Israels Parlament entscheidet über Justizreform
Präsident Itzhak Herzog versuchte im letzten Moment noch einen Kompromiss zwischen Regierung und Opposition in dem umstrittenen Vorhaben zu erreichen. Am Sonntagabend traf er nach Angaben seines Büros dazu Regierungschef Netanyahu und Oppositionsführer Yair Lapid. Anschließend wollte er auch mit Oppositionspolitiker Benny Gantz zusammenkommen.
"Eine Einigung muss erzielt werden", forderte Herzog. Lapid zeigte sich nach dem Treffen mit einem Vorschlag Herzogs, über den zunächst keine konkreten Details bekannt wurden, einverstanden. "Ich werde mein Möglichstes tun, um einen breiten Konsens für ein demokratisches und starkes Israel zu erreichen", schrieb er bei Twitter. Netanyahu äußerte sich zunächst nicht.
Sowohl Gegner als auch Befürworter der Justizreform demonstrierten am Sonntagabend. Während in der Küstenstadt Tel Aviv Zehntausende Unterstützer des geplanten Justizumbaus zusammenkamen, versammelten sich in der Hauptstadt Jerusalem Zehntausende, die dem Vorhaben ablehnend gegenüberstehen. In Jerusalem hatte zudem am Sonntag zu Mittag eine Demonstration für einen Konsens beider Lager stattgefunden.
Medienberichten zufolge griffen Befürworter der Justizreform einen Journalisten und dessen Kamerateam aus zunächst ungeklärter Ursache an. Den Angaben nach kamen viele der Demonstranten mit Bussen aus anderen Orten des Landes sowie Siedlungen im besetzten Westjordanland in das als liberal geltende Tel Aviv.
Das Treffen von Netanyahu und Herzog fand Medienberichten zufolge im Spital statt. Der 73-Jährige bekam nur wenige Stunden vor Beginn der Beratungen in der Sheba-Klinik bei Tel Aviv einen Herzschrittmacher eingesetzt. Netanyahu war vor einer Woche ins Krankenhaus eingeliefert worden. Damals hieß es noch, er sei zu lange ohne Wasser und Kopfbedeckung in der Sonne gewesen. Montagfrüh wurde Netanyahu aus dem Krankenhaus entlassen.
Das Gesetz ist Teil eines größeren Pakets, das von Kritikern als Gefahr für Israels Demokratie eingestuft wird. Alle bisherigen Verhandlungen zwischen der rechten Koalition und der Opposition blieben bisher ohne Erfolg. Netanyahus Likud-Partei hatte zudem erst am Sonntag einen vor einigen Tagen vom Dachverband der Gewerkschaften (Histadrut) eingebrachten Vorschlag über eine Einigung abgelehnt.
Die aktuelle Regierung ist die am weitesten rechts stehende, die Israel je hatte. Die Gesetzesänderungen erfolgen auch auf Druck der strengreligiösen Koalitionspartner Netanyahus. Die Reform könnte ihm aber auch in einem Korruptionsprozess, der schon länger gegen den Regierungschef läuft, in die Hände spielen.
Dem Höchsten Gericht des Landes soll es mit dem Gesetz nicht mehr möglich sein, eine Entscheidung der Regierung oder einzelner Minister als "unangemessen" zu bewerten. Kritiker fürchten, dass dies Korruption und die willkürliche Besetzung wichtiger Posten und Entlassungen begünstigt. Die Netanyahu-Regierung wirft der Justiz dagegen vor, sich zu sehr in politische Entscheidungen einzumischen. Der Vorsitzende der Rechtsanwaltskammer, Amit Becher, kündigte an, bei einer Verabschiedung juristisch gegen das Gesetz vorzugehen.
Zuletzt nahm auch der Widerstand im Militär zu. Etwa 10.000 Reservisten kündigten an, nicht mehr zum Dienst zu erscheinen, sollte die Regierung ihre Pläne nicht stoppen. Berichten zufolge könnte dies die Einsatzbereitschaft des Militärs erheblich beeinträchtigen. Am Freitag hatten bereits mehr als 1.000 Reservisten der Luftwaffe mit Dienstverweigerung gedroht. Daraufhin gab Verteidigungsminister Yoav Galant bekannt, sich um einen "Konsens" zu bemühen.
Israels Institut für Nationale Sicherheitsstudien schrieb am Sonntag: "Der Schaden für die nationale Sicherheit Israels ist Realität geworden". Sollte das Gesetz nicht gestoppt werden, werde nicht nur dem Militär Schaden zugefügt, sondern auch der Wirtschaft und den Beziehungen zu wichtigen Bündnispartnern wie den USA.
Ein Zusammenschluss der 150 größten Unternehmen im Land rief für Montag zu einem Streik auf. Von der Arbeitsniederlegung betroffen sind laut Medien auch einige große Einkaufszentren. Auch mehrere große Hightech-Unternehmen wollen sich Berichten zufolge dem Streik anschließen. Die Start-up-Szene gilt als wichtigstes Zugpferd der israelischen Wirtschaft.
Zusammenfassung
- Am Montag wird im israelischen Parlament in Jerusalem eine entscheidende Abstimmung über einen Kernteil des umstrittenen Umbaus der Justiz durch die rechtsreligiöse Regierung von Benjamin Netanyahu erwartet.
- Sowohl Gegner als auch Befürworter der Justizreform demonstrierten am Sonntagabend.
- Das Treffen von Netanyahu und Herzog fand Medienberichten zufolge im Spital statt.
- Die Start-up-Szene gilt als wichtigstes Zugpferd der israelischen Wirtschaft.