Helfer warnen vor "humanitärer Tragödie" im Sudan
Nach Angaben der UNO gibt es in vielen Häusern seit Tagen keinen Strom oder kein fließendes Wasser mehr. Tausenden Menschen gehen demnach Trinkwasser, Nahrungsmittel, Benzin und Medikamente aus. Die Gesundheitsversorgung sei so gut wie zusammengebrochen, sagte das sudanesische Ärztekomitee. Augenzeugenberichten zufolge liegen Leichen auf den Straßen der Hauptstadt. Auch in anderen Teilen des Landes setzten sich die heftigen Gefechte fort.
Besonders betroffen von den Kämpfen zwischen der Armee und der paramilitärischen Gruppe Rapid Support Forces (RSF) waren weiterhin der Flughafen und das Generalkommando des Militärs in Khartum. Auch in anderen Teilen des Landes setzten sich die heftigen Gefechte fort. Laut der Weltgesundheitsorganisation (WHO) stieg die bisher bekannte Zahl der Toten auf rund 330. Rund 3.200 Menschen seien verletzt worden.
In dem seit Jahren politisch instabilen nordostafrikanischen Land kämpft seit Samstag die Armee gegen die einst verbündete paramilitärische RSF um die Macht. Das gold- und ölreiche Land mit rund 46 Millionen Einwohnern wird seit 2019 von einer militärischen Übergangsregierung regiert, die diesen Monat eigentlich einen Prozess zur Demokratisierung einleiten sollte. Mehrere Versuche, eine Feuerpause zu organisieren, sind in den vergangenen Tagen gescheitert.
Laut einem dpa-Reporter versuchten Tausende Einwohner seit Mittwoch die Hauptstadt, in der die Kämpfe bisher am schlimmsten wüteten, zu verlassen. Sie stünden vor der Herausforderung, zu entscheiden, was sicherer sei: sich zuhause zu verschanzen, mit der Gefahr bombardiert zu werden, oder zu fliehen - unter der Gefahr, dabei im Kreuzfeuer erschossen zu werden.
"Khartum ist eine Geisterstadt, das Einzige, was man sieht und hört, sind Gewehrschüsse, Artilleriebeschuss und Luftangriffe", schilderte die CARE-Regionaldirektorin für Ost- und Zentralafrika, Kate Maina-Vorley, am Donnerstag gegenüber der APA. Schon vor Ausbruch der Gewalt waren laut der Hilfsorganisation CARE 15,8 Millionen der rund 45 Millionen Einwohner des Landes auf humanitäre Hilfe angewiesen. Mehr als elf Millionen Menschen waren kaum in der Lage, ihren Mindestbedarf an Nahrung zu decken. "Das ist einer von vier Sudanesen, die hungrig ins Bett gehen", so Maine-Vorley. Vier Millionen Kinder unter fünf Jahren waren mangelernährt.
Das UN-Kinderhilfswerk UNICEF warnte am Donnerstag, die eskalierende Gewalt gefährde Millionen von Kindern. Mindestens neun Kinder wurden Berichten zufolge bei den Kämpfen getötet und mehr als 50 verletzt. Zudem hätten die Kämpfe laut UNICEF die lebensrettende Versorgung von etwa 50.000 akut unterernährten Kindern unterbrochen. Wegen landesweiten Stromausfällen seien kühlpflichtige Impfstoffe, Insulin und Antibiotika zerstört worden, teilte Save the Children mit.
Dem Krankenhaus in El Fasher in Nord-Darfur gingen die medizinischen Vorräte zur Behandlung von Patienten aus, sagte Ghazali Babiker, der stellvertretender Landeskoordinator von Ärzte ohne Grenzen im Sudan, am Donnerstag. Da der umkämpfte internationale Flughafen in Khartum seit Samstag geschlossen sei, hätten keine medizinischen Hilfsgüter oder Operationsteams eingeflogen werden können. Die WHO rief die Konfliktparteien erneut mit höchster Dringlichkeit zu einem humanitären Waffenstillstand auf.
Von der internationalen Gemeinschaft fordert CARE auch "eine angemessene Finanzierung" für die humanitäre Hilfe. Bereits vor Ausbruch der Kämpfe war die internationale Hilfe für den Sudan gering. Von den für die internationale humanitäre Hilfe veranschlagten 1,75 Milliarden Dollar seien bis Anfang April nur 13,5 Prozent bereitgestellt worden, so Maine-Vorley.
Die US-Botschaft forderte in einer Erklärung, die von 14 weiteren diplomatischen Vertretungen im Sudan mit unterzeichnet wurde, die Konfliktparteien müssten es "unterlassen, unrechtmäßig die Menschen aus ihren Häusern zu vertreiben". Die Kämpfe brächten "die sudanesische Bevölkerung, Diplomaten und humanitäre Helfer rücksichtslos in Gefahr". Bei der UNO gingen Berichte über sexuelle Gewalt gegen humanitäre Helfer ein, Diplomaten wurden angegriffen. Die Pläne zur Evakuierung ausländischer Staatsbürger waren schwer umzusetzen.
Nach Angaben der sudanesischen Armee wurde die Zentralbank der verarmten Landes geplündert. "Hohe Geldsummen" seien von der RSF-Miliz gestohlen worden, erklärte die Armee. Die Miliz warf den Soldaten vor, "Häuser von Familien anzugreifen".
Zusammenfassung
- Aufgrund der anhaltenden Kämpfe im Sudan können Zehntausende Menschen in der Hauptstadt Khartum ihre Häuser weiter nicht verlassen.
- Das UN-Kinderhilfswerk UNICEF warnte am Donnerstag, die eskalierende Gewalt gefährde Millionen von Kindern.
- Bereits vor Ausbruch der Kämpfe war die internationale Hilfe für den Sudan gering.
- Die Kämpfe brächten "die sudanesische Bevölkerung, Diplomaten und humanitäre Helfer rücksichtslos in Gefahr".