Nordkorea verschärft Konfrontationskurs gegenüber Südkorea
Nach der Sprengung des gemeinsamen Verbindungsbüros mit Südkorea auf seinem Gebiet verschärft Nordkorea seinen Konfrontationskurs weiter. Die nordkoreanische Armee kündigte am Mittwoch an, die Militärpräsenz im Grenzgebiet zu Südkorea zu erhöhen und Militärübungen wieder aufnehmen zu wollen. Die südkoreanische Regierung in Seoul kritisierte das Vorgehen scharf.
Nach verschärften Drohungen gegen Seoul seit Anfang Juni hatte die Führung in Pjöngjang am Dienstag das Verbindungsbüro in der Grenzstadt Kaesong in die Luft sprengen lassen. Das im September 2018 eröffnete Büro war ein wichtiges Symbol der Annäherung zwischen den beiden koreanischen Staaten, die seit dem Ende des Koreakrieges 1953 bis heute keinen Frieden geschlossen haben. Wegen der Corona-Pandemie hatten beide Regierungen das Büro im Jänner geschlossen.
Die stalinistische Führung in Pjöngjang ist erbost über eine Flugblatt-Aktion südkoreanischer Aktivisten. In den Flugblättern, die meist mit Ballons über die Grenze geschickt werden, wird Nordkoreas Machthaber Kim Jong-un für Menschenrechtsverletzungen und seine Atompolitik kritisiert. Die nordkoreanische Führung wirft der Regierung in Seoul vor, die Aktivisten nicht daran zu hindern. Die nordkoreanische Armee drohte deswegen ihrerseits mit einer "groß angelegten Flugblattaktion".
Ein Angebot des südkoreanischen Präsidenten Moon Jae-in, einen Gesandten nach Nordkorea zu schicken, wies die Führung in Pjöngjang zurück. Es handle sich um einen "taktlosen und finsteren Vorschlag", erklärte Kims einflussreiche Schwester Kim Yo-jong nach Angaben der staatlichen Nachrichtenagentur KCNA. Die Agentur veröffentlichte eine umfassende Schmährede von Kim Yo-jong, in welcher sie den um eine Annäherung bemühten Moon als offenbar "verrückt" bezeichnete.
Seoul reagierte mit ungewöhnlich scharfer Kritik und bezeichnete ihre Äußerungen als "sinnlos" und "sehr unhöflich". Südkorea werde "das unangemessene Vorgehen und die unangemessenen Worte des Nordens nicht länger tolerieren", erklärte ein Sprecher des Blauen Hauses, dem Präsidentensitz in Seoul. Dass Pjöngjang Moons Angebot, einen Gesandten in den Norden zu schicken, öffentlich gemacht habe, sei "in nie da gewesener Weise sinnlos".
Das südkoreanische Verteidigungsministerium erklärte, die Drohungen Pjöngjangs verstießen gegen mehrere innerkoreanische Abkommen."Der Norden wird sicherlich den Preis dafür bezahlen, wenn solche Taten umgesetzt werden."
Die zunehmenden Spannungen veranlassten unterdessen den südkoreanischen Wiedervereinigungsminister Kim Yeon-chul zum Rücktritt. Er erklärte, die Verantwortung für die sich verschlechternden Beziehungen zwischen beiden Ländern zu übernehmen.
Ein nordkoreanischer Militärsprecher kündigte unterdessen auch an, dass Militärverbände in Regimentsstärke in der Gegend von Kaesong und im Touristengebiet des Kumgang-Gebirges stationiert werden sollten. Es sollten wieder nordkoreanische Wachposten in der Demilitarisierten Zone (DMZ) zwischen beiden Staaten eingerichtet werden. Im Grenzgebiet werde es wieder Militärübungen geben.
Die Kumgang-Berge liegen ebenfalls nahe der südkoreanischen Grenze. Sie waren einst Ort eines gemeinsamem Tourismusprojekts Nord- und Südkoreas. Südkoreanische Urlauber durften damals die Gegend besuchen. Das Projekt endete allerdings, nachdem im Jahr 2008 ein nordkoreanischer Soldat eine Südkoreanerin erschossen hatte, die von den vorgeschriebenen Routen abgewichen war.
In Kaesong hatten südkoreanische Unternehmen in der Vergangenheit zudem nordkoreanische Arbeiter beschäftigt - Pjöngjang erhielt Geld für deren Arbeit, was für die nordkoreanischen Behörden lukrativ war. Der Industriekomplex ist aber seit 2016 schon nicht mehr in Betrieb.
Seit im Februar vergangenen Jahres ein Gipfeltreffen zwischen Kim und US-Präsident Donald Trump zum nordkoreanischen Atom- und Raketenprogramm gescheitert war, haben sich die Spannungen zwischen den beiden koreanischen Staaten wieder verschärft. Experten vermuten, dass Nordkorea mittels einer Eskalation des Konflikts mit Südkorea den Druck auf die USA erhöhen will. Westliche Staaten riefen nach der Sprengung des Verbindungsbüros zur Zurückhaltung auf.
Der Konflikt mit Nordkorea um sein Waffen- und Atomprogramm dauert bereits seit Jahrzehnten an. Das abgeschottete und immer wieder mit Drohgebärden agierende Land, das als wichtigsten Verbündeten China hat, ist mit zahlreichen internationalen Sanktionen belegt.
2018 hatten sich Nord- und Südkorea in einer Phase der Entspannung bilateral unter anderem auf die Einstellung von Schießübungen an der Grenze und die Zerstörung von Kontrollposten innerhalb der DMZ geeinigt. Die koreanische Halbinsel befindet sich völkerrechtlich seit dem Ende des Korea-Kriegs (1950-53) noch immer im Kriegszustand. Ein Friedensvertrag zwischen den einstigen Kriegsparteien wurde bis heute nicht geschlossen. Für Südkorea kämpfte damals eine UNO-Truppe unter US-Führung, Nordkorea wurde von einer "Freiwilligen"-Armee aus China unterstützt.
Die Spannungen bedeuten einen großen Rückschlag für die Annäherungspolitik Moons. Das Vorgehen Pjöngjangs hat bei den Menschen in Südkorea Verunsicherung und die Furcht vor einer weiteren Eskalation ausgelöst. Beobachter vermuten, dass Nordkorea auch versuchen könnte, seinen Forderungen nach einer Lockerung der internationalen Sanktionen Nachdruck zu verleihen und den USA und Südkorea Konzessionen abzuringen. "Meine Vermutung ist, dass es verärgert darüber ist, wie wenig in den vergangenen Jahren bei den großen Gesprächen mit Trump und Südkorea (Moon) über einen Durchbruch herausgekommen ist", schreibt der Experte Robert Kelly von der Nationaluniversität Pusan auf Twitter.
Zusammenfassung
- Die nordkoreanische Armee kündigte am Mittwoch an, die Militärpräsenz im Grenzgebiet zu Südkorea zu erhöhen und Militärübungen wieder aufnehmen zu wollen.
- Seit im Februar vergangenen Jahres ein Gipfeltreffen zwischen Kim und US-Präsident Donald Trump zum nordkoreanischen Atom- und Raketenprogramm gescheitert war, haben sich die Spannungen zwischen den beiden koreanischen Staaten wieder verschärft.