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Michael Turinsky tanzt mit Hammer gegen den Rechtsruck an

"Man darf einen Hammer-Tanz erwarten!", lächelt Michael Turinsky. Inspiriert von einem Gedicht, das Pier Paolo Pasolini dem kommunistischen Denker Antonio Gramsci widmete, tanzt der Wiener Choreograf, Performer und Philosoph in "Work Body" eine kritisch-einfühlsame Antwort auf den Rechtsruck im Arbeitermilieu. Mit der APA sprach der zweifache Nestroy-Preisträger über den Aufstieg des Populismus und den Körper als Politikum. Uraufführung ist am Freitag im Tanzquartier Wien.

Seine körperliche Behinderung, eine angeborene Lähmungserkrankung, ist für den 1978 geborenen Turinsky kein Hindernis. Als kleiner Bub habe er schon im Garten der Großeltern herumgetollt, erinnert er sich. "Die Entdeckung des Tanzes war eigentlich eine Rückkehr zu diesem körperlichen Spiel." Aber dieses "Spiel" ist bei dem schlagfertigen Körperphilosophen immer auch politisch. Die Idee von seiner neuen Performance "Work Body" sei gewesen, "eine choreografische Antwort auf den Rechtsruck im Arbeitermilieu zu geben". Denn populistische Strömungen hätten allerorts Konjunktur.

Und so wirft der zweifache Nestroy-Preisträger ("Precarious Moves", "Ravemachine") und Verfechter des inklusiven Tanzes seinen Körper, mit dem Hammer zwischen den Zähnen und einem Mikrofon bewaffnet, ein weiteres Mal ins Spiel. Ganz im Zeichen des italienischen Dichters und Filmemachers Pier Paolo Pasolini, ein bekennender Marxist, der davon sprach den "Körper in den Kampf zu werfen". Pasolini Werk war es auch, das Turinsky den Anstoß zu seinem neuen Stück gab.

Um genau zu sein, war es ein Gedicht, das den Performer faszinierte: "Gramsci's Asche", das Pasolini dem marxistischen Theoretiker Antonio Gramsci gewidmet hatte, einem der Mitbegründer der kommunistischen Partei Italiens. "Man hört aus dem Gedicht eine gewisse Traurigkeit heraus und zwar darüber, dass mit dem Tod Gramscis auch sein Ideal einer gleichen Gesellschaft verloren gegangen ist", sagt Turinsky. "Deine Ideale", steht dort geschrieben, "jetzt ebenso tot wie du in diesem feuchten, veralteten Friedhof ..."

Auf der Suche nach dem "guten Kern"

Im Zuge der "schwierigen politischen Entwicklungen", wie er sagt, hat sich Turinsky viel mit Gramsci befasst, der wie er selbst, körperlich schwer beeinträchtigt war, und seine Theorien zu ideologischer Unterdrückung in faschistischer Gefangenschaft schrieb. "Gramsci hat den Begriff des 'senso comune' geprägt, den Gemeinsinn, ein Wirrwarr aus Gedanken und Gefühlen und Bestrebungen, die wir haben, und in diesem 'senso comune' gibt es auch einen 'buon senso', einen 'guten Kern'. Den gilt es herauszuschälen und darauf aufbauend eine gegenhegemoniale Kultur aufzubauen."

Die gesellschaftspolitischen Entwicklungen in Österreich beängstigen ihn: "Ich mache mir selbstverständlich große Sorgen, weil ich glaube, es wird für die Arbeitnehmer:innen nichts Gutes heißen, auch wenn sie großteils rechts gewählt haben. Derzeit ist auch für mich diese nationale Abschottung und die Verrohung im Diskurs über Menschen, die nicht in Österreich geboren sind, extrem beunruhigend, und was die jüngsten Entwicklungen für die Klimapolitik bedeuten, natürlich auch."

Im Geiste Gramscis und Pasolinis arbeitet sich der unermüdliche Turinsky also kritisch an den Themen unserer Zeit ab, auf der Suche nach etwas Gutem, und bringt zusammen, was auf den ersten Blick nicht zusammen zu passen scheint: den behinderten und den arbeitenden Körper, der für Turinsky noch nie ein Widerspruch war. Sein Credo ist ein empathisches: "Man muss sich auch hineinfühlen", betont er. "Was disponiert Arbeitnehmer:innen dazu, rechts zu wählen? Welche Sensibilität liegt dem zugrunde? Welche Bestrebungen, Gefühlslagen und Triebschicksale? Das aufzugreifen und dem eine neue, aber progressive Artikulation zu verleihen, das wäre mein Vorschlag."

(Das Gespräch führte Marietta Steinhart/APA)

ZUR PERSON: Michael Turinsky ist ein 1978 geborener, in Wien lebender, körperlich behinderter Künstler und studierter Philosoph, der an der Schnittstelle von zeitgenössischem Tanz und Performance, Behinderung sowie politischer und ästhetischer Theorie arbeitet. Seine Soloarbeit "Precarious Moves" wurde 2021 mit dem Nestroy-Preis für die beste Off-Produktion ausgezeichnet. Für "Ravemachine" erhielt er im Jahr 2017, gemeinsam mit Doris Uhlich, den Nestroy-Spezialpreis. 2023 wurde er als "Outstanding Artist" ausgezeichnet.

(S E R V I C E - "Work Body" im Tanzquartier Wien, Wien 7, Museumsplatz 1, Uraufführung am 24. Jänner, 19.30 Uhr. Idee, Choreografie, Text, Performance: Michael Turinsky; Musik, Lyrics, Performance: Tian Rotteveel; Raum und Kostüm: Jenny Schleif; Lichtdesign: Max Rux; Dramaturgische Beratung: Chris Standfest; Künstlerische Mitarbeit: Liv Schellander; Produktionsleitung: Anna Gräsel. Weitere Aufführung am 25. Jänner. https://tqw.at/event/work-body-turinsky)

ribbon Zusammenfassung
  • Michael Turinsky präsentiert am 24. Januar im Tanzquartier Wien seine neue Performance 'Work Body', inspiriert von einem Gedicht Pasolinis.
  • Der zweifache Nestroy-Preisträger thematisiert den Rechtsruck im Arbeitermilieu und verbindet seine körperliche Behinderung mit politischem Ausdruck.
  • Turinsky untersucht die Gründe für den Populismus in Österreich und strebt eine neue, progressive Artikulation an.