ORF-Gesetz "ordnungspolitisches Versagen letzter Klasse"
Das von der Bundesregierung auf den Weg gebrachte ORF-Digitalnovelle schlägt nach wie vor hohe Wellen und sorgt in der Branche für Aufregung. Bei einem "Milborn Spezial" diskutiert dazu eine Runde aus Medienvertreter:innen und Grünen-Klubchefin Sigrid Maurer.
"Größte medienpolitische Kopflosigkeit"
Für Hubert Patterer, Geschäftsführer und Chefredakteur der Kleinen Zeitung, ist diese Gesetzesvorlage "die größte medienpolitische Kopflosigkeit und Achtlosigkeit in diesem Land seit vielen Jahrzehnten", wie er bei PULS 24 Infochefin Corinna Milborn erklärt.
Die zentrale Frage für die Regierung sei offenbar gewesen: Wie sichere ich den größten Player und jetzt schon stärksten Markteilnehmer, den ORF? Für die "demokratische Kultur in diesem Land" wäre es aber eher von Vorteil gewesen, sich zu fragen, wie man die Medien-, Meinungs- und Informationsvielfalt in Österreich sichern kann. Patterer ortet daher "ein großes ordnungspolitisches Versagen letzter Klasse" vonseiten der Regierung.
Keine fairen Wettbewerbsbedingungen?
Grünen-Klubchefin Sigrid Maurer verteidigt hingegen die Gesetzesnovelle. Die Medienreformen würden nicht nur den öffentlich-rechtlichen Rundfunk betreffen, die Politik würde nicht nur "an den ORF denken". Man habe "so viel öffentliches Geld in Qualitätsförderung für private Medien wie noch nie zuvor" gesteckt, so Maurer.
Dies sei ein wichtiger Meilenstein, der schon seit Jahren gefordert worden sei. Mit dem Qualitätsjournalismus-Förderungsgesetz würden die bisherigen verfügbaren Mittel verdreifacht werden, betont die Grünen-Klubchefin. Die gesetzten Maßnahmen würden jedoch nun unter den Tisch fallen, "weil jetzt alle gebannt auf den ORF schauen".
Die ORF-Gesetzesvorlage würde "im Kern alle privaten Bezahlmedien dieses Landes substanziell bedrohen", entgegnet Patterer. Und dies betreffe "so gut wie alle Tageszeitungen" Österreichs, weil diese "durch die Übermacht des ORFs" im digitalen Raum keinerlei Chance hätten, "sich wirtschaftlich und publizistisch zu behaupten". Faire Wettbewerbsbedingungen seien nicht sichergestellt worden.
Drumm: "Gesetz stärkt nur ORF"
Die "Infrastruktur unserer Demokratie" sei nicht der ORF, widerspricht Corinna Drumm, Geschäftsführerin des Verbands Österreichischer Privatsender, der Grünen-Klubchefin Maurer. Die Infrastruktur der Demokratie seien "vielfältige, qualitative Medien" - diese gelte es zu schützen. Ihre Hauptkritik am Gesetzesentwurf ist, dass "dieser eigentlich nur den ORF stärkt". Dieser bekomme Online-Freiheiten und "wahrscheinlich über 50 Millionen" Euro zusätzliches Geld, und das bedrohe natürlich private Medien.
Bei "Milborn" versucht Drumm die Zahlen in Relation zu bringen. Die Privatrundfunkförderung, die es seit vielen Jahren gebe, mache gerade einmal drei Prozent von dem aus, "was der ORF an staatlichen Beihilfen erhält", betont sie. Die Politik habe die Verantwortung, Rahmenbedingungen zu schaffen, die Vielfalt und Qualität im privaten Medienbereich erlauben.
Thurnher: Müssen "immer mehr leisten"
ORF-Radiodirektorin Ingrid Thurnher verteidigt hingegen die finanziellen Förderungen. Der ORF bekomme "Beiträge des Publikums" für das, was man "an Programmauftrag liefern" müsse. Das Geld bemesse sich an den Leistungen, die der ORF im Gegenzug dafür erbringen müsse.
Auch die entstandenen Kosten für den Sender würden von Jahr zu Jahr steigen - Gründe dafür seien die Inflation, mehr Programmaufträge und weil "wir mehr zu leisten haben für das Geld", so Thurnher.
Die ORF-Radiodirektorin findet es wichtig, dass es "qualitätvolle Privatmedien" in Österreich gibt. Man solle jedoch nicht "den ORF schwächen", sondern eher "die anderen stärken".
Zusammenfassung
- In Bezug auf die ORF-Digitalnovelle ortet Hubert Patterer, Chefredakteur der "Kleinen Zeitung", ein "ordnungspolitisches Versagen letzter Klasse" vonseiten der Regierung.
- Der Gesetzesentwurf würde "private Bezahlmedien" in Österreich "substanziell bedrohen".