Jörg Haider mit Bier beim Aschermittwoch im Jahr 2001APA/rubra / Wakolbinger

Jörg Haiders Import

Aschermittwoch: Wie die derben Sprüche nach Österreich kamen

Heute, 15:30 · Lesedauer 5 min

Jörg Haider brachte die bayerische Tradition des politischen Aschermittwochs nach Österreich - und seither nutzt ihn die FPÖ für derbe Auftritte mit Sprüchen unter der Gürtellinie. Aber warum gibt es den Tag überhaupt? Und was machen die anderen Parteien?

Was im 16. Jahrhundert auf einem bayerischen Viehmarkt begann, rief vergangenes Jahr sogar den österreichischen Bundespräsidenten auf den Plan. Alexander Van der Bellen ermahnte die Parteichefs, sie mögen bei ihrer Wortwahl beim anstehenden politischen Aschermittwoch doch darauf achten, andere nicht zu verletzten. 

Im Vorjahr hatte FPÖ-Chef Herbert Kickl den Präsidenten in der Jahnturnhalle in Ried im Innkreis als "senil" und "Mumie" bezeichnet. Kurz stand ein rechtliches Nachspiel im Raum. Van der Bellen sah dann aber davon ab. 

2024 fiel der politische Aschermittwoch in den Wahlkampf. Kickl verteidigte seine "Fandungliste", zog über "linke Agenten im ORF" oder die "Corona-Karo" her. Dennoch könnte die erwartete Rede Kickls heuer noch deftiger ausfallen. Schließlich landete der blaue Chef nur fast in der Regierung und befindet sich wieder in Frontalopposition.

Es ist zu erwarten, dass die neue Dreierkoalition bei Bierzeltstimmung gehörig durch den Kakao gezogen wird. Durchaus möglich, dass mancher Spruch, der in Oberösterreich fallen wird, deutlich unter der Gürtellinie landen wird. Kickl wird versuchen, seinen Anhänger:innen zu erklären, warum er wieder nicht Kanzler wurde. Schuld daran werden alle anderen sein.

"Rote Ochsen"

Der politische Aschermittwoch eignet sich hervorragend für blaue Wutausbrüche und Inszenierungen. Wohl deshalb war es auch die FPÖ, die das Event überhaupt nach Österreich brachte. Jörg Haider importierte die bayerische Tradition im Jahre 1992.

Ginge es nach der katholischen Kirche, wäre der Aschermittwoch nach dem Fasching bzw. Karneval der erste Fasttag. Nicht so in der Politik. Schon im 16. Jahrhundert sollen sich die Bauern beim Vieh- und Rossmarkt im bayerischen Vilshofen an der Donau über die königliche Politik ausgelassen haben.

Im Jahr 1919, nach der Novemberrevolution, rief der bayerische Bauernbund dann erstmals zu einer offiziellen Versammlung auf, die sich in den folgenden Jahren als Plattform verschiedener Bauernparteien etablierte. Auch die Nationalsozialisten bedienten sich der Tradition - erlaubt waren aber nur Reden der NSDAP.

CSU-Politiker Edmund Stoiber trinkt aus einem Franz-Josef-Strauß-Bierkrug.dpa

CSU-Politiker Edmund Stoiber trinkt aus einem Franz-Josef-Strauß-Bierkrug.

Nach dem Zweiten Weltkrieg war es zunächst die separatistische Bayernpartei und schließlich die CSU, die den Brauch wieder aufgriffen. Deutschlandweite Aufmerksamkeit erlangte der Tag aber erst durch Franz-Josef Strauß.

Im Jahr 1953 riss der CSU-Patriarch den Tag an sich, seither hat die CSU quasi das Patentrecht auf die derben Sprüche. Der umstrittene Machtpolitiker (1915-1988) prägte die bayerische Unionspartei und die polternde Tonalität am Aschermittwoch wie kein anderer. 35 Mal trat er als Redner auf - als CSU-Generalsekretär, Bundesminister, Ministerpräsident und CSU-Chef.

Zunächst trat er noch in einem Wirtshaus in Vilshofen auf. 1975 übersiedelte die Volkstümelei in die Passauer Nibelungen-Halle, später in die dann in die Dreiländerhalle.

Wo Strauß einst über nationalrote Preußen, den "riesigen Saustall" von SPD und FDP, über "rote Deppen" oder den "roten Ochsen", den man "zu spät kastriert" habe, wetterte, tritt heuer Markus Söder auf. Vilshofen ist mittlerweile zu Beginn der Fastenzeit in SPD-Hand.

"Westentaschen-Napoleon"

In Deutschland haben mittlerweile auch alle anderen wichtigen Parteien ihre Veranstaltungen am politischen Aschermittwoch. Deutschlands wohl nächster Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) sagte heuer wegen der Sondierungen mit der SPD ab. Söder, der die CSU bei den Verhandlungen vertritt, lässt sich seinen Auftritt hingegen nicht nehmen. Für die CSU ist der Tag ein Feiertag. 

Markus Söder beim politischen Aschermittwoch im Jahr 2020.APA/dpa/Peter Kneffel

Markus Söder beim politischen Aschermittwoch im Jahr 2020.

In Österreich hat sich der politische Aschermittwoch im Gegensatz zu Bayern vor allem als Rechtsaußen-Tradition durchgesetzt. Von Jörg Haiders Reden in Ried sorgte eine sogar für internationale Aufregung. 2000 bezeichnete er den damaligen französischen Staatspräsidenten Jacques Chirac als "Westentaschen-Napoleon"

Aufregung in Österreich gab es zur Genüge: Über den Präsidenten der Israelitischen Kultusgemeinde Ariel Muzicant meinte Haider 2001: "Ich verstehe überhaupt nicht, wie einer, der Ariel heißt, so viel Dreck am Stecken haben kann."

Ein Jahr später legte er nicht minder derb in Richtung des damaligen VfGH-Präsidenten Ludwig Adamovich nach: "Wenn man schon Adamovich heißt, muss man zuerst einmal fragen, ob er eine aufrechte Aufenthaltsberechtigung hat."

Heinz-Christian Strache beim Aschermittwoch im Jahr 2018.APA/MANFRED FESL

Heinz-Christian Strache beim Aschermittwoch im Jahr 2018. 

Mit der Abspaltung des BZÖ von der FPÖ polterte Haider zwischen 2003 und 2005 mit weniger Beachtung in der Kärntner Gemeinde Treibach-Althofen. Erst Heinz-Christian Strache machte das Event in der Jahnturnhalle in Ried wieder groß.

Unter Norbert Hofer fielen die Töne - auch coronabedingt - etwas ruhiger aus, mit Herbert Kickl hat die politische Inkorrektheit nun seit einigen Jahren wieder Hockkonjunktur. 

Herbert Kickl am Aschermittwoch im Jahr 2024.APA/MANFRED FESL

Herbert Kickl am Aschermittwoch im Jahr 2024.

Bei den anderen Parteien in Österreich hat sich der Tag nie so recht durchgesetzt. So manch heimischer Spitzenkandidat besuchte eher die Veranstaltungen in Deutschland - darunter etwa Christian Kern.

Bei den Grünen gab es unter Peter Pilz Versuche, die ÖVP versuchte es unter Karl Nehammer, in Österreich jährliche Veranstaltungen abzuhalten. Heuer verzichtet die Volkspartei.

Max Lercher und Andreas Babler beim Aschermittwoch 2024.APA/ERWIN SCHERIAU

Max Lercher und Andreas Babler beim Aschermittwoch 2024.

In der Steiermark versucht SPÖ-Politiker Max Lercher seit einigen Jahren, das Event zu etablieren. Im vergangenen Jahr, im Wahlkampf, kam Andreas Babler. Heuer kommen der Klubvorsitzende Philip Kucher und die Abgeordnete Julia Herr nach Kobenz. Die Roten starten um 18.30 Uhr. Herbert Kickl wird in Ried um 19.30 Uhr loslegen - PULS 24 berichtet live ab 18:30 Uhr. 

Aschermittwochrede von FPÖ-Chef Herbert Kickl 2024

Aschermittwochrede von SPÖ-Chef Andreas Babler 2024

Aschermittwochrede von ÖVP-Chef Karl Nehammer 2024

Zusammenfassung
  • Jörg Haider brachte die bayerische Tradition des politischen Aschermittwochs nach Österreich - und seither nutzt ihn die FPÖ für derbe Auftritte mit Sprüchen unter der Gürtellinie.
  • Aber warum gibt es den Tag überhaupt? Und was machen die anderen Parteien?