Polaschek kündigt breite Strategie gegen Lehrermangel an
Polaschek schwebt ein neues Lehrerbild vor, das "den Ansprüchen des 21. Jahrhunderts gerecht werden" soll. So spiele etwa sozialer Austausch mit den Jungen eine viel größere Rolle als früher, außerdem werde man neue Wege zur Vermittlung bestimmter Themen wie politischer Bildung etc. ausloten. Dieses neue Bild soll auch einfließen in Entwicklungen und Reformen etwa bei Schulqualitätsrahmen, Schulleitungsprofil und neuen Lehrplänen, die der Minister bereits ein Jahr vor Inkrafttreten der gerade erst fertiggestellten Neufassung schon wieder reformieren will. Polaschek will auch hinterfragen, welche Aufgaben die Schule erfüllen kann. In der Debatte über die Lehrpläne habe sich gezeigt, dass es hier sehr hohe Erwartungen gebe, nicht alle könne die Schule erfüllen.
Um mehr Personen für den Lehrberuf zu gewinnen, soll Schule außerdem als attraktiver Lebens- und Arbeitsraum positioniert werden. Österreich habe ein sehr gutes Schulsystem, das werde in der Gesellschaft viel zu wenig wertgeschätzt. Der Lehrberuf soll unter Schülern stärker beworben werden, auch etwa im Rahmen der Berufsorientierung oder durch Besuche von Projekttagen an besonders innovativen Schulen.
Ein intensiver Fokus soll bei der Strategie auch auf Personalmanagement und Recruiting liegen. Mit einer in den kommenden Wochen startenden, 600.000 Euro schweren Kampagne will das Ministerium in Printmedien und auf Social Media gezielt unterschiedliche Zielgruppen ansprechen. Über www.klassejob.at sollen Interessierte passgenau erfahren, wie sie in das Schulsystem kommen und wer wo gesucht wird. Ein Bedarfsrechner zeigt, welche Fächer gefragt sind und wo besonders viel Personal gebraucht wird. Um die Personaleinstellung zu verbessern, sollen in den Bildungsdirektionen Abläufe etwa beim Bewerbungsprozess verbessert werden.
Dritter Teil der Strategie ist die angekündigte Überarbeitung der Lehrerausbildung. Ziel müsse sein, dass jeder Lehrer bereits nach dem Bachelorabschluss als Vollzeit-Lehrperson arbeitet und den Master berufsbegleitend absolviert. Fix ist bereits die Umstellung bei der Volksschullehrer-Ausbildung von derzeit vier Jahren Bachelor- und einem Jahr Masterstudium auf drei Jahre Bachelor plus zwei Jahre Master. Die entsprechende Novelle soll laut Polaschek 2023 beschlossen werden, 2024/25 kann die neue Ausbildung dann starten. Die Pflicht zum Masterabschluss soll im Sinne der Qualitätssicherung aber bleiben.
Um den Übergang in den Beruf zu verbessern, sollen die praxisorientierten Studieninhalte verbessert werden. Außerdem soll geprüft werden, ob neben dem klassischen Studium mit zwei Unterrichtsfächern Fächerbündel wie Science angeboten werden, deren Absolventinnen und Absolventen dann in mehreren Fächern einsetzbar sind. Dadurch könnte man fachfremden Unterricht verringern.
Die Strategie soll laut Polaschek nicht zeitlich begrenzt, sondern nachhaltiger und langfristiger Schwerpunkt der Arbeit des Bildungsressort sein. Die Bezeichnung als "größte Lehrkräfteoffensive der Zweiten Republik" ist für ihn nicht zu hoch gegriffen. Bisher seien nur punktuelle Änderungen vorgenommen worden, "in dieser Kombination hat es das noch nie gegeben". Neben der Kampagne will Polaschek übrigens auch die mit einem Drittel recht hohe Teilzeitquote bei Lehrern angehen. Jenen, die mehr arbeiten wollen, soll das ermöglicht und Teilzeitkräfte zu mehr Unterrichtsstunden ermutigt werden.
Von der Schülervertretung wurden Polascheks Ankündigungen positiv aufgenommen. Immerhin sei der Lehrermangel an immer mehr Schulen spürbar, wenn Stunden ausfallen und mangels Lehrpersonal nicht mehr nachgeholt oder suppliert werden können, so Bundesschulsprecherin Flora Schmudermayer von der ÖVP-nahen Schülerunion. Sie hob vor allem die Aufwertung des Lehrerberufs und das Ansetzen bei der Berufsorientierung positiv hervor. Von den NEOS gab es Unterstützung für den Plan, die Studierbarkeit des Lehramtsstudiums zu verbessern und die Wichtigkeit des Berufs zu kommunizieren. Eine "positive Erzählung" von Schule werde aber nicht reichen, um den Lehrermangel zu bekämpfen, so Bildungssprecherin Martina Künsberg Sarre in einer Aussendung. Es brauche "handfeste Verbesserungen im Arbeitsalltag".
Für die Wirtschaftskammer (WKÖ) ist die neue Initiative "das richtige Signal im Hinblick auf eine Modernisierung des Lehrer:innenberufs", Lob gibt es vor allem für die geplanten Änderungen bei der Lehrerausbildung. Beim bereits mit diesem Schuljahr gestarteten Quereinsteiger-Modell bräuchte es laut WKÖ eine Berücksichtigung der Vordienstzeiten in der beruflichen Ausbildung bei der Gehaltseinstufung, wenn mehr Personal über diese Schiene gefunden werden soll. Außerdem plädierte Vize-Generalsekretärin Mariana Kühnel dafür, dass Schulleiter selbst für die Personalrekrutierung zuständig und direkte Bewerbungen am Schulstandort - abseits von Wartelisten - möglich sein sollen. Die Industriellenvereinigung (IV) erwartet sich durch die angekündigten Maßnahmen eine Entspannung des Lehrermangels. "Entscheidend ist, dass es gelingt, die Bildungseinrichtungen zu öffnen und ein modernes Bild von Schule und Lehrberuf zu zeichnen", so IV-Generalsekretär Christoph Neumayer.
Zusammenfassung
- In einigen Regionen und Fächern gibt es in Österreich schon seit Jahren zu wenig ausgebildetes Lehrpersonal, zuletzt hat der Mangel sich verschärft.
- Neben einer Weiterentwicklung der Ausbildung soll eine neue Erzählung von Schule und das Recruiting neuer Zielgruppen mehr Personal bringen, sagte er vor Journalisten.
- Ein Bedarfsrechner zeigt, welche Fächer gefragt sind und wo besonders viel Personal gebraucht wird.