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Israel boykottiert Anhörung vor höchstem UNO-Gericht

Heute, 09:54 · Lesedauer 3 min

Israel verweigert die Teilnahme an einer Anhörung vor dem Internationalen Gerichtshof (IGH) in Den Haag. Dabei geht es um Israels Verpflichtungen in den palästinensischen Gebieten. Außenminister Gideon Saar äußerte in Jerusalem schwere Vorwürfe gegen die Vereinten Nationen und insbesondere das UNO-Palästinenserhilfswerk UNRWA. Rechtsvertreter der Palästinenser warfen Israel Völkermord durch die totale Blockade von Hilfsgütern und Nahrungsmitteln im Gazastreifen vor.

"Israel beabsichtigt die Zerstörung unseres Volkes, es will die Auslöschung des palästinensischen Volkes", sagte der Botschafter der palästinensischen Gebiete, Ammar Hijazi, vor dem Internationalen Gerichtshof in Den Haag. Er schilderte die unerträgliche Lage der Bevölkerung im Gazastreifen seit der Blockade der humanitären Hilfe am 2. März. Israel setze humanitäre Hilfe als Waffe ein - das sei ein Kriegsverbrechen.

Der Botschafter sprach zum Auftakt einer Anhörung vor dem höchsten UNO-Gericht zur rechtlichen Verpflichtung Israels, die dringend benötigte humanitäre Hilfe für palästinensische Bürger "sicherzustellen und zu erleichtern". Die UNO-Generalversammlung hatte das Gericht mit einem Rechtsgutachten beauftragt. Gut 40 Staaten werden bei der auf fünf Tage angesetzten Anhörung ihre Stellungnahme abgeben. Bis zur Veröffentlichung des Gutachtens können Monate vergehen.

Saar sagte vor Journalisten in Jerusalem, Israel habe "beschlossen, an diesem Zirkus nicht teilzunehmen". Es handle sich um "einen weiteren Versuch, den Rechtsweg zu politisieren und zu missbrauchen, um Israel zu verfolgen". Ziel sei es, "Israel seines grundlegendsten Rechts auf Selbstverteidigung zu berauben".

Israel wirft der UNRWA vor, von der Hamas unterwandert zu sein. Nach Darstellung Israels beschäftigte das UNRWA mehr als 1.400 bekannte Terroristen, einige seien am Massaker in Israel am 7. Oktober 2023 beteiligt gewesen. Israel hat UNRWA ein Arbeitsverbot erteilt, das im Jänner in Kraft trat. Die Organisation setzt ihre Tätigkeit jedoch fort.

Hilfslieferungen in den Gazastreifen seit Anfang März gestoppt

Der Gazastreifen erlebt nach UNO-Angaben die wohl schwerste humanitäre Krise seit Beginn des Kriegs vor mehr als eineinhalb Jahren. Israel schloss Anfang März alle Grenzübergänge in den Gazastreifen für Hilfslieferungen. Damit will Israel nach eigenen Angaben den Druck auf die islamistische Hamas erhöhen, die entführten Geiseln freizulassen. Israel wirft der Hamas vor, sie habe sich Hilfsgüter mit Gewalt angeeignet und verkaufe diese zu hohen Preisen an die Zivilbevölkerung. Laut Saar war die humanitäre Hilfe zuletzt Haupteinnahmequelle der Hamas.

Die UNO forderte von Israel den ungehinderten Zugang für Hilfsgüter für die Menschen im Gazastreifen. Die seit fast 60 Tagen andauernde totale Blockade von humanitärer Hilfe sei ein Verstoß gegen internationales Recht, sagte die Untergeneralsekretärin der UNO, Elinor Hammarskjöld. "Israel ist verpflichtet, für die Bevölkerung zu sorgen und Hilfe zu ermöglichen." Auch mit Angriffen auf UNO-Einrichtungen und -Mitarbeiter verletzte Israel internationales Recht.

Israel wirft Vereinten Nationen starke Einseitigkeit vor

Im Juli vergangenen Jahres hatte das Gericht bereits Israels Besatzung der palästinensischen Gebiete für illegal erklärt. Ein Rechtsgutachten des UNO-Gerichts ist rechtlich nicht bindend, doch kann den internationalen Druck auf Israel weiter erhöhen.

Die Vereinten Nationen seien Israel gegenüber extrem voreingenommen, sagte Saar. "Kein anderes Land – weder eine Demokratie noch ein anderes Regime – wurde so oft vor den IGH gebracht wie Israel. Keine andere Nation wird so systematisch mit zweierlei Maß gemessen." Der Außenminister sagte ferner: "Wenn der IGH weiterhin für antisemitische Zwecke missbraucht wird, wird er seine Glaubwürdigkeit und Legitimität verlieren."

Zusammenfassung
  • Der palästinensische Botschafter Ammar Hijazi beschuldigt Israel des Völkermords durch die Blockade von Hilfsgütern im Gazastreifen, die seit dem 2. März andauert. Die UNO fordert von Israel den ungehinderten Zugang für humanitäre Hilfe.
  • Die Anhörung ist auf fünf Tage angesetzt, und gut 40 Staaten werden ihre Stellungnahmen abgeben. Ein Rechtsgutachten des IGH könnte den internationalen Druck auf Israel erhöhen, obwohl es rechtlich nicht bindend ist.