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Macron mahnt Europa zu stärkerer Verteidigung

Frankreichs Präsident Emmanuel Macron hat Europa mit drastischen Worten zu einer verstärkten Verteidigung aufgerufen. "Es besteht die Gefahr, dass unser Europa sterben könnte", warnte der Staatschef am Donnerstag in einer Grundsatzrede an der Pariser Sorbonne-Universität. Europa stehe an einem Wendepunkt und müsse mehr tun, um mit rasch wieder aufrüstenden globalen Rivalen konkurrieren zu können.

Die größte Gefahr für die Sicherheit Europas sei der Krieg in der Ukraine: "Die Grundvoraussetzung für unsere Sicherheit ist, dass Russland diesen Angriffskrieg nicht gewinnt", sagte Macron. Er schlug die Schaffung einer europäischen Militärakademie vor. Zudem müsse Europa den Bereich Cybersicherheit stärken und die heimische Rüstungsindustrie fördern: "Wie können wir unsere Souveränität, unsere Autonomie aufbauen, wenn wir nicht die Verantwortung übernehmen, unsere eigene europäische Verteidigungsindustrie aufzubauen?"

"Ich lade in den kommenden Monaten alle Partner ein, eine europäische Verteidigungsinitiative aufzubauen", sagte Macron. Dazu zähle unter anderem der Aufbau einer europäischen Militärakademie. "Europa muss das, was ihm am Herzen liegt, verteidigen können - mit seinen Verbündeten, wenn sie dazu bereit sind, aber auch allein, wenn es nötig ist", sagte er. Er bekräftige seine Forderung, bei Rüstungsgütern europäische Produktionen zu bevorzugen und dafür auch gemeinsame Schulden aufzunehmen - Forderungen, die etwa von Deutschland bisher nicht umfassend geteilt werden.

Frankreich werde dabei seine Rolle spielen, sagte Macron. Die nukleare Abschreckung, über die Frankreich verfüge, sei dabei "ein unumgängliches Element der Verteidigung des europäischen Kontinents", erklärte Macron. "Dank dieser glaubwürdigen Verteidigung können wir die Sicherheitsgarantien aufbauen, die unsere Partner in ganz Europa erwarten", betonte er. Der gemeinsame Sicherheitsrahmen könne in der Zukunft auch ermöglichen, "nachbarschaftliche Beziehungen zu Russland aufzubauen".

Auf Verteidigungsebene gelte es zudem, die Verbindungen zu dem aus der EU ausgetretenen Großbritannien zu stärken. Macron bezeichnete den Brexit als eine der "beispiellosen Krisen", mit denen Europa in den vergangenen Jahren konfrontiert war. Er sprach von einer "Explosion", deren negative Auswirkungen dazu geführt hätten, dass niemand mehr einen Austritt propagiere - weder aus der EU noch aus dem Euro.

Macron sagte, Europa müsse in der Lage sein, einen Dialog mit Drittländern aufzunehmen und zu zeigen, dass es kein "Vasall" der USA sei. Wirtschaftlich drohe der alte Kontinent im internationalen Kontext zurückzufallen und müsse sein Wachstumsmodell überdenken. Berater des Präsidenten bezeichnen die Rede als Beitrag Frankreichs zur strategischen Agenda der EU für die nächsten fünf Jahre. Über die Agenda soll nach den Europawahlen entschieden werden, die im Juni stattfinden.

Macron knüpft mit seinem Auftritt an eine Grundsatzrede aus dem Jahr 2017 an selber Stelle an: Damals entwarf er die Vision einer "europäischen Souveränität" und "strategischen Autonomie" - Begriffe, die in Brüssel inzwischen zu geflügelten Worten geworden sind. Konkret schlug Macron damals ein gemeinsames Budget der Euro-Staaten vor. Bis zum nächsten Jahrzehnt sollte es zudem einen EU-Verteidigungshaushalt geben.

Macron hatte in jüngster Zeit zudem mit der Bemerkung für Aufmerksamkeit gesorgt, dass der Einsatz westlicher Bodentruppen in der Ukraine nicht ausgeschlossen sei. Solche Überlegungen treffen beim deutschen Bundeskanzler Olaf Scholz auf Ablehnung. Auch Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) hatte erklärt, Macrons Vorstoß sei "keine gemeinsame Position". Als weitere Beispiele von Interessenkonflikten nannte der deutsche Regierungssprecher Steffen Hebestreit unlängst zudem geplante gemeinsame Projekte wie die Entwicklung eines Kampfflugzeuges und eines Kampfpanzers.

Macron verlor 2022 seine parlamentarische Mehrheit. Auch seine persönlichen Popularitätswerte in Frankreich sind gesunken. Seine zentristische Partei Renaissance liegt in den Umfragen vor den Europawahlen im Juni hinter dem rechtsextremen Rassemblement National (RN).

Scholz unterstützte im Grundsatz die von Macron vorgeschlagenen Maßnahmen für ein wirtschaftlich starkes, sicheres Europa. Gemeinsames Ziel von Frankreich und Deutschland sei es, "dass Europa stark bleibt", kommentierte Scholz am Donnerstag auf der Plattform X eine Grundsatzrede des französischen Staatspräsidenten. "Deine Rede enthält gute Impulse, wie uns das gelingen kann", fügte er hinzu.

ribbon Zusammenfassung
  • Frankreichs Präsident Emmanuel Macron fordert in einer Grundsatzrede an der Sorbonne-Universität eine stärkere europäische Verteidigung und warnt vor dem 'Sterben' Europas.
  • Als Reaktion auf den Krieg in der Ukraine schlägt er die Schaffung einer europäischen Militärakademie vor und betont die Notwendigkeit, die europäische Rüstungsindustrie zu fördern.
  • Vor den Europawahlen im Juni liegt Macrons Partei Renaissance in Umfragen hinter dem rechtsextremen Rassemblement National; seine persönlichen Popularitätswerte in Frankreich sind gesunken.