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"Sackgasse Rafah": Wohin die Bevölkerung noch flüchten kann

Mehr als die Hälfte der Bevölkerung des Gazastreifens sucht aktuell Schutz in der Stadt Rafah im Süden des Gazastreifens. Israel plant eine Bodenoffensive, wohin die rund 1,3 Millionen Menschen flüchten werden, ist ungewiss.

Die Einwohnerzahl Rafahs ist in den vergangenen Wochen um das Fünffache angewachsen. Millionen Palästinser:innen sind aufgrund der Angriffe im Norden Gazas in den äußersten Süden des Gazastreifens geflohen - auch auf Anordnung Israels.

Vor dem Krieg hatte Rafah rund 300.000 Einwohner:innen, mittlerweile sind es laut Angaben der UNO rund 1,3 Millionen. Mehr als die Hälfte der Bevölkerung des Gazastreifens sucht dort aktuell Schutz vor den Kämpfen. 

​​​​​​​Wohin diese Menschen gehen können, wenn es zu der angekündigten Bodenoffensive Israels auf Rafah kommt, ist nicht klar. Im "Ö1"-Morgenjournal ist von der "letzten Sackgasse dieses Krieges" die Rede.

Karim El-Gawhary berichtet in einer Reportage für das Morgenjournal von der Lage in einer Zeltstadt am Rande Rafahs, direkt neben dem ägyptischen Grenzwall.

Weiter-Flucht nach der Bodenoffensive

Ein fünfzig Jahre alter Palästinenser schildert in dem Beitrag, er habe auf seiner Flucht "die sieben Plagen" gesehen. Vor etwa einem Monat sei er aus dem Zentrum des Gazastreifens nach Rafah gekommen. Hier stünde er ohne Kleidung zum Wechseln da, es gäbe kaum Essen. 

Wenn die Bodentruppen kommen, werde der 50-Jährige versuchen, nach Ägypten zu fliehen - oder wieder zurück in den Norden.

Eine Mutter, sie ist mit ihrer Familie mittlerweile seit fünf Monaten auf der Flucht, übt scharfe Kritik an der israelischen Regierung: "Ihre Worte bedeuten nichts, sie vertreiben uns von einem Platz zum anderen und überall sterben die Menschen."

Man sei immer geflohen, wenn man dazu aufgefordert wurde: von Gaza Stadt in den mittleren Teil des Gazastreifens, nach Khan Younis und schließlich nach Rafah. Nun sei es auch hier nicht sicher. Gestern sei ihr Neffe getötet worden, laut der Frau ein unbewaffneter junger Mann. 

Wohin man flüchten wird, wenn die israelische Armee eine Bodenoffensive in Rafah beginnt, kann die Mutter nicht beantworten.

Zivilbevölkerung soll in den Norden zurück

Sollte sich Israel zu der Offensive entschließen, würde das Militär versuchen, die Zivilbevölkerung nach Norden - aus der Kampfzone heraus, aber innerhalb des Gazastreifens - zu verlagern, zitierte das "Wall Street Journal" einen ranghohen Vertreter des israelischen Militärs.

Am Montag hatte die Zeitung zudem von einem Vorschlag Israels berichtet, ausgedehnte Zeltstädte für die zu evakuierende Bevölkerung der Stadt zu errichten.

Unter Berufung auf ägyptische Beamte schilderte das "Wall Street Journal", dass zur Evakuierung die Errichtung von 15 Lagern mit jeweils rund 25.000 Zelten im südwestlichen Teil des abgeriegelten Küstengebietes vorgesehen seien.

Ägypten soll Wüstenlager bauen

Ägypten baut einem Medienbericht zufolge indessen aus Sorge vor einer Massenflucht aus dem Gazastreifen in der Wüste ein massives Auffanglager, umzäunt von hohen Betonmauern.

In dem Lager könnten mehr als 100.000 Menschen in Zelten untergebracht werden, verlautete aus Sicherheitskreisen. Offiziell wurden derartige Vorbereitungen jedoch dementiert.

Luftangriffe auf Rafah

Am vergangenen Wochenende führte die israelische Armee bereits mehrere Luftangriffe auf Rafah durch, wobei laut palästinensischen Angaben bereits über 100 Menschen ums Leben kamen. Unabhängig überprüfen ließen sich diese Angaben zunächst nicht. 

Bereits am vergangenen Freitag hatte Ministerpräsident Benjamin Netanjahu Israels Streitkräfte dazu angeordnet, eine Bodenoffensive in der Stadt im südlichen Zipfel des Gazastreifens vorzubereiten. Dort gebe es noch immer verbleibende Hamas-Verbände, begründete Netanjahu.

Internationale Kritik an geplanter Offensive

Angesichtes der Hunderttausenden Flüchtlinge, die in Rafah Schutz gesucht haben, stehen die Luftangriffe sowie die geplante Offensive in Rafah international in der Kritik

Dem US-Präsidialamt zufolge hat US-Präsident Joe Biden den israelischen Ministerpräsidenten am Donnerstag zum wiederholten Male vor einer Militäroperation im Süden des Gazastreifens gewarnt. In einem Telefonat soll er ihn darauf hingewiesen haben, dass Israel ohne einen Plan zum Schutz der palästinensischen Zivilbevölkerung keine Militäraktion in Rafah starten könne.

Netanjahu hatte erklärt, dass man für die Zivilbevölkerung sichere Korridore gewährleisten will. Ein detaillierter Plan werde ausgearbeitet, Genaueres ließ er zunächst offen.

ribbon Zusammenfassung
  • Die Einwohnerzahl Rafahs ist in den vergangenen Wochen um das Fünffache angewachsen. 
  • Millionen Palästinser:innen sind aufgrund der Angriffe im Norden Gazas in den äußersten Süden des Gazastreifens geflohen - auch auf Anordnung Israels.
  • Bereits am vergangenen Freitag hatte Ministerpräsident Benjamin Netanjahu Israels Streitkräfte dazu angeordnet, eine Bodenoffensive auf Rafah vorzubereiten. 
  • Wohin diese Menschen gehen können, wenn es zu der angekündigten Bodenoffensive Israels auf Rafah kommt, ist nicht klar.
  • Im "Ö1"-Morgenjournal ist von der "letzten Sackgasse dieses Krieges" die Rede.
  • Sollte sich Israel zu der Offensive entschließen, würde das Militär laut Medienberichten versuchen, die Zivilbevölkerung nach Norden zu verlagern. Auch Ägypten werde Ziel von Flüchtlingen werden.