männer seien hingegen häufiger in besser bezahlten technischen Berufen und in Führungspositionen zu finden.
"Frauen sind mehrheitlich in schlecht bezahlten Jobs", bestätigt auch Simone Hudelist, Studienautorin bei der Arbeiterkammer. Dass der Gender Pay Gap gerade in Österreich so groß ist, liege laut Hudelist daran, dass Frauen nicht die gleiche Aufmerksamkeit und auch nicht die gleichen Jobs haben wie Männer. "Es muss sich unser Verständnis ändern", fordert sie daher im PULS 24 Interview. An schlechteren Qualifikationen liegt es hingegen keineswegs: Nach der Höhe der Ausbildung müssten Frauen nämlich rein rechnerisch bereits mehr verdienen als Männer, betont auch die Statistik Austria.
Um die Lücke zu schließen arbeite die Regierung an einer "maßgeblichen Verbesserung der Lohntransparenz", erklärt die Grüne Klubobfrau Sigrid Maurer am Weltfrauentag. Das sei laut der SPÖ-Bundesfrauenvorsitzende Eva-Maria Holzleitner auch dringend notwendig. Denn "Gehaltsdebatten sind noch immer große Geheimniskrämerei", erklärt sie gegenüber PULS 24.
Eva-Maria Holzleitner spricht bei PULS 24 über die Schwachstellen von Frauenpolitik in Österreich.
Kaum Frauen in der Chefetage
Mehr Gehalt gibt es unter anderem in Führungspositionen, doch auch da sind Frauen in Österreich selten zu finden. Laut einer Studie der Arbeiterkammer sind nur 19 von 212 Chefsessel der großen heimischen Unternehmen weiblich besetzt. Das entspricht einem Anteil von 9,5 Prozent. Österreich rangierte damit auch in diesem Bereich weit hinter dem EU-Schnitt von 21,1 Prozent auf dem vorletzten Platz.
Laut Hudelist habe sich in ihren Studien gezeigt, dass in Unternehmen oft nach dem Ähnlichkeiten-Prinzip Posten besetzt werden. Demnach würden männliche Vorgesetzte Männer als Bewerber bevorzugen. "Die Wahrscheinlichkeit, dass ein Vorstand Peter heißt, ist in Österreich größer, als dass es eine Frau ist", kritisiert sie im PULS 24 Interview.
Simone Hudelist, Studienautorin bei der Arbeiterkammer, spricht bei PULS 24 über eine Frauenquote in Führungspositionen von Unternehmen.
Um dieser Entwicklung entgegenzuwirken, fordert die Arbeiterkammer eine verpflichtende Frauenquote ab drei Vorstandsmitgliedern. Damit würde der Frauenanteil laut Arbeiterkammer auf 27,4 Prozent ansteigen. Als positives Beispiel nennt Hudelist die Quote in den Aufsichtsräten börsennotierter Unternehmen. Diese wurde 2018 eingeführt und habe dazu geführt, dass mittlerweile mehr als ein Drittel der Aufsichtsräte weiblich ist - das sind 35 Prozent.
Österreich hat allerdings bis Ende Juni 2026 Zeit, eine entsprechende EU-Richtlinie umzusetzen. Diese sieht zwei Möglichkeiten vor: Entweder eine Anhebung der Quote in Aufsichtsräten auf 40 Prozent oder eine 33-prozentige Quote sowohl in Aufsichtsgremien als auch im Management. Dabei will die Regierung "mit gutem Beispiel für die Privatwirtschaft" vorangehen, wie es im Regierungsprogramm heißt. Doch laut Hudelist sei hier die Dynamik bereits abgeflacht: "Wir stehen an". Umso wichtiger sieht sie daher die Rolle von verpflichtenden Frauenquoten: "Was man nicht mehr machen muss, das machen wir auch nicht freiwillig. (…) Freiwilligkeit ist gut, funktioniert aber nicht in Österreich".
Unternehmensberaterin Desiree Jonek-Lustyk spricht im Interview darüber, was sich in Chefetagen ändern muss.
Frauen sind öfters in Teilzeitarbeit
"Führungspositionen, so wie wir das aktuell verstehen, sind nicht sehr familienfreundlich", meint auch Unternehmensberaterin Desiree Jonek-Lustyk auf PULS 24. Die Kinderbetreuungspflicht ist daher oft ein Grund für Frauen, vermehrt in Teilzeit zu arbeiten. Das zeigt auch die Statistik: Bei Frauen mit Kindern unter 15 Jahren war Teilzeitbeschäftigung die dominierende Form der Erwerbsarbeit, erklärte die Statistik Austria. 2021 lag die Teilzeitquote der 25- bis 49-jährigen Frauen mit Kindern unter 15 Jahren bei 72,8 Prozent.
Ganztagsbetreuung sei daher eine Grundvoraussetzung für eine höhere Erwerbsbeteiligung der Frauen, betont auch Carmen Treml von der Agenda Austria. Denn ohne Ganztagsbetreuung würden sich viele Frauen schon alleine aus finanziellen Gründen dafür entscheiden, die Kinderbetreuung selbst zu übernehmen, weil die Betreuungskosten oft höher wären als der zusätzliche Lohn. Sigrid Maurer nimmt bei der Kinderbetreuung die Bundesländer in die Pflicht und mahnt hier zu mehr "Tempo". Der von den Grünen geforderte Rechtsanspruch auf eine ganztägige Kinderbetreuung ab dem ersten Lebensjahr ist übrigens weiterhin nicht in Aussicht - wichtiger sei, dass das Angebot überhaupt da sei, befand hingegen Jugendstaatssekretärin Claudia Plakolm am Weltfrauentag.
ÖGB-Vizepräsidentin Corinna Schumann zur Gleichstellung.
Unfaire Teilzeitdebatte
Zuletzt sorgte ein Vorstoß von Arbeitsminister Martin Kocher zur Kürzung der Sozialleistungen bei Teilzeitarbeit für Kritik. Damit wolle Kocher Vollzeit-Arbeit attraktiver machen, um so dem kommenden Arbeitskräftemangel entgegenzuwirken. Nach heftiger Kritik ruderte Kocher kurz darauf zurück und betonte, dass Mütter mit Betreuungspflichten "natürlich tabu" seien.
Dass Kocher hier die Teilzeit "als Privilegien-Situation" betrachtet habe, sei laut der ÖGB-Vizepräsidentin Corinna Schumann unfair. Frauen seien besonders durch die vielen Krisen und die Teuerung stark belastet. Dementsprechend "bestürzend" sei laut Schuhmann daher auch die Lage in Österreich im Bereich der Gleichstellung.
Oder wie es auch Claudia Plakolm passend sagte: Bis zur tatsächlichen Gleichstellung sei es "noch ein langer Weg".
Zusammenfassung
- Die Ungleichheit zwischen Frauen und Männern ist weiterhin groß.
- Das belegen auch aktuelle Studien.
- Diese zeigen zudem, dass Österreich auch im EU-Vergleich bei der Gleichstellung am Arbeitsmarkt oft weit unter dem Durchschnitt liegt.