Lopatka: FPÖ wird "zunehmend zu Führerpartei"
Keine Koalition mit der FPÖ, zumindest so lange Herbert Kickl Parteichef ist - und ausgenommen sind Landesregierungen. Das ist die momentane Linie der meisten ÖVP-Politiker:innen. Bundeskanzler Karl Nehammer wiederholte sie zuletzt in der ZiB2.
In diesem Interview am vergangenen Donnerstag wollte Nehammer noch nicht sagen, wer für die ÖVP bei der EU-Wahl im Juni antritt. Er wisse es schon, sagte er aber. Am Montag wurde es dann fixiert: Der Bundesparteivorstand der Volkspartei beschloss einstimmig, dass der 63-jährige frühere Staatssekretär und derzeitige außenpolitische Sprecher Reinhold Lopatka in die Wahl führen soll.
Scharfe Kritik an FPÖ
Am Dienstag trat dieser schließlich vor die Presse und erklärte, er sehe die FPÖ zunehmend als "Führerpartei", Kickl sei "zunehmend die FPÖ". Deren Spitzenkandidat Harald Vilimsky sehe Europa als ein Feindbild. Lopatka hingegen habe "ein Freundbild." Die Freiheitlichen wollten die EU zerstören und fungierten auch als verlängerter Arm des russischen Präsidenten Wladimir Putin. Im Gegensatz zu anderen in seiner Partei unterscheidet Lopatka daher auch "nicht groß" zwischen FP-Chef Herbert Kickl und den Freiheitlichen insgesamt.
Karas gratulierte
Der Anruf von Nehammer sei für ihn zwar überraschend gekommen, meinte er. Er sei aber "nicht unvorbereitet", da es "kein Thema" gebe, mit dem er sich so lange beschäftigen würde, wie Europa. Er habe einen "klaren Kompass" und wolle auf der Seite derjenigen stehen, die sich "für Freiheit und Demokratie" einsetzen.
Wegen Differenzen mit der Parteiführung hatte der Vizepräsident des EU-Parlaments Othmar Karas im Oktober bekanntgegeben, nicht mehr anzutreten. Der ÖVP dürfte es nicht leicht gefallen sein, einen Ersatz zu finden. Auf Twitter zeigte sich Lopatka nun aber erfreut über eine Gratulation Karas'.
https://twitter.com/ReinholdLopatka/status/1746850531207684528
Lopatka bezeichnete die Wahl als "richtungsentscheidende Wahl" und verwies auf seine Erfahrungen in der internationalen Politik, so habe er etwa mit dem früheren Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker, dem aktuellen luxemburgischen Premier Luc Frieden oder dem früheren deutschen Finanzminister Wolfgang Schäuble zusammengearbeitet.
Asyl-Verfahren in Drittstaaten
Angela Merkels "Wir schaffen das" aus dem Jahr 2015 erteilte Lopatka eine Absage. Die EU habe in der Migration nun eingesehen, dass wir "es nicht schaffen", meinte er. Man sei aus seiner Sicht dabei aber nicht nicht am Ziel.
In der Asylpolitik will er Verfahren ausschließlich an den Außengrenzen oder in Drittstaaten, in der Wirtschafts- und Industriepolitik will er sich dem "Diktat der Straße" durch "Klimakleber" nicht beugen und von der EU selbst verlangt er mehr Subsidiarität. Deutlich wandte er sich auch gegen eine "Schuldenunion".
Deutlich auf Distanz ging Lopatka auch zum ungarischen Premier Viktor Orban. Es sei sehr schade, wie dieser und seine Partei sich entwickelt hätten. Von Seiten Orbans habe es Grenzüberschreitungen gegeben, denen er nicht folgen könne. Doch als "grenzenloser Optimist" blicke er nach Polen, wo auch eine politische Wende stattgefunden habe: "Es gibt auch eine Nach-Orban-Ära." Denn die Zusammenarbeit mit Ungarn sei gerade für Österreich wichtig.
Keine Infos über weitere Kandidat:innen
Als seine Vision für die EU schilderte Lopatka, dass diese weniger machen müsse, das aber effizienter. Konzentrieren solle man sich auf die großen Dinge, die nationalstaatlich gar nicht lösbar seien, sprach er etwa die künstliche Intelligenz oder den Klimawandel an. Zu letzterem Thema meinte er: "Mein Zugang ist ein rationaler und kein moralisch aufgeladener." Es brauche technische Lösungen und kein "Diktat der Straße".
Mehr Mittel vonnöten sind aus seiner Sicht für eine Stärkung der Sicherheits- und Verteidigungsbereitschaft. Wann die weiteren Kandidaten der ÖVP für die EU-Wahl präsentiert werden, sagte Lopatka nicht, er scheint aber informiert. Die Volkspartei werde jüngere Kandidaten an wählbarer Stelle haben als die anderen Parteien.
Zusammenfassung
- Reinhold Lopatka geht als ÖVP-Spitzenkandidat in die EU-Wahl. Er sei überrascht, aber nicht unvorbereitet gewesen, sagt er bei einer Pressekonferenz am Dienstag, bei der er Kritik an der FPÖ und an Ungarn übte.
- Er erklärte, er sehe die FPÖ zunehmend als "Führerpartei", Kickl sei "zunehmend die FPÖ". Deren Spitzenkandidat Harald Vilimsky sehe Europa als ein Feindbild: "Ich haben ein Freundbild."
- In der Asylpolitik will er Verfahren ausschließlich an den Außengrenzen oder in Drittstaaten, in der Wirtschafts- und Industriepolitik will er sich dem "Diktat der Straße" durch "Klimakleber" nicht beugen und von der EU verlangt er mehr Subsidiariät.
- Deutlich auf Distanz ging Lopatka auch zum ungarischen Premier Viktor Orban.